Die Bundesbahn, die Berliner S-Bahn und das Eisenbahnbundesamt

Die Bundesbahn nennt ihre Benutzer nicht „Kunden“, sondern „Gäste“. Das verdeutlicht ihre Sicht auf die Benutzer. Kunden könnten ein Mindestmaß an Kundendienst, an Service, erwarten - und daß die Bahn nicht bereit ist, den auch nur in Spuren anzubieten, weiß jeder Benutzer. „Gäste“ dürfen sich über die angebotenen Leistungen, die die Bahn offenbar als Geschenke ansieht, nicht beschweren - nach der Devise: Geschenktem Gaul guckt man nicht ins Maul.

 

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Nebenbemerkung zum Thema Geschenke: Eine Fahrt zu zweit mit dem Auto über eine Entfernung von 551 km (Köln-Berlin) kostet, je nachdem, ob man nur die Treibstoffkosten oder betriebswirtschaftlich rechnet: 32,70 € oder 192,85 €. Zwei Fahrkarten 2. Klasse mit Platzreservierung kosten dagegen 227,00 €; hinzukommen 30,- € für Zu- und Abgang mit dem Taxi. Die Bahn nimmt also allein für die Bahnfahrt 34,15 € mehr, als die Autofahrt kostet, obwohl sie ein Massentransportmittel ist, bei dem die Kosten pro Person natürlich massiv sinken. Unter Einbeziehung des Zu- und Abgangs beträgt die Kostendifferenz zugunsten des Auto fahrenden Selbstversorgers also mindestens 64,15 €. (Der nicht betriebswirtschaftlich rechnende „Gast“ der Bahn zahlt 224,30 € mehr als für die Autofahrt.). Ich überlasse es dem Leser, die Rechnung für vier Personen aufzumachen.

 

Quintessenz: Für die als „Geschenk“ gewährten Leistungen an Unzuverlässigkeit, Unpünktlichkeit, Unfreundlichkeit, Unwirtlichkeit und Unreinlichkeit fordert die Bahn haarsträubende Entgelte, und deren Entrichtung wird auf jeder Fahrt mindestens zweimal (Personalwechsel!) akribisch kontrolliert. Die Bahn ist ein Unternehmen, das seine Kunden und damit seine Existenz nicht seinen indiskutablen Leistungen, sondern ausschließlich seiner Monopolstellung verdankt. Es gibt einfach auf allen Fernverkehrsstrecken keine Alternative und keine Konkurrenz. Das nutzt die Bahn nach Kräften, ohne Rücksicht auf die Kunden und mit von Jahr zu Jahr zunehmender Unverfrorenheit.

 

Daß dieses miese Unternehmen es fertiggebracht hat, auch die bis vor zwei Jahren vorzüglich funktionierende Berliner S-Bahn ins Chaos zu stürzen, wissen mittlerweile alle Benutzer der S-Bahn. Die Bundesbahn hat allerdings so getan, als trage sie keine Verantwortung für das Geschehen, indem sie den S-Bahn-Vorstand abberufen und damit zum Schuldigen gestempelt hat. Inzwischen ist aber klar, daß er nur der Sündenbock war, der auch für das Verschulden der Bundesbahn büßt. Damit er sich nicht zur Wehr setzt, „büßt“ er auch nicht eigentlich, sondern wird weiter bezahlt.

 

Das alles ist nicht neu. Merkwürdigerweise bleibt die Rolle, die das Eisenbahnbundesamt für das Chaos bei der S-Bahn gespielt hat, in den Kommentaren zum Geschehen regelmäßig außer Betracht. Von einem Tag auf den andern stellt es fest, daß die S-Bahn infolge jahrelanger Versäumnisse bei der Wartung zur Hälfte nicht mehr verkehrssicher sei, und verfügt die sofortige Stillegung aller betroffenen Wagen, die Nachholung der Wartungen und Nachrüstungen erheblichen Umfangs. Das ist mit dem Grundsatz „Sicherheit geht allem anderen vor“ natürlich leicht zu rechtfertigen, läßt aber die Frage offen, was diese Riesenbehörde eigentlich in den vergangenen Jahren gemacht hat, welche Kontrollen sie durchgeführt, welche sie unterlassen hat, und warum sie die Beseitigung festgestellter Mängel nicht so rechtzeitig veranlaßt hat, daß das Chaos vermieden worden wäre. Und von kundenfreundlichen Alternativlösungen, bei denen die Reparaturen nach Dringlichkeit gestreckt worden wären, hat man natürlich auch nichts gehört.

 

Wann werden die Verantwortlichen im Eisenbahnbundesamt also durch Kräfte ersetzt, die zu rechtzeitigem, vernünftigem und verantwortlichem Handeln bereit und in der Lage sind?

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Katrin Vogel

Die Frage nach der Verantwortlichkeit des Eisenbahnbundesamtes stellt sich in der Tat. In Berlin/Brandenburg da baut die Bahn eine Starkstromleitung, ohne dass ein Planfeststellungsbeschluss vorliegt...und das EBA schaut zu. Ein weiterer Mast steht bereits, für den gibt es bis heute keine Genehmigung...und das EBA schaut zu.
Soll doch jemand klagen, den das stört.
Bundesbehörde=Narrenfreiheit....das sollte dringend geändert werden!

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Und dazu kommt noch, daß man Tarifexperte sein muß und möglichst weit in voraus buchen muß, um die möglichen Preisermäßigungen zu ermitteln und auszunutzen, mit anschließender Festlegung auf eine ganz bestimmte Zugverbindung. Danke, da setz ich mich doch lieber in mein Auto!

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