Was Kindern im Arbeiter- und Bauernstaat angetan wurde, war lange kein Thema.
Es wurde Anfang der 90er Jahre über die katastrophalen Zustände in den Kinderheimen Rumäniens berichtet, aber über die Heime in der DDR schwiegen sich die Meiden aus.
Als in der Legislaturperiode von 2005 bis 2009 ein „Runder Tisch Heimkinder“ im Bundestag eingerichtet wurde, ging es anfangs nur um die Zustände in den Kinderheimen der BRD. Es dauerte viele Monate, ehe endlich auch die Heimkinder der DDR in den Blick genommen wurden. Es gab aber nur eine Expertin in der ganzen Runde und die hatte vor allem Jugendwerkhöfe, bis hin zum Geschlossenen in Torgau erlebt, der eher ein Kindergefängnis genannt werden muss, in dem es u.a. Dunkelhaft bis zu 14 Tagen, zahllose sexuelle Übergriffe und Gewalt gab.
Die Kinderkrippen, Wochenkrippen und „normalen“ Dauerheime der DDR blieben außen vor. Die SED hatte ganze Propagandaarbeit geleistet.
Nicht nur SPD-Familienministerinnen wie Renate Schmidt fanden die Kinderbetreuung der DDR vorbildlich, auch Ursula von der Leyen war dieser Meinung und setzte später als Verteidigungsministerin sogar durch, dass bei der Bundeswehr Kinderkrippen eingerichtet wurden.
Es ist umso verdienstvoller, dass nun ein Buch des Professors für Allgemeine Erziehungswissenschaft Florian von Rosenberg vorliegt, das Licht in das Dunkel der Unwissenheit bringt. Von Rosenberg untersucht das Krippensystem der DDR von seinen Anfängen bis in die letzten Jahre der DDR und seine verheerenden Folgen für die Kinder, die diesem System ausgesetzt waren.
Kinderkrippen sind keine Erfindung der sozialistischen Länder, es hat sie vereinzelt schon vorher gegeben, aber nur für Notfälle.
Die DDR wollte aber aus den Krippen eine sozialistische Errungenschaft machen, die vor allem dazu diente, die Arbeitskraft der Mütter zu erhalten.
Deshalb gab es in den 50er Jahren ein ambitioniertes Aufbauprogramm, das in ein flächendeckendes Kinderbetreuungsnetz münden sollte. Die begleitende Propaganda sollte der Bevölkerung nahebringen, dass die Krippenbetreuung der häuslichen überlegen sei. Eltern seien im Gegensatz zum Krippenpersonal, das sich nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen richtete, eher unbedarft.
Es gab kaum Untersuchungen, welche Folgen die frühe Trennung der Kinder von den Familien hatte. Eltern, die feststellten, dass ihre Kinder nach einer Woche Krippenaufenthalt verstört waren, abgenommen hatten und kränkelten, wurden zum Schweigen gebracht. Als später festgestellt wurde, dass besonders Wochenkrippenkinder sich langsamer entwickelten als solche, die in der Familie aufwuchsen, dass sie später sprechen lernten, häufiger krank waren und Verhaltensstörungen zeigten, die aus der Verlusterfahrung, fern der Mutter sein zu müssen, resultierten, wurde ein Mantel des Schweigens darübergebreitet.
Die Kinder reagierten auf die Trennung von der Familie erst mit Protest, Weinen und Schreien, später mit Apathie. Letzteres wurde als Eingewöhnung betrachtet. Statt zu den Eltern versuchten die Kinder eine Beziehung zu den Krippentanten aufzubauen. Sie wurden aber immer wieder enttäuscht, weil das Personal, besonders in Wochenkrippen, häufig wechselte, was den Kindern immer neue Verlustschmerzen zufügte, bis sie es aufgaben, vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Oberflächlich betrachtet, konnten solche Kinder als besonders angepasst gelten, weil sie schnell Freundschaften schlossen. In Wirklichkeit verließen über 40 Jahre lang Kinder das Betreuungssystem, die lebenslange Probleme hatten, mit ihren Partnern und Freunden wirkliche Bindungen einzugehen. So schnell, wie man heiratete, war man auch wieder geschieden.
Besonders dramatisch waren die Verhältnisse in den Wochenkrippen. Weil die chronisch unterbesetzt waren, wurde bis in die 70er Jahre zu drastischen Maßnahmen gegriffen. Dazu gehörte, die Kinder nachts mit Lederriemen ans Bett zu fesseln. In der Wochenkrippe in Halle, gegenüber dem berüchtigten Gefängnis „Roter Ochse“, in der sich sowohl Kinder der politischen Gefangenen, als auch des Wachpersonals befanden, kam es zu einem tragischen Unfall. Die Nachtschwester wollte einem besonders lebhaftem Kind etwas mehr Bewegungsfreiheit gönnen und fesselte den Jungen nur an einem Ende. Das Kind erwürgte sich während der Nacht, weil es dem Riemen, der sich um seinen Hals gewickelt hatte, nicht entkam. Sein Tod wurde erst am Morgen bemerkt. Danach wurden die Fesselungen nicht mehr angewandt.
In den letzten beiden Jahrzehnten wurden viele Wochenkrippen in Tageskrippen umgewandelt. Man brauchte für die Vollbeschäftigung der Mütter mehr Kapazitäten und die Schlafräume nahmen zu viel kostbaren Platz weg. Bis zum Ende des SED-Staates waren die meisten Krippen und Kindergärten überbelegt. Es gab bis zum Schluss nicht genügend Personal zur Betreuung der Kinder. Die Reaktion der Behörden war, Untersuchungen, die diese Probleme zum Gegenstand hatten, in der Schublade verschwinden zu lassen oder ganz zu unterbinden.
Im Gegensatz zur Tschechoslowakei, wo sich Wissenschaftler stark machten und gegen die Missstände zum Teil erfolgreich ankämpften, gab es das in der DDR nicht. Die Experten, die über die wahren Verhältnisse Bescheid wussten, schwiegen.
Was von Rosenbergs Buch so wertvoll macht, sind die vielen bisher unaufgearbeiteten Quellen, die er sich erschlossen hat. Das gibt dem Leser ein genaues Bild über dieses Massenexperiment an den jüngsten Mitgliedern der „Sozialistischen Menschengemeinschaft“. Besonders berührend ist die Perspektive von Rosenbergs, der mit viel Einfühlungsvermögen und großer Empathie klar macht, welche Folgen das Betreuungssystem für die Kinder hatte.
Wie notwendig dieses Buch ist, wird klar, wenn man weiß, dass im Land Brandenburg noch 2013 das Kinder- und Jugendheim Haasenburg wegen seiner „mentalen Verbindung zur DDR-Umerziehung“ geschlossen werden musste.
Der Geist ist fruchtbar noch, aus dem das DDR-Krippensystem kroch.
Deshalb wünsche ich dem Buch eine weite Verbreitung.
Kommentare zum Artikel
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Es kommt auf das Individuum an. Es gibt Kinder, denen genügt es vollauf, wenn sie nach festem Schema gefüttert, aufs Töpfchen gesetzt und zum Mittagsschlaf abgelegt werden. Dazwischen Malen, Basteln, im Sandkasten spielen, da ist die kleine Welt in Ordnung.
Andere Kinder verlangen nach mehr Stimulus, langweilen sich schnell, stellen nervige Fragen, brauchen mehr Zuwendung und individuelle Betreuung. Für sie ist dieses System nicht ausgelegt und wird ihnen daher nicht gerecht. Daher werden diese Kinder entweder rebellisch oder sie versinken in Apathie.
Natürlich ist es bequemer, Kinder nach dem Schema der Massentierhaltung zu betreuen. Der Prozentsatz der Aufmerksamen, Wissbegierigen, Empfindsamen und Unangepassten, also das intelligente Potential, geht dabei leider verloren.
Gruselig das ach hielt unbequeme Kommmentare verschwinden !!!! Ist Dieses hier auch Teil des herrschenden Systems ???? Allso doch vehement Johann Walter :,, Die Wahrheit wird heut unterdrückt . Die Lüge wird gar fein geschmückt ! Man hilft Ihr gar mit Schwüren !!!!Die SBZ war was SIE war !! Der sowjetisch besetzte Teil Deutschland ,nach Völkerrecht ,in den Grenzen von 1937 !!!!!Von der Geburt bis zum Tod Diktatur und der Freiheit der Tiere im Zoo !!!!!
Das Krippen und Kindergartensystem der DDR war eindeutig besser als das heutige System.
Wie Vorkommentatoren schon schrieben, auch ich kenne keinen der sich nicht gern an seine Kinderzeit erinnert.
Natürlich hat das Betreuungssystem dazu beigetragen, das Frauen ihren Beruf nachgehen konnten. Wenn wir heute nach Fachkräften rufen liegt das auch daran, dass im heutigen System eben nicht mehr jeder in Ruhe ohne Sorgen arbeiten kann. Familien werden viel weniger unterstützt. Da die Familie in der heutigen Zeit einfach zur Bedeutungslosigkeit verkommt. Das mag politisch gewollt sein, vielleicht empfinden das auch viele als besser, als freier, als vielfältiger, jeder nach seinem Gusto. Aber die Vergangenheit schlechtmachen, von der man selber profitiert hat, sollte man nicht machen, weil es von sehr schlechtem Still zeugt.
Das war Ausbeutung des weiblichen Geschlechts auf höchstem Niveau mit dem Vorteil verbunden, daß man auf die Kinder in der Krippe direkten Einfluß ausübern konnte und der bessere Weg in beiden Systemen wäre der gewesen, daß man die Mütter finanziell unterstützt und ihnen Wahlfreiheit gelassen hätte und so müssen sie nun Fremde importieren, als Folge aller Fehlentwicklungen, die man auch anders hätte gestalten können.
So hat man auf beiden Seiten die Frauen ausgenützt und auch noch gegeneinander ausgespielt und wären sie mit einem Grundbetrag bei der Mutterschaft ausgestattet gewesen, mit Rentenbeiträgen im Mittel bis zum 18. Lebensjahr eines Kindes, dann würde heute die Welt bei uns anders aussehen.
So ist das Versäumnis offenkundig und das wird nun zugekleistert mit der Selbstverwirklichung der Frau, die nun hinterm Schreibtisch oder der Werkbank sitzt und sich anderen unterordnen muß, was auch nicht jedermanns Sache ist, wenn es auch anders gegangen wäre.
Es ist ja wahr, daß das Krippensystem der DDR schwere Mißstände aufwies und fragwürdige parteiiideologische Grundlagen hatte. Trotzdem ist das, was den Kindern heute in der BRD angetan wird, wesentlich schlimmer: zahllose Kinder wachsen in einer Armut auf, die es in der DDR nicht gab, sie sollen z. B. in Berlin, "schwul -lesbischen" KITA - Betreibern ausgeliefert werden und zu grünen Gender - Zombies erzogen werden, erst in der KITA, dann in der Grundschule. Wie harmlos war dagegen die DDR! Letztlich war sie ein kinderfreundliches Land. Ich weiß als 1961 geborener Beschäftigter des DDR - Gesundheitswesens und Sozialwesens, wovon ich rede.
Guten Tag, ich habe den Bericht über die Kinderkrippen und Heime gelesen. Meine Tochter war ab der 13. Woche in einer Kinderkrippe und danach im Kindergarten. Sie erinnert sich heute mit 38 Jahren noch gerne daran zurück. Ich muss auch selber alles abstreiten was Sie da schreiben. Die Versorgung war sehr gut, der Kindrrarzt war regelmäßig in der Krippe, die Krippenerzieherinnen hatten eine dreijährige Ausbildung an einer Medizinischen Fachschule und die Kindergärtnerinnen hatten sechs Jahre Pädogogik usw. studiert. Also besser als heute. Natürlich gab es den Jugendwerkhof, was nicht in Ordnung war und Kinderheime, die nicht gut waren, aber ist dass heute anders. Unser Staat kümmert sich nicht um seinen eigenen Nachwuchs, nur um die Anderen, und die Lehrer heute haben nichts zu melden, weil die heutigen Eltern ihre über behüteten Kinder nicht ins normale Leben lassen. Erziehung gibt es nicht mehr, nur bunte Freiheit.
Zumal ja der Begriff "Krippe" ein christlich assoziierter Begriff ist... !