Die Berlusconisierung der deutschen Politik

Der Verteidigungsminister zu Guttenberg wird wohl vorerst im Amt bleiben können. Das war auch meine Schlussfolgerung, nachdem er die Universität Bayreuth (zu spät) gebeten hat, ihm den Doktortitel abzuerkennen. Er sollte noch eine Chance bekommen. Er sollte jetzt verstärkt an seiner Arbeit gemessen werden, die neben vielen positiven ja auch jetzt schon viele negative Punkte aufweist. Man denke nur an seine Neigung, schnell Bauernopfer zu bringen, um selbst aus der Schusslinie zu kommen.

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Mich wundert aber, wie man in diesem Fall die veröffentlichte Meinung tadeln kann. Denn gerade in diesem einen Fall hat sie recht. Der Mann ist jemand, der eine vorsätzliche Täuschungshandlung unternommen hat. Wie man diesen Tatbestand und entsprechend Leute, die ihn begangen haben, nennt, ist bekannt. Es muss hier nicht wiederholt werden.

Wenn die „Fans“ von zu Guttenberg geschlossen hinter ihm stehen, obwohl er in diesem Fall – von seiner Politik sei hier nicht geredet – einen katastrophalen Fehltritt getan hat, zeigt das vor allem eines: Die „Fans“ haben ein echtes Problem mit der Wahrheit. Und dieses Problem wird nicht kleiner, je mehr Leute auf Facebook für ihn stimmen. 

Ich weiß auch nicht, ob das Wort von der Kampagne richtig ist. Es wird ja wohl noch erlaubt sein, auf Betrug hinzuweisen. Zu Guttenberg hat ja die Vorlage geliefert; es ist gar nichts erfunden worden, um ihm zu schaden, wie das bei einer Rufmordkampagne der Fall wäre. Tatsache ist, dass Politiker schon wegen geringerer Verfehlungen zurückgetreten sind.

Giovanni di Lorenzo hat in der ZEIT den Verbleib zu Guttenbergs im Amt gefordert sinngemäß mit der Begründung, es wäre doch schrecklich, würden wir alle wegen längst verflossener Jugendsünden kassiert. Schon die Schnüffelei sei schlecht. Das stimmt, aber der Vergleich hinkt trotzdem. Schlecht wäre es, einen Politiker deswegen zu verfolgen, weil er früher mal einen Joint geraucht hat. Das hätte mit seiner Politik heute überhaupt nichts zu tun. Aber das Plagiat zu Guttenbergs ist keine Jugendsünde und offenbart einen Charakterfehler, der sehr wohl für die Politik von Bedeutung ist.

Wenn man nun alles an „Argumenten“ der Facebookgemeinde und Umfragen zusammenzählt, heißt die Konsequenz: Ein Minister soll im Amt bleiben, weil die Mehrheit der Bürger das will. Was er getan hat, spielt keine Rolle, die „Fans“ mögen ihn halt. Das moralische Versagen der Bürger entspricht dem moralischen Versagen der Politiker – hatten wir das nicht schon mal? Genau deshalb ist die repräsentative und nicht die direkte Demokratie eingeführt worden. Aber manche begrüßen schon einen Wandel der politischen Kultur und meinen damit mehr Bürgereinfluß, der in vielen Fällen tatsächlich dringend nötig wäre. Ich sehe auch einen Wandel, aber einen anderen.

Dieser Wandel hat sich spätestens mit der berüchtigten Talkshow in Mazar-e Sharif angekündigt. Damals schrieb ich: „Der Afghanistanbesuch der zu Guttenbergs, denen jetzt auch unsere mediengeile Kanzlerin beigesprungen ist, geht darum in Ordnung, weil er perfekt die Mediendemokratie symbolisiert, die wir haben. Wir haben es im wesentlichen nicht mehr mit Politikern, sondern mit Politikdarstellern zu tun, wobei es noch eine Weile dauern wird, bis Karl-Theodor zu Guttenberg die Brillanz seines Vorbilds Berlusconi erreicht hat.“ Politik ist zur Unterhaltung verkommen.

Der Verteidigungsminister hat sich seinem Vorbild jetzt einen großen Schritt angenähert. Er hat es zum ersten Mal wirklich geschafft, großen Mist zu bauen und trotzdem bei den Bürgern beliebt zu bleiben. Und wie er sich im Bundestag pro forma entschuldigt und mit der gespielten Demut sich wieder selbst erhöht hat, hätte sogar Berlusconi kaum besser machen können. Auch der verletzt permanent Regeln, quasi repräsentativ, macht einfach weiter und die Leute, die auch gerne ungestraft so über die Stränge schlagen würden, sagen: „Lasst ihn doch in Ruhe! So ein toller Hecht!“ Und sie freuen sich auf die nächste Runde im Unterhaltungszirkus.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Friedrich Dominicus

Dazu darf man schreiben:
Doktor geht, Betrüger bleibt

Gravatar: Hediwg

Sie täuschen sich Herr von Croy, Guttenberg ist eben nicht anders. Das hat er gerade bewiesen indem er Ehre und Anstand seiner Karriere geopfert hat. Das ist doch was man von einem Politiker erwartet, oder nicht?
Und wenn jetzt anständige Leute als mittelmässig gelten und Hochstapler als herausragend finden sie nicht das dass ein Problem ist?

Gravatar: genscher

nein berlusconisierung trifft es genau auf den punkt: bürgerliche Werte offiziell vetreten, aber in wirklichkeit mit den Füßen treten.

der politische Gegner lacht sich tot, die bürgerliche Elite ist entsetzt, aber der pöpel, das gemeine volk ist zufrieden. Na wenn das mal nicht nach hinten losgeht.

Gravatar: Albrecht Prinz von Croy

Da fühle ich mich denn durchaus angesprochen. Sie machen es sich sehr einfach: wenn die "Fans" Guttenberg weiter "lieben", haben sie genauso ein Problem mit der Wahrheit wie er. Vulgo: vox populi, vox rindvieh! Kann es nicht sein, dass die Leute da draußen dieses fürchterliche Mittelmaß satt haben und nun einen Politiker hofieren, der einfach anders ist? Und warum sollte ich ihnen das übel nehmen (und dann auch noch hochmütig von moralischem Versagen sprechen)? Und nun ist Guttenberg nicht besser (habe ich aber auch nicht geschrieben), mehr noch, er hat Mist gebaut und seine Verteidigungsstrategie war erbärmlich. Aber die Bürger wollen ihm eine zweite Chance geben.
Dies mit "Berlusconisierung" zu umschreiben heißt sich auf das gleiche Niveau zu begeben, auf dem Herr Gabriel sich bereits befindet!

Gravatar: Feliks_Dzerzhinsky

Zu Guttenberg ist eben "der Geist der Böses will und Gutes schafft":
Innovation im Bildungswesen: Doktor auf Probe eingeführt!

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Der Betrugsversuch und der Diebstahl geistigen Eigentums durch Herrn zu Guttenberg sind das eine. Darüber ist schon genug geschrieben worden. Was mich aber genau so entsetzt, ist die soziale oder politische Dummheit, die sich hier offenbart. Es muß einem Menschen, der ein hohes politisches Amt innehat, doch klar sein, daß er politische und menschliche Gegner in Fülle hat, die alles daransetzen werden, ihn abzusägen. Man darf doch diesen Gegnern nicht auch noch die Säge liefern! Und genau das het er mit seinen Plagiaten gemacht. Hat er wirklich geglaubt, das könne unentdeckt bleiben? Wie naiv! Auch diese Naivität und politische Dummheit disqualifiziert ihn als Minister. Talleyrand, der von Politik wirklich was verstand, hat einmal sinngemäß gesagt: schlimmer als ein Fehler: eine Dummheit!

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