Der Papst und der Antikapitalismus – Keine Verteidigung

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Selbst wer zufällig auf diesen Blog stößt wird bemerken, schon anhand des Titels, aber auch anhand vieler hier veröffentlichter Beiträge: ich bin ein Papst-Fan! Und zwischenzeitlich konnte ich mich selbst vergewissern, dass ich nicht nur ein Benedikt-Fan war, sondern nun auch ein Franziskus-Fan bin – eben weil beide Papst sind oder waren. Und wie es aussieht, werde ich auch den kommenden „Päpsten“ ein treuer Fan sein.

Ich gebe gleichzeitig zu: Fan von Papst Franziskus zu sein ist – für mich ganz persönlich, für andere „Papsttreue“ kann das anders aussehen – nicht so einfach wie Fan von Papst Benedikt. Letzterer hat geschliffen formuliert, aus dem Stehgreif, immer theologisch sauber, ein Mann, dem man zutraut, dass er wenn man ihn nachts um drei weckt mal eben schnell die Dreifaltigkeit erklären kann und zwar im Halbdunkeln exakt auf den zugeschnitten, der ihn da aus dem Schlaf gerissen hat. Ein deutscher Professor eben, ein Kirchenlehrer, und für mich damals zu Beginn meines (wieder aufgenommenen) Glaubensweges, genau der Richtige.

Franziskus dagegen, ich werde nicht müde das zu betonen, ist der südamerikanische Seelsorger – und ich glaube, dass es so jemanden gerade jetzt an der (weltlichen) Spitze unserer Kirche braucht, auch wenn der Wechsel von einem Stil zum nächsten allzu abrupt erscheint. Ich weiß schon, es gibt den einen oder anderen, der den Unterschied zwischen Benedikt und Franziskus nicht auf den Stil beschränkt, sondern meint, es seien unterschiedliche „Theologien“, die hier vertreten werden. Ich kann dieses Urteil bis heute nicht nachvollziehen, wenn ich auch selbst ab und zu schlucken muss, wenn ich Papst Franziskus zum Beispiel gegen den „Klerikalismus“ wettern höre (oder lese) und dabei meine eigene katholische Einstellung ins Fadenkreuz gerät. Bis zum Beweis des Gegenteils bin ich aber überzeugt, dass theologisch zwischen Benedikt und Franziskus tatsächlich kein sprichwörtliches Blatt Papier passt. Und ich sehe mich selbst in der Pflicht, mich mit der spirituellen Umsetzung, die der nicht mehr ganz so neue Papst vertritt, auseinanderzusetzen. Aus mir wird kein liberaler oder progressiver Katholik, aber vielleicht ein milderer, wenn es um die Verfehlungen „der anderen“ und „der Welt“ geht – ich selbst gehe auch alle vier Wochen zur Beichte und hatte noch nie ein Problem, etwas vor den Herrn zu bringen, und die meisten wissen es eben nicht besser, und dafür, dass sie es nicht besser wissen, muss auch ich Verantwortung übernehmen.

Das gilt nun aber auch in umgekehrter Weise für Themen, die der Theologie ferner liegen, bei denen ich bei Priestern, Bischöfen und Päpsten keine besondere Expertise erwarten würde, in die sie sich aber dennoch angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung einmischen wollen, vielleicht sogar müssen. So wie ich bei meinen Nachbarn nicht davon ausgehen kann, dass sie gläubig sind oder unseren Glauben auch nur kennen, so kann ich bei einem Priester, auch beim Papst, nicht davon ausgehen, dass er sich intensiv mit dem Für und Wider des Libertarismus oder der österreichischen Schule der Nationalökonomie beschäftigt hat. Als libertärer Katholik missioniert man damit an zwei „Fronten“: Die Liebe zu Gott, der Mensch geworden ist und sich für uns und unser Seelenheil geopfert hat, und die ich in der Liebe zu den Menschen erwidern kann, auch darin, ihrem Wohlergehen zu dienen, soweit es mir möglich ist – das ist mein erster Auftrag als Christ. Bei der Frage, wie ein weltliches Wohlergehen aber sichergestellt oder verbessert werden kann, wie dem Gemeinwohl, dem ich mich als Christ verpflichtet fühle, auch wenn ich als Libertärer dafür nicht genuin verantwortlich zu machen bin, am meisten gedient ist, fängt aber ein zweiter, indirekter Auftrag an. Der Libertäre ist davon überzeugt, dass Freiheit dem Gemeinwohl mehr dient als Regulierung, Eigenverantwortung dem Gemeinwohl mehr dient als Umverteilung. Es wäre in der Tat eine egoistische, unchristliche Gesellschaftsform, wenn nur Menschen sie umsetzen wollten, die lediglich an ihrem eigenen Vorteil interessiert sind. Wer aber libertäre Schriften liest, auch von Nichtglaubenden, ist überrascht, wie sehr das Gemeinwohl (so oder anders bezeichnet) im Fokus steht: Wettbewerb, der am Ende zu einem besseren Ergebnis für alle führt als Planwirtschaft, Freiheit, die auch demjenigen nutzt, der sich davor noch fürchtet und befürchtet, unter die Räder zu kommen, Verantwortung, die zufriedener und glücklicher macht als ein Betreuungsstaat das je tun könnte.

Es scheint aber, dass die letzteren – libertären – Gedanken der Welt, egal ob gläubig oder nicht, mindestens genau so schwer zu vermitteln sind wie die Dreifaltigkeitslehre oder der Zölibat bei katholischen Priestern. Umso schwerer wiegt es, wenn Priester, namentlich der Papst, sich zu gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Themen äußern und – aus Gründen der eigenen Ausbildung und des Erfahrungshorizonts – Wege in diesem Themenfeldern vorschlagen, die dem Gemeinwohl im Grunde abträglich sind. Ob man einem Priester, einem Bischof oder dem Papst diese Unkenntnis zum Vorwurf machen kann? Sicher nur in dem Maße, wie man die Unkenntnis der Religion zum Vorwurf machen kann. Es gibt Leute, die meinen (auch bei Ludwig von Mises habe ich ähnliches gelesen), wer sich zu Wirtschaftsthemen äußere, sei auch verpflichtet, sich entsprechend zu bilden. Da bleibt aber die Frage, wie weit diese Bildung gehen kann oder muss – und ob die Menschen, in gewisser Weise durchaus auch der christlichen Mission ähnlich, ein Recht haben, informiert zu werden und ich als Libertärer, ganz ähnlich wie bei Glaubensfragen als Christ, nicht auch moralisch verpflichtet bin, „mein“ Gesellschaftsmodell, das in der politischen Debatte heute gar nicht mehr vorkommt, so gut wie möglich zu verbreiten. Oder anders gesagt: wenn ich mich -als gläubiger Christ wie als Libertärer – schmollend in die Ecke setze, weil die Welt mich nicht versteht, und ich der restlichen Welt das Recht abspreche, sich zu diesen Themen zu äußern, von denen ich meine, sie selbst durchdrungen zu haben, dann muss ich mich nicht wundern, dass die Welt nicht gläubiger und nicht freier wird.

Nein, das ist keine Verteidigung der kapitalismuskritischen Thesen des Papstes in seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“. In dem Dokument steht – bei allem Respekt vor der Person und der Rolle von Papst Franziskus – in diesem Zusammenhang eine Menge, was nicht gerade volkswirtschaftlichem Sachverstand entspringt. Ich möchte dem Papst aber zugute halten, dass sein Erfahrungshorizont gerade aus den Verhältnissen in Südamerika geprägt ist, und er daraus eine nachvollziehbare Skepsis gegenüber dem entwickelt hat, was er unter Kapitalismus und freier Marktwirtschaft versteht. Es ist in der Tat für einen Christen nicht verantwortbar, dass ein alter Mann alleine auf der Straße erfriert und es niemanden kümmert – selbst wenn sich die Lage des Mannes aus dessen eigenen Entscheidungen ergeben hat. Die angeprangerte Gleichgültigkeit ist aber nicht das Wesen des Libertarismus, das sind Nebenwirkungen einer Gesellschaft, die Verantwortung kollektiviert, einer Gesellschaft, deren Profiteure sich in dem Wust aus Regulierungen gut eingerichtet haben und daraus – moral- und marktfrei – Eigennutz ziehen. Umso wichtiger ist, das Wesen des Libertarismus deutlich zu machen, den Nutzen der Freiheit für das Gemeinwohl in den Vordergrund zu rücken, und damit nicht nur christlich sondern auch libertär zu missionieren.

Bequem ist was anderes, aber weder hat uns Jesus ein bequemes Leben vorausgesagt, noch hat irgendjemand behauptet, dass libertäre Gesellschaftspolitik ein leichtes Spiel wäre. Die Wahrheit hatte immer schon einen schweren Stand, und besonders misslich ist, wenn Menschen mit gutem Gewissen eine Politik befürworten, deren schlimmen Ergebnisse sie eigentlich vermeiden wollen. Ist man sich also in der Intention des Papstes einig, erkennt man an, dass es dem Papst nicht um eine bestimmte politische Richtung sondern um die Reduzierung oder Beseitigung von Ungerechtigkeiten geht und um die Unterstützung, die den Armen zuteil werden sollte, dann ist es an den Libertären, nachzuweisen und zu verbreiten, dass die Marktwirtschaft hierzu das Mittel der Wahl ist!

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Papsttreuer

Lieber Herr Kovács,

danke für den Kommentar, auf den ich gerne - normalerweise fehlt mir die Zeit dazu, besonders bei Kommentaren wie denen ihres Nachfolgekommentators - eingehen möchte. Nein, Jesus als Kapitalisten zu bezeichnen, auch wenn das vereinzelte Autoren tun, käme mir nicht in den Sinn. Schon der Begriff inklusive des -ismus legt keine besondere Nähe Jesu dazu nahe.

Jesus hat dagegen deutlich die Gefahren des Mammon und des Reichtums beschrieben, insbes. dann, wenn man das Geld zu seinem Götzen macht, was übrigens bei einem armen Menschen auch geschehen kann, die Gefahr ist nur für den Reichen größer. Meine These ist aber, dass Gott den Menschen in Freiheit geschaffen hat, mit dem Potenzial Gutes wie Böses zu tun. Wenn ich nun staatlicherseits einschreite und den Menschen erstens diese Wahlfreiheit nehme und zweitens auch noch entscheide, was gut ist, dann setzt sich der Staat an die Stelle Gottes.

Es ist also richtig, Fehlentwicklungen in der Welt, Armut und Hunger anzuprangern, und als Christen sollten wir eine Verantwortung fühlen auch für Notlagen von Menschen, die wir nicht zu verantworten, diese Menschen im Gegenteil vielleicht sogar selbst zu verantworten haben - eigentlich egal, welche Ursache das Leid hat. Diese Verantwortung an den Staat zu delegieren und ihn entscheiden zu lassen, was dem Gemeinwohl dient, ihn entscheiden zu lassen, wem geholfen wird und wem nicht, diese Delegation durch Steuern zu finanzieren, das trägt gerade zu der vom Papst angeprangerten Gleichgültigkeit bei. Ich gebe zu, mich in den südamerikanischen Wirtschaftssystemen nicht intensiv auszukennen, hätte aber gerade die argentinische nicht als freie Marktwirtschaft betrachtet, sie ist möglicherweise auf dem Weg dahin - ein Vorgang der, wie ich finde, nur sehr vorsichtig angegangen werden kann, da ansonsten eine entwickelte Gleichgültigkeitskultur auf den Kapitalismus trifft - in der Tat dann eine zonige und unchristliche Mischung.

Nehem wir aber ein naheliegenderes Beispiel: ohne Negativentwicklungen dort kleinreden zu wollen, aber in den USA beobachten wir eine im Vergleich zu Deutschland wesentlich ausgeprägtere Kultur des Ehrenamtes. Selbst die Bill Gates dieser Welt spenden ein Vermögen für Themen, die ihnen förderungswürdig erscheinen (zugegeben auch wenig christliche Initiativen zur Bevölkerungsregulierung)- und er tut das freiwillig. Eigentum, persönlicher Erfolg scheint tatsächlich nicht ursächlich zu Egoismus zu führen sondern zu einer Verantwortungsübernahme, wie wir sie hierzulande kaum noch erleben - kein Wunder, wenn mir der Staat die Hälfte meines Einkommens für zweifelhafte Projekte aus der Tasche zieht, "soll der sich doch drum kümmern" ist die normale, wenn auch nicht christliche, aber damit geförderte Reaktion.

Das Thema ist komplexer als dass man es in einem kleinen Blogbeitrag behandeln könnte, ich lade Sie daher gerne ein, meine mit dem Begriff "Libertarismus" getaggten Beiträge in meinem Originalblog zu lesen - auch das ist alles nicht erschöpfend, ergibt aber vermutlich ein runderes Bild.

Herzliche Grüße und Gottes Segen!

Gravatar: Joachim Datko



Zitat: "[...] nicht so einfach wie Fan von Papst Benedikt. Letzterer hat geschliffen formuliert, aus dem Stehgreif, immer theologisch sauber, ein Mann, dem man zutraut, dass er wenn man ihn nachts um drei weckt mal eben schnell die Dreifaltigkeit erklären kann [...]."

Die "Dreifaltigkeit" wird nicht erklärt, sondern in aller Regel in der Kindheit eingeprägt. Glaubensinhalte werden meiner Meinung nach in der Regel papageienhaft wiederholt.

Herr Joseph Ratzinger wurde am Tage seiner Geburt getauft und dann massiv katholisch "erzogen". Er hat nicht als Erwachsener zu seinem Glauben gefunden, sondern ist von klein auf, wie eine Münze, geprägt worden.


Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

Gravatar: Adorján Kovács

Sehr geehrter Herr Honekamp,
Ihre Beiträge lese ich gern, bin aber etwas ratlos. Es ist doch wirklich schwer, aus Jesus einen Kapitalisten zu machen und aus seiner Botschaft eine libertäre. Auch wenn es einem nicht gefällt, was Papst Franz in seinem Schreiben sagt, ist näher dran an Jesus als viele noch so wohlgesetzte theologische Traktate. Sehr schwer, das persönlich umzusetzen; ich kann es kaum.
Und zu seiner südamerikanischen Herkunft kann ich nur einen Absolventen der London School of Economics zitieren, der mir mal sagte, was wir hier im westeuropäischen Wohlstand hätten, wäre mitnichten Kapitalismus, sondern nur ein sehr gezähmter. Den echten könnte ich mir in Südamerika anschauen, entsprechend schlecht würde es der Mehrzahl der Leute auch gehen. Aber ich weiß, dass eine solche Aussage in der Freien Welt kaum auf Verständnis stoßen wird.

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