Der Papst, ein Kommunist?

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Ein Gespenst geht um in der katholischen Kirche, das Gespenst des Kommunismus. Schon in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ hat sich der Papst als Kapitalismuskritiker hervorgetan, der Maßnahmen gegen einen ungefesselten Markt fordert, gegen eine Wirtschaft, die wie er sagt, tötet. Auch seine Tiraden gegen Korruption und menschenverachtende Politik zum Beispiel gegenüber Flüchtlingen nährten den Verdacht, ein Kommunist könnte das höchste weltliche Amt der katholischen Kirche geentert haben.

Vielleicht aus diesem Grund ist die italienische Tageszeitung „Il Messagero“ jetzt vorgeprescht und hat den Papst im Interview mit offenem Visier auf dieses Thema angesprochen: Ist er nun ein Kommunist oder ist er keiner? Leider sind die Widergaben der Interviewergebnisse ein bisschen unterschiedlich und ich möchte gerne einfach mal zwei davon wiedergeben, nämlich die der deutschen und die der englischen Redaktion von Radio Vatikan:

Zunächst der Beitrag des englischen Radio Vatikan:

Pope Francis was asked how he would respond to being called “a communist.” “I would only say that the Communists have stolen the banner… The banner of the poor is Christian; poverty is at the heart of the Gospel.” The cause of the poor is pre-eminently a Christian cause. The Gospel cannot be understood “without understanding real poverty.” At the same time, the Pope said there is also a “very beautiful ‘poverty of the spirit’,” being poor in the sight of God because God fills you up. The Gospel, in fact, is addressed indiscriminately to the poor and to the rich and "does not at all condemn those who are rich,” but rather condemns their riches when they become the objects of idolatry.

Und hier die deutsche Version:

Sie gelten als kommunistischer und populistischer Papst. Die Zeitschrift „Economist“ hat Ihnen eine Titelseite gewidmet und festgehalten, Sie sprechen wie Lenin. Erkennen Sie sich wieder?

„Ich sage nur, die Kommunisten haben uns die Fahne geraubt. Die Fahne der Armen ist christlich. Die Armut ist im Mittelpunkt des Evangeliums. Die Armen sind im Mittelpunkt des Evangeliums. Nehmen wir Matthäus 25, die Fragen, nach denen wir gerichtet werden: ich hatte Hunger, ich hatte Durst, ich war im Gefängnis, ich war krank, ich war nackt. Oder sehen wir auf die Seligpreisungen – noch eine Fahne. Die Kommunisten sagen, das alles sei kommunistisch. Ja, sicher, zweitausend Jahre später! Also könnte man ihnen sagen, wenn sie reden: Aber ihr seid doch Christen!“ (Lacht)

Und, ist er nun ein Kommunist? Zunächst mal beruhigt einen die englische Wiedergabe, denn sie macht deutlich, dass es der Kirche natürlich um die Linderung der Not der Armen gehen muss. Deutlich macht der Papst aber auch, dass Reichtum an sich keine Sünde ist, die Reichen nicht „verdammt“ werden, sondern nur der Reichtum verdammt wird (er spricht bezeichnender Weise auch hier nicht von „den Reichen“, die verdammt werden), der angebetet wird. Das altbekannte „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ (Matthäus 6, 24)

Die deutsche Übersetzung ist da schon ein bisschen widerspenstiger, bestätigt der Papst doch hier die Parallelen zwischen Kommunismus und Christentum. Auch den Kommunisten geht es – so hat es jedenfalls den Anschein, und für die Begründer des Kommunismus wollen wir das mal zu deren Entlastung annehmen – um die Armen. Hatte sich bis zur industriellen Revolution neben den Familien und Gemeinden nur die Kirche um die Armen gesorgt, sollte diese Sorge nun durch den Kommunismus verstaatlicht werden.

Richtig ist also, dass diese Zielrichtung von christlichem Glauben und Kommunismus die gleiche ist: Es geht um die Armen, um die Linderung ihrer Not. Und wenn nun Kommunisten (oder Kritiker des Papstes) sagen, seine Sorge um die Armen mache ihn zu einem Kommunisten, dann ist seine Antwort „Aber Ihr seid doch Christen!“ eigentlich eine Absage an diese These. Ob der Papst das so gemeint hat, kann man natürlich aus der Ferne nicht sagen (der Hinweis, dass der Papst nach seiner Antwort gelacht habe, deutet eher darauf hin, dass er das ganze ohnehin nicht so ganz ernst gemeint hat), aber man kann den Spieß jedenfalls auch zu einem Paradoxon drehen: Ein Kommunist, dem es wirklich um die Armen geht, nicht um eine an Eigeninteressen orientierte Beeinflussung der Gesellschaft, nicht um Macht etc., wer also aus Liebe zu ihnen den Armen helfen will, ohne „die Reichen“ zu bestrafen … der ist eigentlich gar kein Kommunist sondern in seiner Einstellung ein Christ.

Umgekehrt ist ein Christ, der seine Sorge um die Armen mit einer Verurteilung der Reichen verknüpft, Macht erstrebt um die Gesellschaft nach seinen Vorstellungen und unter Anwendung von staatlicher und auch physischer Gewalt umzugestalten, der ist eigentlich kein Christ mehr sondern ein Kommunist. Derjenige, der sich um die Armen sorgt muss also an der Weggabelung entscheiden: Bin ich ein Christ oder ein Kommunist? Dann wird die Frage, ob der Papst ein Kommunist sei ebenso unsinnig wie die Annahme, ein Kommunist sei ein Christ – Christen und Kommunisten unterscheiden sich möglicherweise nicht im Ziel ihres Handelns, sehr wohl aber in der Wahl der Mittel, was nicht zuletzt den Unterschied zwischen einem Glauben an einen liebenden Gott und einer letztlich menschenverachtenden Ideologie ausmacht.

Das macht aus dem Papst – das muss man direkt dazu sagen – andererseits aber auch keinen Wirtschaftsliberalen oder gar Libertären; wie ich schon an anderer Stelle angemerkt habe, liegt die Kernkompetenz des Papstes nicht in der Wirtschaftspolitik. Das muss sie auch nicht, ich gebe aber zu, dass ich es vor diesem Hintergrund bedenklich finde, wenn er oder auch andere kirchliche Verantwortungsträger (wie jetzt der Ökonomische Rat der Kirchen) in dieser Hinsicht Aussagen tätigen, die einer interventionistischen Politik das Wort reden. Diese Aussagen würde ich aber eher einer wirtschaftspolitischen Unkenntnis als einer inneren Überzeugung zuordnen, wie sie die Kommunisten auszeichnet.

Nein, der Papst ist kein Kommunist – ihn treibt, wie es bei jedem Christen sein sollte, die Sorge um die Armen um. In seiner Vorstellungswelt, die in dieser Hinsicht auch von Medien und wirtschaftswissenschaftlichem Mainstream geprägt sein dürfte, liegt die Ursache der Armut in der angeblich freien, in Wirklichkeit aber gefesselten Marktwirtschaft. Das unterscheidet ihn nicht von der Mehrheit der Menschen, die von der österreichischen Schule der Nationalökonomie noch nicht mal ansatzweise gehört haben, geschweige denn, das Gedankenkorsett verlassen können, das den „Markt“ als böse Macht mit dem Mammon als Gottersatz sieht.

Man kann all diesen Menschen und damit auch dem Papst diese Unwissenheit vorwerfen, muss sich aber auch an die eigene Nase fassen, die Botschaft von einer Vereinbarkeit von christlichem Glauben und Marktwirtschaft nicht weiter verbreitet zu haben – nicht unähnlich dem Evangelium, der guten Botschaft Christi, die zu verbreiten wir aufgefordert sind.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Werner N.

Der Vatikan war noch nie zimperlich in der Wahl seiner mörderischen Komplizen, wenn es darum ging, sich mehr Macht zu verschaffen. Papst Franziskus` Eintreten für Marxismus / Kommunis-mus / Sozialismus ignoriert zudem, dass diese eher für kollektive Verelendung stehen. Bekam er das Scheitern dieser „Gesellschaftsklempnerlehre“ (Prof. J. Baberowski) 1989 nicht mit? Seine Vorgänger im Vatikan bekämpften die anti–religiöse Ideologie und lagen damit richtiger. Beistand für Arme und Bedürftige empfiehlt das „Buch der Bücher“ zur Genüge, dazu benötigt es keinen Marxismus.
Noch enttäuschender als bei seinem reaktionären Vorgänger, Papst Benedikt, ist aber bei diesem „Stellvertreter“ die „geistliche“ Seite seiner Ausführungen. Er scheint weder die Bibel noch Mar-xens Werk richtig zu kennen, wenn er meint, dass dieser alles aus der Bibel abgeschrieben habe. Marx lehnte in seiner „weltlichen Bibel“ Religionen als bloßes Narkotikum ab, schuf eine einseiti-ge, materialistische, a–theistische Ideologie. Mit dieser Weltanschauung sollte in Gesellschaften ein niederer Intellekt herrschen. Also das krasse Gegenteil einer Religion. Der christliche „Zweit-gott“ Jesus dagegen beharrte darauf, dass …“sein Reich nicht von dieser Welt ist“… Statt sich dem Anliegen jedweder Religion zu widmen – Gläubige Gott näher zu bringen – offeriert er seinen „Schäfchen" für den Spagat Spagat `Gott` und `Welt` eine nicht funktionierende Doktrin. Viel-leicht glaubt er, damit die Ökumene zu fördern.
Mitte der 1980iger Jahre verlangte der Alt–Marxist J. Habermas aus anderen Gründen ebenfalls „Marx und Papst“ (in dieser Reihenfolge). M. Gorbatschow tat es mit „Marx und Jesus“ eine Stufe höher. Beide wollten so die Defizite des sozialistischen Materialismus kompensieren. Derartige Begriffskombinationen aber sind so unsinnig und täuschend wie „demokratischer Sozialismus“ oder „roter Weißwein“. Solche dualistisch–intellektuellen „Schnadelhüpfereien“ stiften nur mehr Verwirrung. Sie lösen weder die Krise der Kirchen noch die des Sozialismus.

Gravatar: FDominicus

"Richtig ist also, dass diese Zielrichtung von christlichem Glauben und Kommunismus die gleiche ist: Es geht um die Armen, um die Linderung ihrer Not. "

Im Satz vorher sind Sie weitaus vorsichtiger. Es geht bei beiden eben nicht um die Armut sondern um Umerziehung. Bei dem einen ohne Gott und bei dem anderen "nur um Gott" und speziell was nach dem Tod mit einem passiert.

In der Bibel gibt es dazu noch haufenweise Stellen in denen Seelenheil und Reichtum als Gegensatz dargestellt werden, das wissen Sie weitaus besser als ich. Die Kirche ist ganz klar gegen Reiche eingestellt und hier macht eben der neue Papst überhaupt keinen Hehl daraus.

Das er von der Armut der Erde nicht berührt wird macht das ganze nur ein wenig "pikanter"....

Gravatar: FDominicus

Ich denke nicht, daß der vorherige Papst besser war. Aber ich wüßte auch nicht wirklich welchen Papst ich als glaubwürdig betrachten würde. Meines Erachtens sind die doch Meilenweit von der Wirklichkeit weg, speziell auch von denen die sich um Ihren Lebensunterhalt bemühen müssen.

Schlimm wird es aber wenn ein Papst so ahnungslos über wirtschaften ist oder es so ignoriert wie es eben ist. Ohne eine leistungsfähige Wirtschaft gebe es sicherlich weitaus essentielle Armut. Und da geht es dann nicht um was-auch-immer sondern um das nackte Überleben.

Gravatar: MicroHirn

Aus atheistischen Kreisen ist durchaus zu vernehmen, schon Christus sei Kommunist gewesen.
Wenn auch einer eigenwilligen Interpretation entsprungen, könnte dies doch auch den Papst beflügelt haben, den Spuren Christi in einer sozialistischen Manier nachzuschleichen.

Gravatar: credoindio

Sehr geehrter Herr Honekamp,
Sie stellen 2 verschiedene Abschnitte des Interviews gegenüber. Der EN-Bericht bezieht sich auf Antwort auf die Frage:
Spricht das Evangelium eher zu den Armen oder zu den Reichen, damit sie sich bekehren?
die wohl auch in dem DE-Bericht enthalten ist.
„Das Evangelium richtet sich an Arme und Reiche gleichermaßen. Es verurteilt nicht die Reichen, sondern höchstens die Reichtümer, wenn sie zu götzenhaften Objekten werden. Der Gott Geld, das goldene Kalb.“
Die Übersetzung ist nicht vollständig (die EN-Version gibt tatsächlich den Sinn besser wieder)
«La povertà è al centro del Vangelo. Non si può capire il Vangelo senza capire la povertà reale, tenendo conto che esiste anche una povertà bellissima dello spirito: essere povero davanti a Dio perché Dio ti riempie. Il Vangelo si rivolge indistintamente ai poveri e ai ricchi. E parla sia di povertà che di ricchezza. Non condanna affatto i ricchi, semmai le ricchezze quando diventano oggetti idolatrati. Il dio denaro, il vitello d'oro».
http://www.ilmessaggero.it/primopiano/vaticano/papa_francesco_serve_argine_deriva_morale/notizie/770510.shtml#fg-slider5
Der Abschnitt , den Sie unter der DE-Version anführen, ist eine getreue Übersetzung der Antwort auf die darauffolgenden Frage im Interview.
Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, die Vereinbarkeit von christlichem Glauben und Marktwirtschaft ist nicht so bekannt und müsste, wie die gute Botschaft Christi, mehr verbreitet werden. Um das Letztere bemüht sich der heilige Vater mit deutlichen Worten, leider in Italienisch ( und auch in einem Kontext).

Gravatar: Thomas Rießler

Wenn jemand ausweichende und zweideutige Aussagen in der Kommunismus-Frage gibt, kann dies nicht als Dementi interpretiert werden.
Wie bitte? Was haben Sie denn da für ein Verständnis des Christentums: „Richtig ist also, dass diese Zielrichtung von christlichem Glauben und Kommunismus die gleiche ist: Es geht um die Armen, um die Linderung ihrer Not.“?
Mir ist so etwas als soziales Evangelium bekannt: „Die Geschichte des sozialen Evangeliums ist in beinahe jedem Fall ein aufrichtiger Versuch von Christen, Dinge zu tun, die nach ihrer Ansicht Gott ehren und der Menschheit zu Gute kommen werden. In jedem einzelnen Fall jedoch hat die praktische Umsetzung der „Wohltaten für die Menschheit" den biblischen Glauben kompromittiert und Gott entehrt. Warum ist das so? Gottes Wort gibt der Kirche keinen Auftrag, die Probleme der Welt zu lösen. Diejenigen, die das zu tun versuchen, fangen unter einer falschen Prämisse an: „Mancher Weg erscheint dem Menschen richtig", aber es ist nicht Gottes Weg. Wohin führt er dann? „Aber zuletzt führt er ihn doch zum Tod", d.h. Zerstörung (Sprüche 14,12). Überdies sind die Probleme der Welt nur Symptome . Die eigentliche Ursache ist Sünde.“ (http://www.thebereancall.org/content/das-anst-ige-soziale-evangelium)

Gravatar: KLimax

Ich glaube, jeder noch so gläubige Katholik wird zugeben müssen, daß es bessere und schlechtere Päpste gegeben hat. Ein solches Eingeständnis schiene mir aufrichtiger, als der verzweifelte Versuch, das Gerede Franziskus' irgendwie marktwirtschaftskonform zurechtzuvernünfteln. Dieser Papst ist nun mal ein Sozialist, ob es einem nun paßt oder nicht. Das Bedauern über den frühzeitigen Abgang des intellektuell weit überlegenen Benedikt wird noch größer werden, je länger Franziskus auf dem Stuhle Petri sitzt.

Gravatar: qed

Klingt so etwas nach Pfeifen im Walde und gesundbeten, Herr Honekamp.

Über den lupenreinen Zeitgeistsozialismus der Evangelischen Sekte Deutschlands, der identisch mit dem der grünroten Parteien ist, brauchen wir ja wirklich nicht zu reden.
Wohl aber über den Südamerikaner, von dem wir klare Worte zu einer der größten Plünderungsaktionen der Geschichte, der sog. 'Eurorettung' schmerzlich vermissen. Es drängt sich überdies der Verdacht auf, daß jener Herr den 'Reichen', also die mit 50 bis 100k an Ersparnissen und sich in Luft auflösenden Altersvorsorgeverträgen schlicht den Stinkefinger zeigt.
Wir sind gespannt, ob der heilige Franz an die kirchlichen Latifundien geht, wenn das Geld der 'anderen' verpulvert und hinausgeschmissen ist...

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