Der Küchenmesserparagraph

Ein Vorschlag für neue Richtlinien und Verordnungen zum Gebrauch des Küchenmessers im privaten Haushalt

Eines der Arbeitsgeräte, welches zu jedem ordentlichen Haushalt gehört, ist das Küchenmesser. Die Tatsache, daß dieses Arbeitsgerät zugleich als gefährliche Stichwaffe dienen kann, sollte trotz Überbeschäftigung endlich ins Bewußtsein der Beamten- und Beamtinnenhirne steigen. Die gelegentlich zu beobachtende Zweckentfremdung des Küchenmessers zeigt schon jahrzehntelang dringenden Handlungsbedarf an.

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Es kann doch nicht angehen, daß jedermann und jedefrau
a) nach Lust und Laune beliebig viele Küchenmesser besitzen darf, welche obendrein
b) durch unzertifizierte Händler und Händlerinnen (Haushaltsgeschäfte, Kaufhäuser, Kramläden, Jahrmarktbuden usw.) frei angeboten und jedem oder jeder Dahergelaufenen verkauft werden.
Um potentiellem Mißbrauch vorzubeugen, sollten Kauf und praktischer Einsatz des Küchenmessers gesetzlich geregelt sein, weshalb wir hiermit den Vorschlag für die Einbringungen eines Küchenmesserparagraphen auf EU-Ebene unterbreiten. Die Gepflogenheit, Küchenmesser ohne vorherige Planung zu benutzen, ist eine gefährlich-naive Verhaltensweise unserer Altvorderen und Altvorderinnen. Durch die folgenden Regeln und Vorschriften soll der Gebrauch des Küchenmessers sicher und damit gesellschaftlicher Mißbrauch grundsätzlich verhindert werden.

Der Kauf des Geräts

Die Maßnahmen zur Küchenmessersicherheit sollen bereits lange vor dem Kauf des Geräts einsetzen. Der Kaufanwärter / die Kaufanwärterin muß volljährig sein, einen festen Wohnsitz vorweisen können und einen makellosen Leumund besitzen. Ein entsprechender Kaufantrag wird bei einer neu einzurichtenden Behörde, dem Kreisschneidewerkzeugersatzamt, gestellt. Darin erklärt der Kaufwillige / die Kaufwillige, für welchen Zweck er oder sie das Messer erwerben will: Erdäpfel schälen, Brot und Wurst schneiden, Käse würfeln – all dies wird lückenlos und gewissenhaft angegeben. Im Zeitraum zwischen Antragstellung und Genehmigung überprüfen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kreisschneidewerkzeugersatzamtes die Personalien des Antragstellers / der Antragstellerin und holen weitere Informationen zur Person ein. Antragstellerinnen werden gegenüber Antragstellern bevorzugt behandelt. Ist „das Antragsteller“ gendermäßig neutral, also keinem antiquiertem und überholtem Geschlecht zuzuordnen, so wird der Antrag grundsätzlich ohne weitere Kontrollen positiv beschieden. Die amtliche Überprüfung der übrigen Antragsteller und Antragstellerinnen dauert in der Regel 14 Tage. Liegt kein Hinderungsgrund vor, so wird der Antrag positiv entschieden. Die Zustellung erfolgt per Einschreiben auf dem Postweg. Die amtliche Lizenz berechtigt zum Kauf eines Küchenmessers in einem der staatlichen Messerdepots am Wohnort des Antragstellers / der Antragsstellerin.

Dokumentation des Messergebrauchs

Mit dem Kauf eines Küchenmessers verpflichtet sich der Besitzer / die Besitzerin, sämtliche geplanten und tatsächlich durchgeführten Schneidetätigkeiten lückenlos und in schriftlicher Form aufzuzeichnen. Die Dokumentation des Küchenmessereinsatzes ist der Schneidegerätssicherheitsbehörde, Abteilung Küchenmesseramt, im monatlichen Turnus vorzulegen, und zwar auch dann, wenn kein Messereinsatz stattgefunden hat. Der sorgfältig in Druckschrift ausgefüllte Vordruck mit den Einträgen aller geplanten Einsätze des Küchenmessers muß jeweils spätestens zum Monatsletzten bei der Behörde eingegangen sein (im Zweifelsfalle gilt das Datum des Poststempels).

Meldung ist grundsätzlich zu erstatten

Naturgemäß ergeben sich zwischen Planung und praktischer Durchführung immer wieder Abweichungen: Zum Beispiel kann ein Messerbesitzer / eine Messerbesitzerin durch Unpäßlichkeit oder vorübergehender Abwesenheit verhindert sein, die Zwiebeln zu schälen und kleinzuschneiden. Oder er bzw. sie delegiert das Schneiden an eine andere, vertrauenswürdige männliche oder weibliche Person im Haushalt. Vorkommnisse wie diese gehören in die Schlußdokumentation, wo neben den geplanten auch die tatsächlich verwirklichten Küchenmessereinsätze verbucht sind. Um die entsprechende Buchhaltung durchführen zu können, wird dem Messerkäufer / der Messerkäuferin mit dem Kaufvertrag ein DIN A4-Heft ausgehändigt. Dieses enthält Planungs- und Evaluationsvordrucke in einer für drei Kalenderjahre ausreichenden Menge. Neue Vordrucke können gegen Entrichtung einer angemessenen Gebühr vom zuständigen Kreisschneidewerkzeugersatzamt bezogen werden.

Verletzung der Meldepflicht

Auch bei Nichteinsatz des Messers ist monatlich Meldung zu erstatten. Die Angabe des jeweiligen Hinderungsgrundes ist obligatorisch. Bei Verletzung der Vorschriften drohen empfindliche Geldbußen, ein wiederholtes Dokumentationsversäumnis wird mit dem Entzug der Küchenmesserlizenz geahndet. Meldepflichtig sind außerdem ungeplante Ereignisse, zum Beispiel das Anritzen einer Zeigefingerkuppe oder das Aufschlitzen einer Tischdecke mangels unsachgemäßer Messerführung. Häufen sich diese oder ähnliche Vorfälle, so wird der Delinquent / die Delinquentin ins Küchenmesseramt bestellt und zu den Vorfällen persönlich befragt. Wiederholte Fehleinsätze des Küchenmessers, sei es aus Inkompetenz oder mit zweifelhafter Absicht, sind ein Fall für die amtliche Küchenmesserfehleinsatzprüfkommission. Eine Gruppe von Sachexperten und Sachexpertinnen wird die örtlichen Gegebenheiten in Augenschein nehmen, die näheren Umstände des Küchenmessermißbrauchs abklären und detailliert Meldung erstatten. Die Kosten für das Aktivwerden der Experten- / Expertinnenprüfkommission trägt der Messerbesitzer / die Messerbesitzerin. Ein negatives Prüfergebnis kann zum befristeten oder in schweren Mißbrauchsfällen zu dauerhaftem Entzug der Küchenmesserlizenz führen.

Allein der Staat garantiert Küchenmessergebrauchssicherheit

Die leichtfertige Behauptung, Küchenmesserbesitzer und Küchenmesserbesitzerinnen seien am allermeisten aus sich selbst heraus daran interessiert, beim täglichen Gebrauch dieses Geräts allerhöchste Vorsicht walten zu lassen, ist gefährlicher, anarchistischer Unsinn. Nur der Staat ist in der Lage, Frieden und Ordnung in der Gesellschaft herzustellen, indem er entsprechende Vorschriften und Gesetze erläßt. Diese staatlichen Maßnahmen allein können sicherstellen, daß Frauen und Männer Rücksicht aufeinander nehmen und das inkriminierte Küchenmesser lediglich zum Putzen und Zerkleinern von Gemüse, Obst, Brot, Wurst und Käse verwenden.

Autonomie in privaten Angelegenheiten

Im Gegensatz zu früheren autoritären Zeiten setzen unsere modernen Behörden auf die Stärkung der Eigenverantwortung des Bürgers und der Bürgerin im Umgang mit Küchenmessern. Dazu dient die amtlich gesteuerte Selbstüberwachung, die dem Einzelnen ein größtmögliches Maß an Autonomie garantiert. Selbstevaluierung ist das Zauberwort fortschrittlicher Verwaltung! Freiheit und Zufriedenheit, wohin man blickt! Die rechtschaffenen und friedfertigen Bürger und Bürgerinnen – und das ist die Mehrzahl! – verwenden das Küchenmesser bloß zum Kartoffelschälen. Sie werden dem Küchenmesserparagraphen sowie der Selbstauskunft freudig und freiwillig zustimmen! Gegen ein Mehr an Sicherheit dank amtlicher Fürsorglichkeit kann doch nun wirklich niemand ernstlich etwas haben wollen, oder was?

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stefanie M.

Beim Lesen des Küchenmesserparagraphen habe ich lauthals gelacht, danach war mir eher elend zumute. Scheiß - Bürokratie!

Gravatar: Barbara

Wie kann man sich nur so etwas Herrliches ausdenken?! Einfach toll!

Gravatar: G. Vosseck

Schon lange nicht mehr hat mich ein Text so angesprochen wie dieser. Und mein Wunsch ist, dass die gelungene Mischung aus Humor und bitterer Wahrheit Mut macht, nicht alles in gutem Glauben zu schlucken.
"Evaluierung" und "Selbstevaluierung" sind in meinem Lehrerberuf nur zu bekannt und meiner Meinung nach eine einzige Katastrophe. Diese und weitere Begriffe haben in der Schule eine so starke Bedeutung erreicht, dass Unterricht und Erziehung immer mehr zum Schatten ihrer selbst werden. Ihre Aufgaben sollen sich jedoch weitgehend von selbst erledigen, ihre Ziele quasi ganz nebenbei am Rand phantastischer neuer Erziehungspfade liegen.
Und entgegen aller Behauptungen beginnt der Einzug "fortschrittlicher" Methoden meist nur mit Hilfe ungedeckter Schecks in Form von leeren Heilsversprechen. So setzen Reformer oft auf Glauben und Hoffnung, nicht aber auf gesicherte Erkenntnis, Erfahrungswissen oder auch saubere empirische Forschung.
Hinter die Behauptung von empirischen Untersuchungen mache ich in Gedanken oft ein Fragezeichen, weil deren angebliche Ergebnisse in so krassem Gegensatz zu meinen eigenen jahrelangen Beobachtungen stehen, dass ich mich bewusst dumm und blind stellen muss, wenn auch ich als fortschrittlich gelten will und nicht als jemand, der nicht loslassen kann, vorsintflutlich denkt und zu faul ist, um sich in Neues einzuarbeiten.
Jetzt habe ich mich aber scheinbar weit von Ihrem grandiosen Artikel entfernt, liebe Frau Pfeiffer-Stolz. Subjektiv empfinde ich das aber nicht so, weil ich beim Lesen und vor allem danach viele Querverbindungen zog zu meinem Beruf und zu den Reformen im Bildungswesen schlechthin. Vielleicht ist Ihnen das sogar recht, denn Schule und Kinder liegen Ihnen bekanntlich am Herzen.

Gravatar: Bernhard Lassahn

Wussten Sie schon, dass ab 2015 aus Sicherheitsgründen Sauna und Tauchbecken nur noch einheitlich lauwarm sein dürfe?

Gravatar: Alex

Ich hoffe der Text ist ironisch gemeint, so dass ich mich nicht umsonst kaputt gelacht habe. :)

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