Es wird langsam Zeit, über die Wiedereinführung eines alten Berufs in Deutschland nachzudenken. Trotz der Abschaffung der Todesstrafe wird immer öfter ein Mensch benötigt, der von Staats wegen andere Menschen vom Leben zum Tode befördert. Ärzte sind dafür nicht geeignet, es sei denn, man interpretiert den Beruf völlig um. Das ist aber kontraproduktiv. Eine dynamische und rationale Gesellschaft hat bessere Möglichkeiten: Sie kumuliert nicht, sondern diversifiziert und spezialisiert.
An die massenhafte Tötung von Embryonen bzw. Föten hat sich die deutsche Gesellschaft bereits gewöhnt. Seit der sogenannten Reform des §218 wird die demographische Katastrophe in Kauf genommen; es ist ja nicht so, dass hierzulande nicht genügend Kinder gezeugt würden. Lieber werden zum Ausgleich des Bevölkerungsrückgangs mehr oder weniger billige Arbeitskräfte samt Familien ins Land geholt und deren mehr oder weniger gelungene Integration mithilfe einer gigantischen Migrationsindustrie finanziert als dass die Erziehung und Ausbildung von Menschen, die bereits gelebt haben und nur noch hätten geboren werden müssen, gefördert würde. Outsourcing heißt das anderswo; die angeblich fortschrittliche „linke“ Agenda entpuppt sich bei näherem Hinsehen als schlichte kapitalistische Volte. Die Migranten sind wahrscheinlich für die Wirtschaft etwas kostengünstiger; die resultierenden sozialen Probleme interessieren nicht wirklich.
Die Ausführenden beim Schwangerschaftsabbruch sind Ärzte, deren eigentliche Aufgabe der Erhalt von Leben ist. Und dies mit der Begründung, es handele sich um einen normalen medizinischen Eingriff. Der Eid des Hippokrates ist in dieser Sache eindeutig ("...auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben..."), aber immer weniger bindend; tatsächlich wird er nicht mehr geschworen. Immer häufiger wird nun in der deutschen Gesellschaft auch gefordert, lebensmüde oder todkranke Menschen im Rahmen der sogenannten Sterbehilfe zu töten. (Nebenbei hat auch diese mittlerweile aufwendig organisierte Industrie einen doppelten finanziellen Aspekt; neben dem Unternehmensgewinn ist auch die gesamtgesellschaftliche Kostenreduktion beabsichtigt, die in der Vermeidung chronischer und hinsichtlich einer Heilung „sinnloser“ Therapien besteht.) Auch hierbei müssen Ärzte eine prominente Rolle spielen. Der Hippokratische Eid ist in dieser Sache ebenfalls eindeutig ("...werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde..."). Darum soll hier nicht auf die subtilen rechtlichen Regelungen des assistierten Suizids eingegangen werden, die letztlich nur zur Verschleierung des schlichten Faktums dienen, dass ausgerechnet Ärzte dafür missbraucht werden, andere Menschen staatlich approbiert vom Leben zum Tode zu befördern.
Für diese Aufgabe gab es einmal den edlen Beruf des Henkers. Mit der Abschaffung der Todesstrafe schien der Beruf in unserem Land ausgestorben. So lang ist das noch nicht her; in der DDR wurde 1981 die letzte Hinrichtung vollzogen. Doch modern interpretiert, wäre der Henker eben nicht für Straftäter, sondern für ungeborenes Leben und Todgeweihte oder Leidende zuständig. Sicher würde eine durchökonomisierte Analyse des Berufsbildes neue Betätigungsfelder entdecken. Der früher sozial „unehrliche“ Beruf könnte in einer moralisch indifferenten Gesellschaft wie der deutschen durchaus eine Respektabilität gewinnen, die mit einer guten Bezahlung gekoppelt wäre. Zudem trüge der Henker zu den erwähnten ökonomischen Vorteilen bei. Bei einer möglichen Einführung der Scharia stünde zudem schon ein Berufsstand bereit, die neuen strafrechtlichen Aufgaben zu übernehmen; es müsste nicht auf den Import von Know-how zurückgegriffen werden. Das wäre eine weitere erwünschte Schnittmenge mit anderen Kulturen. Allerdings würde die von der Gleichstellung geforderte Berücksichtigung von Frauen ("Henkerin") dann wieder beendet.
Schon früher gab es berufspolitische Reibereien mit den Ärzten, weil viele Scharfrichter gewisse medizinische Kenntnisse hatten, die sie zur korrekten Durchführung von Folter und Hinrichtung brauchten. Auch heute müsste die Ausbildung medizinische Elemente enthalten. Doch würde mit der Revitalisierung dieses alten Berufs der unwürdige Missbrauch des Ärztestands durch die Politik beendet werden. Arzt sein würde wieder bedeuten, Leiden zu lindern und Leben zu erhalten.
Kommentare zum Artikel
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Verehrter Herr Kovács.
Im Nachgang zu Ihren Anmerkungen möchte ich der Klarstellung wegen Folgendes anmerken:
Dass wir in einer wertepluralen Gesellschaft leben, steht nicht zu bestreiten an und angesichts der in unserer Verfassung angelegten Pluralität darf es nicht verwundern, dass eben diesen unterschiedlichen „Wert- und Moralvorstellungen“ positiv Rechnung getragen werden.
Mit „Gewohnheitsrecht“ hat dies rein gar nichts zu tun und Aufgabe jedenfalls der liberal denkenden Verfassungsrechtler dürfte es sein, gerade diesen Aspekt des individuellen Grundrechtsschutzes besonders hervorzuheben und ggf. dort zu intervenieren, wo der Individualschutz angesichts einer scheinbar moralisch und sittlich höherwertigen „Sterbekultur“ verlustig zu gehen droht.
Insofern verfängt auch nicht der Hinweis auf die spezifische deutsche Vergangenheit, in denen nicht nur Juristen und Ethiker, sondern eben auch Mediziner den unsäglichen und höchst verwerflichen Weg für eine staatlich initiierte und gelenkte Tötungsmaschenerie geebnet haben. Ein solcher „Weg“ ist aus nachvollziehbaren Gründen heute verschlossen – im Übrigen auch nicht demokratisch legitimierbar! - und es geht schlicht um die Frage, ob dem Schwerstkranken und Sterbenden ein „Lebensschutz“ aufgedrängt werden kann.
Nicht jeder Wille eines zum freiwilligen Suizid entschlossenen Schwersterkrankten ist zu pathologisieren und es ist vielmehr davor zu warnen, dass nicht unter dem zunächst unverdächtig erscheinen wohlmeinenden ärztlichen Paternalismus die „Ethik“ der Palliativmedizin dazu dienstbar gemacht wird, den Schwersterkrankten und Sterbenden eben für diese Ethik zu instrumentalisieren. Gelegentliche Versuche von renommierten und sich spezifisch an dem „christlichen Menschenbild“ orientierende (Ober-)Ethiker, die Schwersterkrankten und Sterbenden auf dieses eine (!) Menschenbild verpflichten zu wollen, sind angesichts der Pluralität auch von Menschenbildern in unserer Verfassung schlicht zum Scheitern verurteilt. Freilich hindert dies die Apologeten einer scheinbar moralisch und sittlich integeren „Wertekultur“ nicht daran, an ihrer Mission festzuhalten, erheben diese doch nicht selten den aus meiner Sicht vermessenen Anspruch, die „Wahrheit“ zu verkünden.
Sofern dann auch noch gebetsmühlenartig von der Mehrheit der Palliativmediziner in aller Regel betont wird, das Selbstbestimmungsrecht der schwersterkrankten und sterbenden Patienten respektieren zu wollen, muss dies als zynisch bewertet werden, soll doch das Selbstbestimmungsrecht „nur“ mit Blick auf eine scheinbar verpflichtende „Wertekultur“ ausgeübt werden.
Prinzipiell gilt es zu verinnerlichen, dass zwischen der Palliativmedizin und der „Sterbehilfe“ kein Widerspruch besteht und auch in der palliativmedizinischen Betreuung dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten ein überragender Wert beizumessen ist.
Also so wie ich das verstehe haben die USA es geschafft und wir sind gerade dabei. Nennt sich aber nicht Henker sondern Drohnenpilot, das Ergebnis und Ziel bleibt aber dasselbe, nur fehlt da noch ein Gesetzt was da ferngesteuerte Morden angeht. Ich nehme an dabei handelt es sich "nur" um ein Versehen.
Sehr gehrter Herr Kovács,
wir sind da mit unseren Meinungen vermutlich recht dicht beeinander.
Sie fragen ganz zu Recht, wer es den "armen und verzweifelten Menschen" vorschreiben will.
Mein Blick auf die Hilfs- und Schutzorganisationen sagt mir, daß es eigentlich alle sind.
Wenn jemand springen möchte, dann kommen Polizei, Feuerwehr, Notfallseelsorge und "weiß der Henker" wer noch alles und werden nichts anderes versuchen, als diesen Menschen davon abzubringen sich selbst zu töten - da alle wissen, daß es andere Lösungen gibt, die dieser eine jetzt im Moment halt nur nicht sehen und annehmen kann.
Das sehe ich auch bei den gerne dargstellten totkranken und vor Schmerzen leidenden so. Sicherlich sollte man die Schmerzen und das Leiden so gut wie minimieren - das war es dann meiner Meinung nach aber auch schon.
Und eine Anmerkung möchte ich noch machen.
Wer die Freiheit zum Suizid und schon in den Startlöchern stehend zur Euthanasie lobt und preist, der soll bitte nur einmal einen sehr intensiven Blick auf die "seelischen Verwüstungen" werfen, die eine solche Tat bei den nahen Anverwandten, Freunden und Bekannten verursacht.
Sehr geehrter Herr Schaefer,
vielen Dank. Sie sprechen etwas beim "Freitod" an, das ich auch so sehe: "...offen betrachtet, ist es aber niemals eine freie Entscheidung..." Aber wer will das dem armen verzweifelten Menschen, der sich töten will und glaubt, "frei" zu sein, vorschreiben? Ich billige die Selbsttötung nicht, aber manchmal kann sie wohl eine Erlösung sein. Nur will ich nicht, dass von Staats wegen Ärzte oder andere dazu ermutigt werden, hier zu "helfen", also de facto zu töten.
Sehr geehrter Herr Kovacs, ich kann Ihren Beitrag sehr, sehr gut verstehen. Nur vom Gefühl her bin ich auch für die "Grauzone", denn es wäre mir äußerst unbehaglich zumute, wenn Ärzte so richtig frank und frei ihre Patienten, wenn auch auf deren ausdrücklichen Wunsch, töten dürften. Dieses Unbehangen verspüre ich schon seit Jahren, seit es die Diskussion um die ach so selbstbestimmte Verfügung über das eigene Leben gibt - die einem ja auch niemand nehmen will.
Und mit der Selbstbestimmung hat es ja wirklich nichts zu tun, weil es Tötung auf Verlangen ist.
Kurzum, ein ganz ausgezeichneter Beitrag; und die drastischen Worte sind dem auch angemessen.
Werte Herren,
mit einigem Unverständnis lese ich die Diskussion um den Artikel.
Zum einen ist es schlicht falsch, daß ein Suizid im Rahmen einer freien eigenverantwortlichen Entscheidung beschlossen wird.
Zwar kommt es dem Suizidalen vielleicht so vor, offen betrachtet, ist es aber niemals eine freie Entscheidung.
Insofern ist es auch müssig Ärzte dazu zu benutzen diese Menschen zu töten, denn der Arzt muß erkennen, daß der Mensch eher in eine psychiatrische Betreuung als auf den Friedhof gehört - das ist seine Aufgabe und dazu ist er Arzt geworden, um Kranke zu heilen.
Es braucht also auch keine Regelwerke oder sonst etwas dafür und wir sollten uns als Gesellschaft hüten diese Büchse der Pandorra zu öffnen.
Ein Blick in die Nachbarländer zeigt daß sich dort viele Alte und Kranke mittlerweile dazu genötigt fühlen sich zu "suizidieren" - nicht weil sie es wollen, sondern weil sie andere nicht belasten wollen.
Es mag zwar objektiv betrachtet sozialverträglich sein, wenn sich möglichst viele umbringen (lassen), um die Sozialausgaben zu minimieren, aber wie wäre es für einen von Ihnen, wenn sich ein von Ihnen geliebter Mensch deshalb umbringen würde?
Artikel 2,2 des GG sagt deutlich:
"Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit."
und auch wenn "die Würde" in Artikel 1 postuliert wird, so kann sich ja jeder gerne davon überzeugen, wie "würdevoll" das Sterben auf Verlangen so stattfindet.
mit herzlichen Grüßen
Peter Schaefer
Sehr geehrter Herr Barth,
Ihnen auch besten Dank. Ich möchte nur noch auf einige Stellen Ihrer Ausführungen eingehen, die m. E. ein grundsätzliches Problem berühren. Zu diesen: "...die eben den unterschiedlichen Wert- resp. Moralvorstellungen positiv Rechnung tragen...", "Wertepluralität", "...wurden und werden auch weiterhin Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen...". Es ist mir auch in anderen Zusammenhängen (z. B. Ehe- und Familienrecht) aufgefallen, dass Juristen immer öfter mit der gelebten Realität argumentieren, also eine Art Gewohnheitsrecht dann im Nachgang positiv setzen. Also: Weil viele Kinder unehelich geboren werden, ist die Ehe zwischen Mann und Frau eine überflüssige Option, die durch alle möglichen Konstrukte ersetzt werden kann (SPD, Grüne: "Familie ist da, wo Kinder sind.") . Ebenso argumentieren die "renommierten Medizinethiker", von denen ich überhaupt nichts halte. Warum? Erstens stimmt das nicht mit der "gelebten Realität", sie ist nicht irgendwie "natürlich", sondern selbstverständlich eine Konsequenz von "Normsetzungen" durch u. a. auch ideologisch geprägte Institutionen (z. B. amerikanische Besatzung, Grundgesetz, parlamentarische Mehrheit). Es ist also ein Zirkelschluss, das, was heute ist und angeblich einfach so geworden ist, zum Maßstab zu machen. Ausserdem ist es morgen dann auch wieder anders. Zweitens: "Renommierte Juristen und Ethiker", und das ist nur eines der vielen Beispiele, haben die Unterdrückung von Juden im Dritten Reich zu einer Norm erhoben, die ein Handeln in diesem Sinn zu einer legalen Sache gemacht haben. Daher rührten ja auch die Probleme, diese Taten nach dem Krieg strafrechtlich zu verfolgen. Oder: Bei den Azteken war die Opferung von Menschen (Herausschneiden des Herzens bei vollem Bewusstsein für die Ernährung der Sonne) eine sinnvolle und akzeptierte Angelegenheit, die in ihrem Weltbild ethisch völlig in Ordnung war. Es stellt sich die Frage, vor welchem Weltbild die von Ihnen angemahnte "verantwortungsvolle Gewissens- und Handlungsentscheidung" der Ärzte getroffen wird. Der Freiheitsbegriff wird hier deutlich zu kurz gedacht. Welche Freiheit? Wissen Sie, der ganze Habermas´sche Versuch, säkulare Regeln für das menschliche Miteinander zu definieren, ist doch gescheitert ("ideale Kommunikationsgemeinschaft"). Jede menschliche Regel kann angefochten werden. Und Einigung per demokratischer Mehrheit? Etwas tun, weil die Mehrheit es für richtig hält? Ich prophezeie Ihnen, dass Sie und ich, wenn wir alt, unproduktiv und Kostenfaktoren sind und uns nicht wehren können, aus allgemein akzeptierten ökonomischen Gründen totgespritzt werden - völlig legal, von wohlmeinenden Leuten und ohne Gewissensbisse (welches Gewissen?). Und natürlich wird das medizinethisch abgesegnet sein.
Mein Beitrag ist aus einer gewissen Verzweiflung heraus entstanden - es sind bestimmte Sachverhalte kaum noch vermittelbar, weil ein gewisser Zeitgeist herrscht, der ja auch seine Herkunft hat. Und irgendwann sein Ende.
Sehr geehrter Herr Kovács.
Zunächst sei Ihnen Dank dafür geschuldet, dass Sie sich auch im Nachgang zu Ihrem Artikel einer weiteren Diskussion stellen. Dies ist beileibe nicht Standard und zeugt von einer gewissen Offenheit in einem sicherlich anstrengenden bioethischen Diskurs, der allzu häufig von Irrationalitäten bestimmt wird.
Gerne werde ich auf die von Ihnen angesprochenen Punkte eingehen.
Die Freiheit der Selbstbestimmung führt insofern nicht zur Fremdbestimmung über Dritte, weil gerade mit Hinweis auf die Handlungsfreiheit i.V.m. dem Grundrecht der Gewissensfreiheit dem Arzt eine Entscheidungsoption eröffnet wird, von der er Gebrauch machen kann, aber nicht muss. Das „ethische Zwangsdiktat“ – so in § 16 der Ä-MBO – hingegen wird dem hohen Rang der Grundrechte nicht gerecht und der staatliche Gesetzgeber hat im Rahmen seiner Grundrechtsabwägung insbesondere unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit betrachtet „nur“ zu beachten, dass in ethisch brisanten und im Übrigen offenen Wertentscheidungen Optionen ermöglicht werden, die eben den unterschiedlichen Wert- resp. Moralvorstellungen positiv Rechnung tragen können.
Die Ärzteschaft wird somit nicht in eine bestimmte Richtung dirigiert, sondern letztlich ein Weg eröffnet, mit dem sie eine verantwortliche Gewissensentscheidung treffen können. Ein solches hat die BÄK und ihr folgend einige Landesärztekammern versäumt, mal ganz davon abgesehen, dass hier die Kammern in Anlehnung an den Vorbehalt des Gesetzes ihre Normsetzungsmacht überschritten haben.
Unmittelbar in diesem Zusammenhang stehend ist auch der diesseitige Hinweis zu diskutieren, dass „Ärzte schon immer getötet haben“. Trotz des hippokratisches Eides wurden und werden auch weiterhin Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Da dem so ist, hat dementsprechend das ärztliche Berufsrecht in § 14 der Ä-MBO reagieren müssen und die Mitwirkung hieran zu einer Gewissensentscheidung deklariert. Nichts anderes sollte für die Mitwirkung an einem frei verantwortlichen Suizid gelten, zumal unter der Prämisse, dass keineswegs ein arztethischer Konsens über die Verbotsregelung festgestellt werden kann.
Im Gegenteil: Auch Ihnen wird sicherlich nicht entgangen sein, dass renommierte Medizinethiker zwischenzeitlich eher für eine Liberalisierung des ärztlichen Berufsrechts mit Blick auf die ärztliche Mitwirkung bei einem frei verantwortlichen Suizid eines schwersterkrankten und sterbenden Menschen votieren. Der bioethische Diskurs hat insofern eine „neue“ Qualität angenommen, da Medizinethiker mehr oder minder die „Verordnung“ einer spezifisch ärztlichen Werthaltung mit den sich daraus ergebenden ethischen Bindungen für höchst bedenklich erachten. Diese Bedenken teile ich, und zwar vornehmlich aus Gründen des Verfassungsrechts und den darin verbürgten Freiheitsrechte!
Und schließlich werden im Zweifel auch Rechtsregeln einen „Rechtsmissbrauch“ oder Gesetzesüberschreitungen – mithin also auch strafbare Handlungen – nicht verhindern können. Indes ist dies der Preis der Freiheit, den verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger zu übernehmen bereit sind und vor allem auch bereit sein müssen.
„Tötungen“ resp. der „frei verantwortliche Suizid“ und die damit im Zweifel notwendig werdende Assistenz sollten daher in einem fein ausjustierten Regelungswerk enttabuisiert werden, um so für ein gehöriges Maß an Rechtssicherheit Sorge tragen zu können.
„Dammbruchargumente“ – gleich welcher Qualität – dokumentieren allenfalls, dass der Gesetzgeber stets seine Gesetzesregelung im Auge behalten sollte, um im Zweifel den sich dann virulent werdenden Gefahren zeitnah begegnen zu können. Gleichwohl verbleibt es im Grundsatz dabei: „abusus non tollit usum“.
Es geht also gerade nicht darum, dass der Staat den Suizidassistenten „entlastet“, sondern dass vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Kontextes der Staat auch der Ärzteschaft die Möglichkeit einräumt, diesbezüglich eine freie und verantwortungsvolle Gewissens- und Handlungsentscheidung zu treffen und zwar jenseits berufsständischer ethischer Zwangsdiktate, die so ethisch nun wahrlich nicht sind, negiert diese „Werthaltung“ doch die Wertepluralität innerhalb der Ärzteschaft. Die ethische Zwangsunterweisung führt im Gegenteil dazu, dass die Ärzteschaft in eine ethische Unfreiheit geführt wird, die m.E. höchst verwerflich ist und jedenfalls vor dem Hintergrund bedeutsamer Freiheitsrechte keinen Bestand haben kann.
Es soll hier beileibe nicht die „Selbstbestimmung“ oder die „Freiheit zur Gewissensentscheidung nebst dem forum externum“ verklärt werden – aber es muss darauf hingewiesen werden, dass die kollektiv verordnete Arztethik im Begriff ist, den rechtsethischen Grundstandard unseres Grundgesetzes mit seinen grundlegenden Intentionen schlicht zu untergraben!
Sehr geehrter Herr Barth,
ich verkenne keineswegs, dass Sie in dieser Sache offensichtlich kundig sind. Aber eben einseitig. Bitte berücksichtigen Sie nur einige Punkte:
1. "...dass die Freiheit nicht zur Fremdbestimmung führt...": Sie beziehen das auf den selbstbestimmten Menschen, der assistierten Suizid sucht. Doch die Ärzte von Staats wegen hier in eine bestimmte Richtung zu dirigieren, ist das nicht auch Fremdbestimmung? Hierzu gehört auch Ihr Begriff der "ethischen Zwangsdiktate": Was ist die staatliche Regelung anderes - ein "unethisches Zwangsdiktat"?
2."...Ärzte haben schon immer getötet...": Schlimm genug, und dies als Rechtfertigung anzuführen, ist schon ein Hammer. Es gibt immer moralisch "elastische" Typen. Jedem potentiellen Mörder ist "die Entscheidung überlassen", sich "vorzustellen", einen anderen Menschen zu töten. Das ist nicht die richtige Argumentation.
3. "ärztlicher Paternalismus": Genau gegen diesen bin ich auch. Wer sich töten will, soll das tun, aber bitte selbst und ohne Andere da mit hinein zu ziehen. Der Schriftsteller Herrndorf hat das geschafft. Und fragen Sie auch mal die Lokführer, die einen "Selbstmörder" überfahren haben. Ich weiss, es gibt Menschen, die selbst nicht mehr aktiv handeln können. Aber: Jedes Jahr werden Tausende von Menschen umgebracht, ohne dass je eine Untersuchung stattfindet: Fragen Sie die Rechtsmediziner. Wem das Leben unerträglich geworden ist, wird Menschen finden, die ihm "helfen"; die genannte Zahl von unerkannten Tötungen zeigt, dass es ohne Staat geht. Solche "gnädigen Tötungen" gehören nicht ans helle Licht - das sind intime, vertrauensvolle Abmachungen zwischen Individuen. Die Leute, und offenbar auch Sie, die nach dem Staat rufen, wollen nur eine Rechtfertigung dieses Handelns, einen Freispruch im Voraus, weil sie sehr wohl fühlen, dass bei diesem Tun etwas nicht stimmt. Damit müssen sie aber individuell fertig und nicht von Staats wegen entlastet werden.
Verehrter Herr Kovács.
Mit Verlaub: Dass Sie davon ausgehen, dass ihre Thesen hinter Ihren Aussagen richtig sind, mag ja noch angehen, zumal in Kenntnis dessen, dass es Ihnen augenscheinlich nicht gelingt, ihre Thesen vor dem Hintergrund des Toleranzgebotes kritisch zu reflektieren.
Entscheidend ist und bleibt der verfassungsrechtliche Bezugspunkt in der Debatte um die Suizidassistenz. Von dieser Warte aus betrachtet nimmt sich der Hippokratische Eid resp. die Botschaft eines Herrn Hufeland doch eher bescheiden aus, bezieht doch gerade die "Arztethik" ihren wesentlichen und nicht selten korrigierenden Impulse aus dem Recht. Die zunehmende Ethisierung und Moralisierung des Diskurses durch die sog. Lebensschützerfraktionen einschl. wirkmächtiger Ärztefunktionäre kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in erster Linie für einen konsequenten Grundrechtsschutz Sorge zu tragen ist. Einem wohlverstandenen Grundrechtsschutz, in dem das Selbstbestimmungsrecht einen Höchstwert darstellt, ohne damit leugnen zu wollen, dass die Freiheit nicht zur Fremdbestimmung führt.
Ärzte haben schon immer getötet, wie sich unschwer aus der Schwangerschaftsproblematik ergibt. Insofern wäre es konsequent, den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie sich eine Mitwirkung an einem freiverantwortlichen Suizid eines schwersterkrankten und sterbenden Menschen vorstellen können. Ungeachtet dessen verbleibt es eine Aufgabe allerersten Ranges des Staates, hier Regelungen auf den Weg zu bringen, die verfassungskonform sind, und zwar jenseits der "moralischen und sittlich-geistigen Autoritäten" innerhalb der verfassten Ärzteschaft, die da meinen, ethische Zwangsdiktate erlassen zu können.
Der "Geist des Hippokrates" ist nicht zu reanimieren, ist doch die Ethik vorangeschritten. Eigentlich konnte man/frau davon ausgehen, dass der alte ärztliche Paternalismus überwunden ist. Dass dem scheinbar nicht so ist, ist mehr als nur bedauerlich und dokumentiert allenfalls die Notwendigkeit, dass der parlamentarische Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen ist. Ärztefunktionäre sind weiter denn je davon entfernt, "ethische oder moraltheologisch infizierte Wahrheiten" zu verkünden.
Keineswegs bin ich ein Gegner des Selbstbestimmungsrechts des Menschen noch einer, der den Suizid grundsätzlich ablehnt - es kann Situationen geben, die so verzweifelt sind, dass jemand nur hierin einen Ausweg sieht. Aber die Thesen, die hinter meinem Beitrag stehen, bleiben richtig: Abtreibung ist in Wirklichkeit Mord an ungeborenem Leben; assistierter Suizid ist eigentlich kein Suizid, weil jemand Anderes hilft bzw. die Tötung durchführt (der Begriff selbst ist schon Etikettenschwindel); Ärzte sind dafür nicht die geeignete Berufsgruppe; der Staat sollte hier keine Legalität vortäuschen, die faul ist. Und ja, ich bin in diesen Fällen für die Grauzone (oder für den Henker, denn der wäre wenigstens ehrlich). Nicht alles im Leben sollte staatlich geregelt werden, und ich wundere mich, dass gerade die liberalen und libertäten Leser hier so laut nach dem Staat rufen.
Mit Verlaub – ein Beitrag von einem im Hauptberuf tätigen Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, der offensichtlich mit der Sterbehilfeproblematik völlig überfordert zu sein scheint.
Allein mit dem Hinweis auf den Hippokratischen Eid meint Kovács, nicht auf die subtilen rechtlichen Regelungen des ärztlichen Suizids eingehen zu müssen.
Abermals mit Verlaub: Hier wäre dem Autor des unsäglichen Beitrags dringend zu empfehlen gewesen, die Rechtslage zur Suizidassistenz insgesamt zu reflektieren, um sich so nicht dem Verdacht irrationaler „Thesen“ und „Aussagen“ auszusetzen. Möglicherweise erschien ihm die damit zusammenhängende Lesearbeit als zu lästig, so dass es bei Abfassung seines Kurzbeitrages ihm „nur“ darauf ankam, die in der Sache bemühten Diskutanten, die für eine Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der schwersterkrankten und sterbenden Patienten und der Gewissensfreiheit der Ärzteschaft eintreten, schlicht zu diskreditieren.
Wir brauchen weder einen „Henker“ noch Ärzte, die sich in einer ethischen Grundsatzdebatte zu Worte melden, ohne auch nur im Ansatz die Probleme im Diskurs erkannt zu haben. Nicht „Geschwätzigkeit“ sog. Dünnbrettbohrer ist gefordert, sondern eine fundierte Debatte, die im Übrigen so neu nicht ist.
Aber hallo, wie steht es denn mit dem Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen? Wem sein Leben nicht mehr erträglich ist, Siechtum, Krebs-Endstadium soll Hilfe bekommen können.
Und zwar nicht in einer Grauzone, sondern ganz legal.