Es gibt viele Definitionen des Konservativen. Meist haben sie im heutigen gesellschaftlichen Klima einen negativen Beigeschmack bekommen. Nicht einmal die CDU will mehr konservativ sein. Wie so oft ist es aber nur eine Frage des „Marketings“, ob eine konservative Agenda als rück- oder fortschrittlich aufgefasst wird. Das beste Beispiel sind die Grünen. Der Erhalt des Waldes, der Natur, der natürlichen Ressourcen ist konservativ: Etwas Bewahrenswertes soll bewahrt werden. Die Grünen haben es geschafft, diese konservative Agenda als ungemein progressiv erscheinen zu lassen. Progressiv ist aber traditionell links. Klassisch links jedoch ist der Glaube an den industriellen Fortschritt und die Beherrschbarkeit von Natur und Technik. Von links aus gesehen ist das Bewahren rückschrittlich.
Aufgrund dieser Widersprüche hat der kolumbianische Philosoph Nicolás Dávila gleich auf solche Halbheiten und Halbwahrheiten verzichtet. Seiner Meinung nach muss man heute reaktionär sein, wenn man noch einen Qualitätsanspruch hat. Das hat aber nichts Rückwärtsgewandtes. Denn: „Der lautere Reaktionär ist kein Träumer von vergangenen Zeiten, sondern Jäger heiliger Schatten auf ewigen Hügeln.“
Freilich ist das Problem des Reaktionärs, dass er den Schatten zu einer neuen Wirklichkeit verhelfen muss. Er hat dafür jedoch Vorbilder. Sein Ideal, sagt Dávila, ist natürlich nicht eine paradiesische Gesellschaft, die es nicht geben kann. Es sei eine Gesellschaft ähnlich jener, die in den friedlichen Intervallen der alten europäischen Gesellschaft, Alteuropas, vor der demographischen, industriellen und demokratischen Katastrophe existierte.
[caption id="attachment_10041523" align="alignnone" width="666"] Prozession mit der Hl. rechten Hand in Budapest am Stephanstag 2014 (Foto: Adorján Kovács)[/caption]
Als ich am 20. August, dem ungarischen Nationalfeiertag zum Gedächtnis des Staatsgründers König Stephan des Heiligen, in Budapest die Prozession zu Ehren der Reliquie seiner rechten Hand verfolgte, unter Beteiligung von Tausenden von Menschen, kam mir Dávilas Gedanke in den Sinn. Es geht ja nicht darum, ob jeder an das Ritual glaubt. Es geht aber sehr wohl darum, ob man an eine Werteordnung glaubt, die hinter dem Ritual steht, oder ob man zugunsten eines bürokratischen Molochs, wie ihn das Brüsseler Europa des Euro und der internationalen Konzerne darstellt, oder wegen eines postmodernen Relativismus, der in seiner Beliebigkeit alles und jedes für gleichwertig erklärt, auch noch den letzten Rest dessen, was europäische Kultur zu ihren besten Zeiten vermochte und uns überliefert hat, beseitigt. Selbsthass und Selbstaufgabe sind nicht fortschrittlich, auch wenn einem das als scheinbar logische Konsequenz der Globalisierung ständig erzählt wird.
Noch ist es Zeit. Wie sagte Dávila doch: „Für nichts wirklich Wichtiges ist es je zu spät.“
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