Dem Papalagi zerrinnt die Zeit zwischen den Fingern

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"Was beklagst du dich über den Mangel an Zeit", hielt mir einmal jemand entgegen, "der Tag hat für alle die gleichen 24 Stunden und die Woche die gleichen sieben Tage", sagte er und schien sich für weise zu halten. Heute würde ich meinem Gesprächspartner antworten, dass der Seelenfrieden eines Menschen davon abhängt, wie viel von ihm pro Tag oder pro Woche erwartet wird. Von den Männern wird üblicherweise wesentlich mehr Leistung in Sinne von Arbeit pro Zeiteinheit verlangt. Und wenn sie nicht auf Frau, Kinder, Familienleben und gesellschaftliche Anerkennung verzichten möchten, bleibt ihnen gerade im Wohlfahrtsstaat oft nichts anderes übrig, als sich vollständig auf den beruflichen Erfolg zu konzentrieren und alles andere hintenan zu stellen (Beamte und andere Staatsdiener einmal ausgenommen). Prinzipiell helfen da weder ein ausgefuchstes Zeitmanagement noch Rationalisierungsmaßnahmen, denn die Begehrlichkeiten halten mühelos mit, wenn die 'breiten Schultern' ihre Produktivität erhöhen.

Neben dem Beruf haben Männer auch andere Interessen. Oft haben sie eine philosophische Ader und diskutieren gerne in Facebook - wie damals in der Polis im antiken Griechenland. Über Sokrates wurde berichtet: "Morgens besuchte er die Wandelhallen und die Ringplätze. In den Stunden, da der Markt voller Leute war, konnte man ihn dort finden. Im übrigen Teil des Tages hielt er sich immer da auf, wo er erwarten konnte, die meisten Leute anzutreffen". Axel Grube erläutert in dem Hörbuch 'Sokrates verstehen': "Möglich war ein solches Leben auch durch die damalige Sozialstruktur: Auf einen Bürger Athens kamen ca. zehn Sklaven, die die nötigen Arbeiten verrichteten" (Track 1). Heute sind es die angeblich freien Männer, die immer mehr in die Rolle des Knechts oder des Dukatenesels gedrängt werden. Vor allem Familienväter haben kaum noch Zeit für sich selbst, für andere oder eben für Diskussionen über Gott und die Welt. Sie überlassen das Diskutieren den Frauen, die sich nur wenig für Politik, Wirtschaft oder dergleichen interessieren. Demensprechend schlecht ist es mit dem politischen Bewusstsein unserer Zeitgenossen bestellt und überhaupt mit der Demokratie.

Wem die Instrumentalisierung des Mannes langsam auf den Sack geht, der sei auf die freie Marktwirtschaft verwiesen, denn neben dem globalen Wettbewerb sind die Gewerkschaften und der Umverteilungsstaat die Einpeitscher der Nation. Der Soziologe Norbert Elias beschrieb in seinem Buch 'Über die Zeit' (1984) vor allem die soziale Dimension des Phänomens. Rein objektiv sei die Zeit erst einmal nur ein Geschehensablauf, denn für die unbelebte Natur sowie für die Tier- und Pflanzenwelt gibt es nur ein relativ wertfreies Nacheinander der Ereignisse. Das was wir an der Zeit so mysteriös empfinden, Zeitnot und Langeweile, zu früh oder zu spät zu einem Termin zu erscheinen, die Uhren, die Kalender, die Deadlines - dies alles gibt es nur in der Lebenswelt kultureller Wesen wie der Menschen.

Anno 1920 hatte es Erich Scheurmann unternommen, mit seinen fiktiven 'Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea' unsere westliche Zivilisation aus dem Blickwinkel eines Südseebewohners zu beschreiben. 'Der Papalagi' heißt das Buch, das auch ein Kapitel mit anschaulichen Schilderungen unseres Wettlaufes mit der Zeit enthält. Nach einer Europareise warnt der nur in der Phantasie des Schriftstellers existierende Clanchef aus Samoa seine Leute vor den Wertvorstellungen der Europäer: "Der Papalagi liebt vor allem auch das, was sich nicht greifen lässt und das doch da ist – die Zeit. Er macht viel Wesens und alberne Rederei darum. Obwohl nie mehr davon vorhanden ist, als zwischen Sonnenaufgang und -untergang hineingeht, ist es ihm doch nie genug". Scheurmann lässt den fiktiven Häuptling unter anderem berichten, wie der weiße Mann durch Glockengeläut das Bedauern darüber zum Ausdruck bringt, dass die Stunde, der Tag, der Monat, das Jahr schon wieder so schnell vorüberging: "Es entsteht ein gewaltiges Tosen und Lärmen in einer europäischen Stadt, wenn ein Teil der Zeit herum ist. Wenn dieses Zeitlärmen ertönt, klagt der Papalagi: 'Es ist eine schwere Last, dass wieder eine Stunde herum ist'. Er macht zumeist ein trauriges Gesicht dabei, wie ein Mensch, der ein großes Leid zu tragen hat; obwohl gleich eine ganz frische Stunde herbeikommt".

Gut beobachtet! Doch ticken wirklich alle so im Westen? Muss man hier nicht differenzieren? Zunächst einmal stelle ich fest, dass Rentner meist viel Zeit haben, oftmals sogar zu viel. Nicht anders geht es so manchem Jugendlichen, der noch zu Hause wohnt und sich dort versorgen lässt. Oft erhalten sie weder eine vernünftige Erziehung noch Anregungen für kreative Beschäftigung. Sie lungern daher stundenlang herum oder frönen dem Medienkonsum, anstatt ihre Hausaufgaben zu machen. Die typischen Papalagi sind natürlich die Berufstätigen, was vor allem durch folgende Beobachtung des Häuptlings Tuiavii deutlich wird: Dass der Zeit ein so hoher Stellenwert zugemessen werde, müsse "eine Art Krankheit sein: Denn angenommen, der Weiße hat Lust, irgendetwas zu tun, sein Herz verlangt danach, er möchte vielleicht in die Sonne gehen oder auf dem Flusse im Kanu fahren oder sein Mädchen lieb haben, so verdirbt er sich zumeist seine Lust, indem er an dem Gedanken haftet: Mir ward keine Zeit, fröhlich zu sein. Die Zeit wäre da, doch er sieht sie beim besten Willen nicht. Er nennt tausend Dinge, die ihm die Zeit nehmen, hockt sich mürrisch und klagend über eine Arbeit, zu der er keine Lust, an der er keine Freude hat".

Der Südsee-Insulaner hält damit vor allem den Vollzeit-Berufsmenschen aus der freien Wirtschaft den Spiegel vor. Insbesondere dann, wenn diese auch noch Überstunden machen, handelt es sich meist um Männer, die mit ihrer Arbeitskraft ganz nebenbei den größten Teil der Steuer- und Abgabenlast tragen. Zwar gibt es die sogenannten Karrierefrauen – die haben jedoch nicht nur prinzipiell, sondern meist auch ganz reell die Wahl, Hausfrau und Mutter (oder Herrin über das Hauspersonal ihres wohlhabenden Gatten) zu werden. Sie nehmen die beschriebenen Zwänge also freiwillig auf sich. Dies können wir uns am besten vergegenwärtigen, wenn wir die Sanktionen betrachten, die Karrieremänner und Karrierefrauen zu befürchten haben, sollten sie sich wiederholt in die Sonne legen oder mit dem Kanu den Fluss entlang paddeln, anstatt ins Büro zu fahren. Die Karrierefrau würde den Job verlieren und am Abend ihrem Lebensabschnittsgefährten ins Ohr flüstern, dass er nun Alleinverdiener ist. Dieser würde sich geehrt fühlen, käme sich auf einmal irgendwie wesentlich vor, und im Bett hat es noch nie so gut geklappt wie seit diesem Tag! (Welt vom 30.01.13: Hilft Mann im Haushalt, hat das Paar weniger Sex).

Der Karrieremann würde ebenfalls seinen Job verlieren, wenn er fortgesetzt die Neonsonne am Arbeitsplatz verschmähen und stattdessen lieber zum Baggersee fahren würde. Dass seine Frau aber nun Alleinverdienerin sein soll, das war nicht geplant, und so verliert dieser Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit neben der Arbeit auch seine Frau und darf seine Kinder nur noch alle zwei Wochen sehen. Der Mann verliert also fast alles, was ihm wichtig ist, wofür er gelebt und gearbeitet hat, das ist der große Unterschied! Obendrein muss er sich schnell einen neuen Job suchen, denn jetzt muss er Unterhaltsgeld bezahlen, weil der Verdienst seiner Ex nicht reicht, um ihren Lebensstandard zu halten. Denn anders als die Männer haben deren bessere Hälften offensichtlich den Rechtsanspruch, ein einmal erreichtes Wohlstandsniveau im Wesentlichen beibehalten zu können. Das muss sich ändern. Vom Staat aufgezwungene Unterhaltspflichten sollten abgeschafft werden, denn sie machen den Mann endgültig zum Arbeitssklaven! Während sich der Staat früher aus privaten Angelegenheiten weitgehend heraushielt, müssen geschiedene Väter seit ein paar Jahrzehnten immer höhere Beträge an die ehemalige Gattin und an die Kinder abführen. Dabei wird fast vollständig davon abgesehen, ob das Geld überhaupt gebraucht wird, ob die Zahlung im Verhältnis zum Einkommen aller Beteiligter steht und ob sie moralisch gerechtfertigt ist.

Um die Gefühlslage der angeblich 'seit Jahrtausenden unterdrückten' Frauen näher zu beleuchten, lassen wir wieder den Wilden aus Samoa berichten: "Es gibt Papalagi, die behaupten, sie hätten nie Zeit. Sie laufen kopflos umher, wie vom Teufel Besessene, und wohin sie kommen, verbreiten sie Unheil und Schrecken, weil sie ihre Zeit verloren haben". Ich kann mir nicht helfen, hier denke ich an die immer häufiger zu beobachtende Mutter von zwei kleinen Kindern, die halbtags berufstätig ist, um unter Leute zu kommen und etwas hinzu zu verdienen. Auch sie klagt, dass ihr die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Die Menschen jammern gern, aber nicht immer auf demselben Niveau. Schauen wir uns die zu erwartenden Sanktionen an: Eine Mutter, die das Fußballtraining oder den Termin beim Logopäden sausen lässt, damit sie mit den Sprösslingen ins Freibad fahren kann, würde riskieren beim nächsten Mal vom Trainer oder von der Logopädin schief angesehen zu werden. Soll das so schlimm sein als den Job und die Familie zu verlieren? Sie könnte die Kleinen auch ausnahmsweise länger im Kindergarten lassen oder zu ihren Eltern bringen, um sich einfach mal in die Sonne zu legen und die Seele baumeln zu lassen. Wenn sie sich solche Freiheiten öfter nehmen würde, liefe sie allenfalls Gefahr, im Bekanntenkreis als suboptimale Hausfrau und Mutter eingestuft werden. Keiner will, dass andere über ihn schlecht reden, doch das Weibervolk identifiziert sich besonders stark mit der Gemeinschaft. Standesdünkel und spießbürgerliche Kleinkariertheit ist bei den Frauen besonders weit verbreitet, gerade auch dann, wenn sie sich progressiv geben. Denn innerhalb der Bahnen des modernen Kleinbürgertums wie Gutmenschentum und Political Correctness fühlt sich das schwache Geschlecht besonders wohl. Dementsprechend groß ist die Angst, bei den anderen Frauen und ihren Partnern in Ungnade zu fallen.

Die meisten Vertreterinnen des schönen Geschlechts leben mehr oder weniger in den Tag hinein, vor allem wenn sie liiert sind, aber keine Kinder haben, was leider immer öfter vorkommt. Auch der Mehrzahl der Mütter gelingt es, das Leben mit ihren Kindern zusammen zu genießen, und das ist auch genau das, was der Nachwuchs braucht. Aber ein voller Terminkalender und ein Leben im Zeittakt der gesellschaftlichen Verpflichtungen gelten nun einmal als Statussymbol, weswegen die typische Karrieremütter für Beschaulichkeit keine Zeit findet. Häuptling Tuiavii hat sie bei seiner Europareise beobachtet: "Daher rennen die meisten durchs Leben wie ein geworfener Stein. Fast alle sehen im Gehen zu Boden und schleudern die Arme weit von sich, um möglichst schnell voran zu kommen. Wenn man sie anhält, rufen sie unwillig: 'Was musst Du mich stören; ich habe keine Zeit, siehe zu, dass Du Deine ausnützt'. Sie tun gerade so, als ob ein Mensch, der schnell geht, mehr wert sei und tapferer als der, welcher langsam geht".

Natürlich können wir nicht einfach unseren Neigungen nachgehen, anstatt unsere Pflichten zu tun. Aber ein bisschen mehr Lockerheit und Flexibilität würden Wirtschaft und Gesellschaft sicher gut tun. Das Wohlstandsniveau würde allerdings ein wenig sinken – und da bereits regt sich Widerstand! Was uns von einer solchen Flexibilisierung des Arbeitslebens abhält, das sind die Erwartungen der Mitmenschen, die Ansprüche der Anspruchsberechtigten! Von den Männern erwarten alle, dass sie ihre Familie ernähren, aber auch dass sie den Staatssäckel füllen und jede Menge Sozialversicherungsbeiträge erwirtschaften. Und was tut die moderne Familienfrau? Anstatt sich darüber zu freuen, dass ihr Gatte sie versorgt, damit sie sich in aller Ruhe um die Kinder, die Mahlzeiten und den Haushalt kümmern kann, will sie es ihm gleichtun! Dass der Staat dies auch noch fördert (mit dem Ehegattensplitting und dem milliardenschweren Ausbau der Kinderkrippen) ist das Gegenteil einer ganzheitlichen, systemischen Herangehensweise. Durch die unterschiedlichen Spielarten des staatlichen Interventionismus wie Arbeitsmarktpolitik und Familienpolitik wird im Gesellschaftssystem die Sinngebung von Mann und Frau, Vater und Mutter, Eltern und Kindern sowie Privatleben und Berufsleben grundlegend infrage gestellt und aus dem Gleichgewicht gebracht. Die ganze Gesellschaft gerät durch den Wohlfahrtsstaat aus den Fugen und droht zu kollabieren!

Schon als die traditionelle Familie noch intakt war, konnte man kritisieren, dass die Männer vom Anspruchs- und Statusdenken des schwachen Geschlechts unter Druck gesetzt werden. Doch war es auch nachzuvollziehen, weil die Frauen nun einmal ein besonders großes Bedürfnis nach Sicherheit haben, sie machen sich nun einmal öfter Sorgen als Männer. Und schließlich wollen auch die Väter ihren Kindern ein schönes Heim, ausreichend Spielsachen und nette Freizeitgestaltungen bieten. Doch die wachsende seelische Not vieler Jugendlicher zeigt, dass hier der Wurm drin ist. Immer seltener schenken die Eltern den Kindern Aufmerksamkeit und Zeit. Stattdessen werden sie in Ganztageseinrichtungen abgeschoben, mit Dingen abgespeist oder mit Computerspielen ruhiggestellt. Wenn der Brutpflegetrieb in Materialismus umschlägt, dann sage ich: man kann es auch übertreiben! Immer öfter dient die Finanzierung der Kinder außerdem als Vorwand für eine auskömmliche Versorgung der Mutter.

Zur Heilung müsste der Staat sämtliche Maßnahmen zur Frauenförderung einstellen, als da wären Frauenquoten (z.B. im öffentlichen Dienst) und die Investitionen zur sogenannten 'Vereinbarkeit von Beruf und Familie'. Gestrichen gehört insbesondere das Ehegattensplitting, mit dem nicht nur Alleinverdiener, sondern ebenso Doppelverdiener gefördert werden, wenn auch im geringeren Maße. Und das sogar, wenn kein Kind in die Welt gesetzt wurde! Vor allem nehmen berufstätige Mütter anderen die Arbeit weg. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn es sich bei den Geförderten um Spezialistinnen handelt, für die es keinen Ersatz gibt, und von deren Engagement nachrangige Arbeitsplätze abhängen. Solche hochqualifizierten Frauen verdienen aber so viel, dass sie auf staatliche Subventionen nicht angewiesen sind. In der Mehrheit der Fälle werden mit den Vereinbarkeits-Subventionen die verheirateten Frauen aus der Mittelschicht gefördert, die versorgt sind, aber noch etwas dazu verdienen wollen. Damit verdrängen sie aber viele Männer mit unterdurchschnittlichen Berufschancen auf schlechter bezahlte Jobs oder in die Arbeitslosigkeit, so dass diese sich nicht in der Lage sehen, eine Familie zu ernähren! Steuern und Sozialabgaben müssen die alleinstehenden Männer aber dennoch abdrücken. Beim Ehegattensplitting handelt es sich daher um eine Umverteilung von unten nach oben, und zwar um eine wirkliche und nicht um eine von den Linken erfundene - vergleichbar mit den Solar- und Windkraft-Subventionen.

Doch zurück zu unserem Südsee-Philosophen. Er kann natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen behaupten, dass es Zeit im Überfluss gibt, nämlich dass wir alle Ambitionen, Ansprüche und Erwartungen radikal aufgeben. Das wäre allerdings unser Ende, denn ohne Unternehmergeist und punktgenaue Pflichterfüllung können wir keine 500 Millionen Menschen in Europa ernähren! Es würde uns allerdings helfen, etwas mehr Zeit zu finden, wenn wir das Geld nicht geringschätzen würden. Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, hatte Recht mit seinem Spruch: 'Zeit ist Geld'. Der Schriftsteller und Naturwissenschaftler raufte sich schon im 18. Jahrhundert wohl des Öfteren die Haare, wenn ihm mal wieder die Zeit davonlief. Als Lösung stellte er gegen Bezahlung mit Geld Mitarbeiter ein, so dass er auf einmal wieder mehr Zeit hatte. Geld kann also in Zeit umgewandelt werden und umgekehrt.

Auf die Frage, wer denn nun das Geld gering schätzt, fallen einem natürlich zunächst die Reichen ein. Der Vorwurf trifft aber vor allem diejenigen, die ihren Reichtum nicht selbst erwirtschaften, sondern Pfründe und Privilegien genießen. Neben den typischen Ehefrauen und Maitressen wohlhabender Männer denke ich da zum Beispiel an die Pensionäre, die sich ihren Lebensabend vergolden lassen, obwohl sie in ihrer häufig auch noch verkürzten aktiven Zeit oft nur Dienst nach Vorschrift gemacht haben. Es gibt aber noch eine weitere schnell wachsende Gruppe von Menschen, die das Geld geringschätzt: Alle, die denken, sie hätten einen moralischen Anspruch, für ihre Arbeit einen Mindestlohn zu bekommen. Viele gehen sogar noch weiter und behaupten, es sei gegen die Menschenwürde, wenn nicht jeder eine bestimmte Menge Geld zugeteilt bekommt, auch ohne einen Streich zu tun! Als selbständiger Geringverdiener weiß ich aber, dass jeder Euro verdient werden muss, und zwar mit Arbeit, die mit einem frei ausgehandelten Lohn aufgewogen wird. So wäre es gerecht. Was ich ablehne, sind Lohnforderungen von Arbeitsplatzbesitzern, die den Unternehmen mit Hilfe der Kartellmacht landesweiter Gewerkschaften und Flächenstreiks aufgezwungen werden! Ich plädiere daher für die freie Marktwirtschaft. Wenn wir den Wettbewerb wieder überall in Kraft setzen würden, dann müssten mit Ausnahme von Kindern, Hochbetagten und Schwerkranken im Prinzip alle Menschen ihre Brötchen selbst verdienen.

Nach einem radikalen Rückbau des Sozialstaats wäre sowohl das Geld als auch die Zeit, welche der Einzelne zur Verfügung hat, gerechter verteilt. Sämtliche sozialen Besitzstände sollten gestrichen werden, denn je mehr Privilegien, desto weniger Chancengerechtigkeit! Denn wenn einzelne Gruppen mit hohen Löhnen, guten Sozialleistungen und Steuersubventionen bedacht werden, gibt es auf der anderen Seite Menschen, die solche Zuwendungen nicht bekommen, sondern diese im Gegenteil erwirtschaften müssen! Auf diese Weise erzeugt der Fürsorgestaat zunehmend mehr Ungerechtigkeiten und Wettbewerbsverzerrungen. So werden seit 2009 Kleinunternehmer gezwungen, eine Krankenversicherung mit Mindestbeiträgen von um die 300 Euro pro Monat abzuschließen, ohne Rücksicht darauf, ob sie sich das überhaupt leisten können. Doch Proteste sind bislang weitgehend ausgeblieben, denn erstens müssen die Betroffenen arbeiten, und können sich oft weder die Fahrt zu einer Demonstration noch den Verdienstausfall leisten. Und zweitens schaden sie dem Geschäft, wenn sie sich als Geringverdiener outen. Bei so wenig Gegenwind plant jetzt die Regierung, den Selbstständigen auch noch eine Rentenversicherung zur Pflicht zu machen.

Unsere Gesellschaft ist so komplex, dass auch das komplizierteste Sozialsystem dem Einzelfall nicht gerecht werden kann. So mancher Hartz-IV-Empfänger hat mit einem 400-Euro-Job mehr Geld zur Verfügung als viele, die 40 Stunden in der Woche arbeiten. Würde man aber deren Gehalt erhöhen, würde wieder woanders das Lohnabstandsgebot missachtet – und so weiter und so fort. Die Lösung für diese Probleme lautet: Hire and Fire, Abschaffung der Mindestlöhne, Sozialhilfe möglichst in Form von Sachleistungen nur noch für Arbeitsunfähige, die außer dem Staat niemanden haben, der sich um sie kümmert. In einer freien Marktwirtschaft werden Probleme der Lohnfindung viel smarter entschieden, nämlich dezentral mit Hilfe der Lenkungsfunktion der Preise. Tarifverträge sollten nur noch einen Orientierungsrahmen bieten, der jederzeit nach unten durchbrochen werden kann. Wenn der Einzelne mit dem Lohn, der ihm geboten wird, nicht einverstanden ist, kann er sich ja einen neuen Arbeitgeber suchen. Mit anderen Worten: Wenn wir den Sozialstaat auf das Nötigste eindampfen, dann klappt's auch wieder mit dem Geld! Und dann haben die Leistungsträger auch wieder mehr Zeit. Warum? Weil dann nur noch Schwerbehinderte und Gebrechliche das Problem haben, wie sie die Zeit totschlagen sollen. Alle anderen arbeiten, anstatt sich durchfüttern zu lassen.

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