Dem Eigentum verpflichtet

Gerade an Ostern sollten sich Wirtschaft und Politik auf die wirklichen Werte konzentrieren. Wie das geht, macht der neue Papst vor.

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Auf der Suche nach „leichtem Verdienst“ und getrieben von der „Gier nach schnellem Profit“, so Papst Franziskus in seiner Osterbotschaft, sucht der vom Egoismus „verwundete Mensch“ immer wieder nach Wegen und Auswegen, sich einer verantwortlichen, aber oft mühsamen Gestaltung der Welt zu entziehen. Die „Ideologie des Finanzmarktkapitalismus“, die verspreche, dass „mit Finanzspekulationen mehr Reichtum geschaffen werden kann als mit produktiver Arbeit“, schreibt der katholische Soziallehrer und theologische Sozialethiker Peter Schallenberg („Zeichen der Zeit“, Januar 2013), habe die Finanzmarktkrise und in deren Gefolge auch die europäische Krise mit heraufbeschworen. Es gelte nun, meint der Leiter der renommierten Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach, „den Finanzmarkt wieder in den Dienst der Realwirtschaft und des Gemeinwohls zu stellen“.

Die von Schallenberg angemahnte „ordnungspolitische und ordnungsethische Diskussion“ solle dabei eine „Bewusstseinsbildung“ nicht nur als „Rückbesinnung auf die alten Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft“, sondern ein vertieftes „Nachdenken über neue Prinzipien einer Ökologisch-Sozialen Marktwirtschaft“ beinhalten, das neben medizin- und bioethischen auch existenzielle Lebensfragen umfasse. Die sogenannten Lebensrechtsfragen, die im Extremfall auch mittels Abtreibung oder Suizid bzw. Euthanasie lösbar erscheinen, korrespondieren offenbar mit einem Automatismus, der in Wachstums-, Schwellen- und Industrieländern mit zunehmendem Wohlstand und ökonomischer Prosperität zugleich zu einem auffälligen Geburtenrückgang und alternden Gesellschaften führt. In der Rushhour des Lebens haben viele Menschen das Gefühl, berufliche Karriere und Familienbildung nicht gleichzeitig leisten zu können. Hinzu kommt die Sorge, von den durch die demografische Entwicklung überforderten staatlich organisierten Sozialsystemen im Alter, bei Krankheit und auch im Fall von Arbeitslosigkeit nicht ausreichend alimentiert zu werden.

„Wohlstand für alle“ ade?

Zum ersten Mal seit der Währungsreform in Deutschland 1948 hat auch ein deutscher Finanzminister wieder einem staatlich verordneten Zugriff auf Sparguthaben und Geldvermögen zugestimmt. Auch wenn die Lösung der zypriotischen Schuldenkrise ein „spezieller Einzelfall“ (Wolfgang Schäuble, „Bild“-Zeitung, 30.3.2013) sein und bleiben soll, bedeutet dies doch einen Tabubruch; zunächst war sogar an eine Zwangsabgabe auch von Sparern mit Kontoguthaben von unter 100.000 Euro gedacht. Daraus erwächst die Erkenntnis, dass auch zur persönlichen Daseinsvorsorge und Zukunftssicherung erworbenes oder angespartes Privateigentum vor einem plötzlichen Zugriff des Staates über Nacht nicht sicher ist. Im Bundesfinanzministerium, so wird geargwöhnt, würden schon verschiedene Planungen mit „Horrorlisten“ von einem Währungsschnitt bis hin zu Immobilienzwangsabgaben für die Zeit nach der Bundestagswahl im Herbst entwickelt.

Parallel zu den aufgeregten Verhandlungen zur Lösung der zypriotischen Schuldenkrise hat die Deutsche Bundesbank nahezu verschämt und das öffentliche Licht von TV-Kameras scheuend eine Studie zur Vermögensverteilung basierend auf einer Umfrage von 17 Nationalbanken in Europa vorgestellt. Danach besitzen die sogenannten oberen 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland rund 60 Prozent der Vermögenswerte. Dieses auch Experten überraschende Ergebnis verdeutlicht, dass Vermögen hierzulande von breiten Schichten bis hinein in den Mittelstand nicht in ausreichendem Maße gebildet und offenbar auch nicht erworben werden. Vielleicht aber fehlt es auch an einem Bewusstsein für die Bildung von privatem Eigentum oder dieses wird vorwiegend als Eigentum an Konsumgütern aufgefasst.

Doch zur Stabilität einer Gesellschaft trägt nicht nur die Verfügungsmöglichkeit über konsumtive Mittel, sondern eine breite Streuung von Kapital und Grundbesitz wesentlich bei. Die auf der Privateigentumsordnung basierende Soziale Marktwirtschaft baut darauf auf, dass die Mehrheit der Bevölkerung Zugang zu privatem Eigentum nicht nur an Konsumgütern, sondern auch und gerade an Produktionsmitteln hat. Nur so lässt sich Ludwig Erhards Konzept eines „Wohlstands für alle“ realisieren und kann sich auch in Krisenzeiten bewähren.

Schon von Natur aus ist der Mensch wesenhaft auf materielle Güter angewiesen; er will selbstbestimmt seine tägliche Daseinsvorsorge bewerkstelligen und die eigene Persönlichkeit sowie die in ihr geborgenen Fähigkeiten möglichst frei entfalten können. Der menschlichen Individualnatur entspricht es auch, durch Horten von Besitz und Gütern sinnvoll für die eigene Zukunft vorzusorgen und sich vor Gewalt und dem ungebetenen Einfluss Dritter zu schützen. Darüber hinaus gibt es das Bedürfnis nach uneigennütziger Hilfeleistung mit eigenen Mitteln und des Engagements für gesellschaftliche Projekte. Privates Eigentum bedeutet aber auch immer Verantwortung und Haftung für den Umgang mit den zur Verfügung stehenden Gütern. Das private Interesse an einer möglichst optimalen Nutzung von Kapital und Vermögen bedingt den optimalen Einsatz der Güter und damit eine hohe Wahrscheinlichkeit einer rationalen und produktiven sowie möglichst andauernd nachhaltigen Verwendung. Aus privatem Interesse erwächst gesellschaftlicher Nutzen. Weiter entspricht es der Sozialnatur des Menschen, durch das Erbringen von Dienstleistungen und den Austausch von Gütern auch materielle Werte zu schaffen und deren marktgerechte Bewertung zu ermöglichen. In einer Rechtsfrieden stiftenden Gesellschaftsordnung werden die Bereiche von Mein und Dein durch die Zuordnung von privatem Eigentum sozialverträglich abgegrenzt. Zugleich entsteht in einer bürgerlich verfassten und mit Privateigentum auch an Produktionsmitteln ausgestatteten Gesellschaft ein freiheitsbeanspruchender Gegenpol zum Allmachtsanspruch von totalitären Staatsgebilden, die ihre Untertanen rechtlos stellen, als Arbeitsknechte ausbeuten und versklaven.

Werte statt Finanzspekulationen

Die Schöpfung bewahren, Gerechtigkeit und Liebe zum Blühen zu bringen, ist das auch in der Osterbotschaft zum Ausdruck kommende Kernanliegen des argentinischen Papstes, der sich in seinem Namen explizit auf den freiwillig mittellosen Bettelmönch Franz von Assisi beruft. Papst Franziskus warnt vor neuen Formen der Ausbeutung und des modernen Sklavenhandels, die auch aus einer ungerechten Verteilung von Einkommen, Gütern und Eigentum resultieren. Die kirchliche Soziallehre und theologische Sozialethik haben stets den Grundsatz „Arbeit vor Kapital“ herausgestellt; doch Kapital wird immer auch durch vorangegangene Arbeit gebildet. Entscheidend ist also, wie die Verteilung von Einkommen und Gütern sowie der Zugang zu Kapital und Grundbesitz organisiert werden. Bereits in den 60er-Jahren gab es zur Frage der Vermögensbildung der Arbeitnehmer in Deutschland eine breite gesellschaftliche Diskussion. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben seinerzeit auch deshalb keinen grundlegend ordnungspolitischen Konsens finden können, weil die Gewerkschaften über die Bildung von kollektiven Fonds politischen Einfluss auf die Unternehmen zu gewinnen und eine andere als die sozialmarktwirtschaftliche Ordnung zu erstreben suchten. Mit der Lösung der Mitbestimmungsfrage in sogenannten Großunternehmen durch die paritätische Besetzung der Aufsichtsräte durch Unternehmens- und Arbeitnehmervertreter geriet das Projekt einer gezielten Förderung von Privateigentum an Produktionsmitteln in Arbeitnehmerhand in den Hintergrund. Vor allem mittelständisch geprägte Familienunternehmen aber entwickelten weiter Modelle einer Vermögensbeteiligung für ihre Beschäftigten und verschiedene Großunternehmen operierten mit der Vergabe von Aktien.

Dabei sind ein gesteigertes Bewusstsein für Eigentum und damit mehr Mitverantwortung zur Bewältigung der Finanz- und auch der demografischen Krisen notwendiger denn je. Mit dem jüngst verabschiedeten „Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“ und der Studie der Bundesbank steht das Thema nun wieder auf der Tagesordnung. Der sofort erschallende Ruf nach mehr und höheren Steuern gepaart mit der Furcht vor inflationär bedingten oder durch Zwangseingriffe herbeigeführten Enteignungen im Zuge der europäischen Schuldenkrise bewirkt aber, dass in breiten Kreisen der Bevölkerung der Zugang zu und der Erwerb von Eigentum durch Ansparen von Kapital bereits im Keim erstickt wird. Allein durch ein gesteigertes Konsumverhalten auf hohem Niveau aber bilden sich keine substanziellen Werte, die nachhaltig stabilisieren. Statt Finanzspekulationen sollten eine auf realen Werten basierende Kapital- und Vermögensbildung möglichst breiter Kreise in der Bevölkerung gefördert werden. Ideen dazu könnten Wahlprogramme attraktiv machen.

 

Beitrag zuerst erschienen auf TheEuropean.de.

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