Das war aber knapp – Kai!

Die Firma Birkenstock wollte seinen älteren Betriebsangehörigen etwas Gutes tun - ohne vorher beim Staat um Erlaubnis zu fragen. Ein Fehler! Denn die, die bei dieser freien Entscheidung leer ausgingen, zogen vor Gericht. Und unterlagen nur knapp. Ein Stück aus dem Tollhaus.

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Da hatte er noch einmal Glück gehabt, der 26 jährige Kai B. aus  C. (Namen und Orte zum Schutze der Persönlichkeitsrechte der Delinquenten von der Redaktion geändert) Erst der oberste Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag hatte den jungen Mann vor einer der größten jemals bekannten privaten Schadenersatzforderungen aller Zeiten freigesprochen: fast eine Milliarde Euro! Und das, nachdem alle Vorinstanzen dem Kläger diesen Anspruch zugesprochen hatten!

Was – um alle Welt - war geschehen? Am 25. Mai 2013, einem milden Frühlingstage, hatte  Kai B. aus fast kindlichem Übermut und einfach nur aus einer guten Laune heraus und damit natürlich ohne groß nachzudenken und unbedacht, gegen 11:32 Uhr dem obdachlos scheinenden Schnorrer Detlef K. auf dem Marktplatz von Bad Salzuflen ein goldsilbrig glänzendes Ein-Euro-Stück in den Hut geworfen. In einen Hut, der gleich neben dem selbstgemalte Pappschild mit der Aufschrift „Ich habe Hunger!“ einladend für Almosen stand. Soweit der unbestrittene Sachverhalt. Den anderen 3 Schnorrern auf dem Marktplatz von Bad Salzuflen hatte B. allerdings nichts gegeben!!!! Unglaublich! Damit aber nicht genug: Auch die insgesamt 13 weiteren internationalen Bettler, die an diesem Tage in Bad Salzuflen nachweislich ihrem Gewerbe nachgingen, gingen leer aus! Ebenso wie alle anderen Bettler und Schnorrer in Deutschland, Europa und der Welt!

Eine so unglaubliche Diskriminierung, dass sie auch dem Dachverein der Schnorrer und Aggressiv-Bettler www. (Verband WeltWeiter Weltenbummler) auf Dauer nicht verborgen bleiben konnte! Und weil dem gerade mit der Anerkennung der weltweiten Gemeinnützigkeit auch ein Verbandsklagerecht zugesprochen worden war, stellte er sofort den Strafantrag gegen Kai B.! Die wissenschaftlichen Experten des Verbands hatten errechnet, dass bei ungefähr 7 Milliarden Menschen auf der Welt durch das verantwortungslose und diskriminierender Verhalten von B. mindesten eine ganz knappe Milliarde Menschen/Bettler/Schnorrer weltweit um eben einen Euro betrogen worden waren. Und den wollte der www. nun haben! Den genauen Streitwert bezifferten die www-Experten auf konkret € 999.999.999,00! Alles also klar auf der Hand liegend und für jeden gesund denkenden Menschen nachvollziehbar! Wozu schließlich haben wir ein Gleichstellungsgesetz (AGG)?

Denn: was hatte der Schnorrer Detlef K., was die anderen 999.999.999 Schnorrer dieser Welt nicht hatten? Welcher Teufel hatte Kai B. nur geritten, nur dem Einen einen Euro zu geben, den fast eine Milliarde Anderen aber nicht? Was für ein Affront  gegen all die Bettler und Schnorrer der Welt, die sicherlich noch ärmer waren als Detlef K.! Das fanden auch alle deutschen und europäischen Vorinstanzen und verurteilten B. zur Schadensersatzzahlung. Dann die große Überraschung: Das oberste Gericht in Den Haag sprach ihn frei! Gerne aber nicht – wie die Urteilsbegründung verriet! Und niemand sollte sich darauf verlassen, bei einem ähnlichen Akt unlauterer Diskriminierung ähnlich ungeschoren davon zu kommen. Das war ein ganz spezieller Fall! Schon morgen konnten die Gerichte ganz anders entscheiden! Kai B. trollte sich mit nur leicht versengtem Fell von dannen. Gerade noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen!

Die Zeitungen waren voll des Lobes: Was für ein toller Spruch! Was für ein Augenmaß! Was für eine fast schon salomonische Unbestimmtheit. In der Folge etablierte sich eine ganze Ratgeberindustrie. Werke, wie „Almosen ja – aber sozial und ökologisch verträglich!“ oder „Wie schütze ich mich vor Schadensersatzklagen beim gemeinnützigen Spenden?“ fanden reißenden Absatz. Einer der größten noch lebenden Philosophen Deutschlands (RDP = Richard David Precht?) schlug vor, gleich bloß noch an den Staat zu spenden!

Weil der doch am besten wüsste, wer wie viel braucht: am ehesten er selbst! Und das mit den Schadenersatzansprüchen wäre dann auch kein Thema mehr. Wer würde sich schon trauen, den Staat zu verklagen? Und wenn, würden die vom Staat hoch bezahlten Richter ein Urteil sprechen. Und der heimliche „An-Den-Staats-Spender“ wäre fein raus.

RDP schlug des Weiteren vor, das „Verbandsklagerecht“ auch gleich auf den Staat auszuweiten! Dann wären die Bürger für alle Zeiten von den Mühen und Kosten enthoben, Rechtsanwälte zu bezahlen und vor Gericht zu ziehen. Auch die erstrittenen Werte könnte sich der Staat dann gleich einstreichen. Der braucht ja immer Geld – ist immer klamm! Und was Gerechtigkeit (und Demokratie) ist, wüsste der Staat ja eh am besten, dann sollte er das doch auch gleich festlegen! Juristen- und polizistensicher!

Auf die eigentlich am nächsten liegende Lösung kam komischerweise niemand: Niemals im Leben und nirgendwo auf der Welt mehr noch einem Schnorrer auch nur eine Cent zu geben – auch ums Verrecken nicht – und schon wäre man das Problem des Schadensersatzes los? Kann aber sein, dass diese Lösung ebenso einfach wie rassistisch, fremdenfeindlich und menschenverachtend war und deshalb niemand sich traute, sie auszusprechen? All diese Begrifflichkeiten, die noch vor 10 Jahren niemand kannte? Tucholsky hat das einmal so genannt: „Missbrauch eines eigens dafür geschaffenen Wortes!“ Was für ein hirnloser Unsinn – das Ganze?

Ja – und wer diese ganze Geschichte nun für reine Satire hält – der hat zweifellos Recht damit. Wer aber denkt, so etwas wäre außerhalb  des jemals Denk-, Mach- und Erlebbaren in unserem Lande, der sollte sich einmal das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 21.10. 2014 (BAG Aktenzeichen 9 AZR 956/12) ansehen: Eine Fabrik des bei Alt-Achtundsechzigern ungemein beliebten Schuh­herstellers Birkenstock wollte nun wirklich einmal sozial und echt „arbeitnehmerfreundlich“ sein. Sie entschloss sich dazu, von dem Geld aus der eigenen Firmenkasse Arbeitnehmern kurz vor der Rente noch einmal etwas wirklich Gutes zu tun: denen für zwei Tage im Jahr das Gehalt bezahlen, obwohl sie an eben diesen beiden Tagen nicht arbeiten müssen. Geld also - nach Sozialabgaben und Steuern an den Staat -, was sonst den Anteilseignern zugeflossen oder gar investiert worden wäre – welch gruselige Vorstellung für einen Staat. Aus Dankbarkeit „für nichts“ gezahlt, dass sie so lange bei der Firma ausgehalten haben. Mit 58 Jahren immer noch jeden Morgen um 5 Uhr aufstehen und zur Arbeit gehen, statt Frührente oder Hartz IV zu beziehen. Weil da offensichtlich Menschen mit Herz in Führungspositionen arbeiten. Die eben wissen, dass einem mit 60 Jahren oder älter die Arbeit schon bedeutend schwerer fällt, als noch mit 40! Alles in allem eigentlich ein Fall fürs Bundesverdienstkreuz! Nur einen Schönheitsfehler gibt es dabei: Birkenstock hat den Staat VORHER  nicht um Erlaubnis gefragt, Gutes tun zu dürfen. Und das wäre den Manager dort beinahe zum Verhängnis geworden!

Zwar haben der Staat und die Gutmenschen in der Tat noch immer kein Verbandsklagerecht, aber etwas viel Besseres: Gewerkschaften und Betriebsräte in dem Unternehmen, die eine der Ursünden der Menschheit ständig am Köcheln hält. Eine so schlechte und (selbst)zerstörerische Charaktereigenschaft, dass sie der katholischen Kirche sehr zu Recht als eine „Todsünde“ gilt: Den Neid oder auch die Missgunst genannt!

Statt nun froh zu sein über den Segen für ihre älteren Arbeitnehmer und Schutzbefohlenen, fiel diesen „Arbeitnehmervertretern“ nur ein trotziges „… ja - und warum die und wir nicht?“ ein. Und so klagten einige jüngere Arbeitnehmer darauf, dass nicht nur die über 58-Jährigen, sondern auch die 20-Jährigen diese zwei Tage „Frührentner-Urlaub“ bekommen. Frei nach dem Motto: Stillpause auch für werdende Väter!

Und ich schwör’s: nur um die ganz knappe Breite einer Spinnenfadens hätten die Kläger auch fast noch Recht bekommen! Kai – aber knapp! Und das Gericht hat doch tatsächlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es in einem anderen Fall auch ganz anders urteilen würde.

Im Öffentlichen Dienst – wo es ja bekanntlich nur das Geld der Steuerzahler kostet – hat es das in der Vergangenheit auch bereits getan! (BAG, 20.03.2012 - 9 AZR 529/10) Da bekommen jetzt auch schon die Berufsanfänger tatsächlich die 30 Tage Urlaub, die eigentlich nur für die älteren Angestellten gedacht waren!

Und weit und breit niemand zu sehen, der die alles entscheidende Frage stellt: „Sagst einmal: habt ihr noch alle Latten am Zaun – ihr deutschen Gerichte? Was bildet ihr euch ein? Was maßt ihr euch an? Was glaubt ihr, wer ihr seid - ihr sogenannten ,Staatsdiener‘ – die keiner von uns Bürgern zum ,uns dienen‘ eingestellt hat? Kümmert euch darum, dass Ihr mit dem Geld auskommt, das ihr den Bürgern und Unternehmern wegnehmt und von dem ihr schon in diesem Jahr tönt, dass es auch für das nächste wieder nicht reichen wird. Wie schon in allen Jahren zuvor! Und lasst uns Bürger einfach selbst entscheiden, was wir mit dem Geld anstellen, was ihr uns übrig lasst! Weil: genau das ist persönliche Freiheit! Und nicht das Schwenken von Transparenten und werfen von Steinen auf diversen Demos!“

Ich weiß nicht warum: als ich von diesem „Urteil“ las, fiel mir spontan das Neue Testament ein. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg! Wer es nicht mehr genau in Erinnerung hat, hier die Kurzfassung: Der Besitzer einer Weinberges (im Gleichnis wird später klar, das in Wirklichkeit Gott, der Herr selbst gemeint ist) geht ganz früh am Morgen auf den „Arbeitsmarkt“, um Tagelöhner für die Weinernte anzuwerben. Er wird mit zwei Dutzend handelseinig: Für einen Dinar Tageslohn sind sie bereit, bis zum Sonnenuntergang in seinem Weinberg zu arbeiten. Im Laufe des Tages wird dem Herrn aber klar, dass er zu wenig Arbeiter angeworben hat. Deshalb geht er noch vier weitere Male auf den Markt, um Arbeitskräfte nachzuordern. Im Gegensatz zu denen vom frühen Morgen macht er mit den später Angeworbenen keinen konkreten Lohn aus. Er sagt nur, er würde zahlen „wie es sich gehört“. Damit sind die Arbeiter auch einverstanden. Die letzten Tagelöhner engagiert er gegen 18:00 Uhr am Abend. Als nun gegen 22:00 Uhr die Sonnen untergeht, zahlt er alle aus. Er beginnt mit denen, die er erst am Abend geholt hat und gibt einem jeden von Ihnen einen Dinar. Dann gibt er denen Geld, die er im Laufe des Tages nachgeholt hatte: ebenfalls eine Dinar! Und auch denen, die er morgens um 4:00 Uhr als erste einstellte, gibt er einen Dinar – wie es mit Ihnen vereinbart war.

An dieser Stelle aber scheint Jesus, der dieses Gleichnis erzählt, schon eine Ahnung zu kommen, dass sich 2.000 Jahre später eine auf Neid und Missgunst fußende Ideologie entwickeln würde. Sozialismus genannt oder auch: Gleichmacher- und Gleichteilerei ohne Anerkennung einmal geschlossener Verträge und gesundem Menschenverstand. Aus einem diffusen Gefühl heraus – einer Mischung aus moralischer Hartleibigkeit und einem verblasenem vermeintlich (sozialem?) Gerechtigkeitssinn - beginnen alle die zu murren und aufzubegehren, die früher als 18:00 Uhr Ihre Arbeit aufgenommen hatten: Sie hätte ja schließlich 16 Stunden und länger auf dem Weinberg gearbeitet! Und wenn nun welche, die nur 4 Stunden gearbeitet haben, schon einen ganzen Dinar bekamen, so mussten sie, die Zuerstgekommenen doch rein rechnerisch 4 Dinar bekommen. Mindestens! In dem Gleichnis ist das Urteil Gottes ebenso knapp wie logisch und nachvollziehbar. Er sagt sinngemäß den Unzufriedenen: „Habt ihr nicht bekommen, wie es zwischen uns vereinbart war? Wer glaubt ihr zu sein, wenn ihr mich darüber belehren wollt, wie ich mit meinem ganz persönlichen Eigentum verfahre – wem ich wie viel davon gebe!“ Und jagt die ganze lamentierende und keifende Meute von dannen. Das alles war – wohlbemerkt – bevor es ein Bundesarbeitsgericht (BAG) gab!

Was glauben Sie nun: wie würde das BAG heute den Fall entschieden haben? Ja genau, ich fürchte, Sie haben Recht …

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Kim

Ich habe seit einiger Zeit kaum einen so gelungenen Artikel wie diesen über Missgunst und Neiddebatte gelesen.

Gravatar: Theofan

Immer wieder spannend, dieser Kampf der Grundrechte mit den christlichen Werten... Allerdings hinken Ihre beiden Vergleiche und konstruieren den Gegensatz dort, wo er nicht ist.
Die Tariffreiheit des Weinbergbesitzers ist genauso grundgesetzlich garantiert, wie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters. Mit ein bisschen Nachdenken hätte man bei Birkenstock diese Klippe umschiffen können, siehe öffentlicher Dienst:
Da heißen in der Gehaltstabelle die "Altersstufen" nunmehr "Erfahrungsstufen", und alle sind zufrieden.
Schließlich ehren auch wir Christen die Alten nicht alle gleich, sondern nach ihrer errungenen Weisheit und Lebenserfahrung durchaus individuell verschieden.

Gravatar: Jana

Toller Artikel, Herr Hentschel. Herzlichen Dank!

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