“Das Böse” und was es darüber alles zu wissen gibt

“Das Böse” klingt nicht gerade nach einem erbaulichen Tagungsthema … und war dank der Referenten doch zumindest erhellend!

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In meiner “Wochenendlektüre” hatte ich es schon angedeutet, dass ich am Samstag Gasthörer beim Frühjahrskonvent des OMCT-Tempelritterordens in Bad Honnef sein würde. Tagungsthema der Veranstaltung, an der ich leider nur am Samstag und auch nicht vollständig teilnehmen konnte war “Das Böse und der Böse: Versuchung – Sünde – Schuld – Vergebung – Vorbeugung”. Die Themenstellung fand ich nicht nur interessant sondern auch mutig in einer Welt, in der man unter Sünde nur noch ein Sahneeis und unter dem Bösen höchstens noch Adolf Hitler versteht – wie es auch einer der Referenten wiedergab: “Die meisten glauben ‘Die Hölle gibt es nicht, aber Hitler ist drin!'”

Und in der Tat war die Veranstaltung keine im üblichen Sinne leichte, wenn es auch die Referenten verstanden haben, ihre Sichtweise klar rüberzubringen und es auch an der einen oder anderen humorvollen Komponente nicht gefehlt hat. Dennoch – nachdenklich geht man aus einer solchen Tagung doch hinaus.

Einen bösen Menschen gibt es nicht

Der erste Vortrag ging auch direkt in die Vollen, und ich war ein bisschen froh, nicht schon am Vorabend angereist und stattdessen gut ausgeschlafen in Bad Honnef angekommen zu sein. “Gut und Böse aus der Perspektive der Philosophie” war das Thema, Prof. Dr. Armin Wildfeuer der hochkarätige Referent, und wie man sich denken kann: Es kam schwere Kost! Dabei muss man Prof. Wildfeuer danken, dass der das Thema, trotz notwendiger philosophischer, theoretischer Grundlagen, verständlich aufbereitet hat. Das eine oder andere mal hätte ich gerne noch mal nachgelesen, aber grundsätzlich waren seine Einlassungen zu dem Thema schon verständlich.

Dass seine Sichten teils verwirrend waren, wurde auch am Ende deutlich und auch – nach eigenen Worten – beabsichtigt: “Wenn Sie jetzt alle gesagt hätten, jetzt sei alles klar, jetzt wissen wir, was das Böse ist, dann hätte ich was falsch gemacht” war die Antwort auf die Reaktionen, wie die, dass man sich vorher noch im Klaren darüber gewesen sei, was “grün” bedeutet und man jetzt unsicher wäre, ob grün überhaupt eine Farbe ist.

Den Vortrag hier in Gänze wiederzugeben würde mir also nicht gelingen, dennoch war es sicher wichtig herauszustellen, dass die Einschätzung einer Handlung als “böse” an verschiedenen Perspektiven hängt: “Etwas gilt für jemanden als etwaswegen etwas.” – Das sind letztlich vier Ausprägungen, die deutlich machen, wie schwer es sein wird, irgendetwas ganz allgemeingültig als “böse” einzuschätzen.

Und auch einer der Kernsätze zum Schluss des Vortrags widerstrebt einen ab und zu, vor allem auch im Hinblick auf die vielen Grausamkeiten in der Welt: Kein Mensch ist nur böse! Denn dieses rein böse, so Prof. Wildfeuer, würde den freien Willen einschränken, womit wiederum die Unterscheidung zwischen gut und böse keinen Sinn mehr ergäbe. Alles Dinge, die einem nicht direkt eingängig sind, aber dem Professor ist zu danken, zum Nachdenken angeregt zu haben.

Die Hölle verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Eine ganz andere Sicht präsentierte Prof. em. Josef Isensee, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, der sich des Themas von juristischer Seite annahm. “Die Eindämmung des Bösen als Staatsaufgabe” war Titel seines Vortrages und man mochte am Ende doch ein Fragezeichen daran machen. Denn ist es wirklich Aufgabe des Staates, das Böse einzudämmen, oder stehen gesetzliche Normen nicht außerhalb moralischer Bewertungen?

Insbesondere der Einstieg in das Thema war aber – wer hätte das bei einem Juristen gedacht – leichtgängig. Prof. Isensee machte deutlich, wie es zum Beispiel einer säkularen Welt, die an das Jenseits nicht mehr glaubt und den Tod aus der Mitte verbannt, schwer fallen muss, finale Strafen wie die Todesstrafe oder auch nur (wirklich) lebenslängliche Haftstrafen zu vergeben. Aus dieser Sicht und aus dem Umstand, dass Schuld heute zu “erklären” versucht wird mit einer harten Kindheit oder besonderen Umständen, ergibt sich auch eine Schwierigkeit der Welt mit Begriffen wie der Hölle, als der endgültigen Abwendung von Gott. “Nach diesem Rechtsverständnis”, so Prof. Isensee “verstößt die Hölle gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit”.

Wesentlich und für mich als Liberalen durchaus interessant war die Einschätzung, dass alle staatlichen Gesetze letztlich der Sicherung der Freiheit der Menschen von staatlicher oder anderer Gewalt dienen müsse, nicht mehr aber auch nicht weniger. Gesetze hätten damit nicht die Zielsetzung der “sittlichen Besserung” der Menschen. Darüber kann man natürlich durchaus streiten, vor allem, wenn dann beispielsweise über den Einfluss des “Staates” auf das Schulwesen versucht wird, eben doch in die sittliche Entwicklung junger Menschen einzugreifen und dann wiederum – man blicke auf Baden Württemberg – die Frage erlaubt sein muss, wieso es ausgerechnet der Staat sein soll, der hier durch die “besseren” Menschen vertreten sein soll.

Dem ist jedoch – das hat mir meine diesbezügliche Rückfrage gezeigt – innerhalb des Staatsrechts nicht beizukommen, das tatsächlich, in der Form ähnlich der Kirche, zwischen Amt und Person unterscheidet. Was ich aus kirchlicher Sicht noch nachvollziehen kann – ein Priester kann die Sakramente gültig erteilen, auch wenn er selbst sündhaft lebt – erscheint mir im innerweltlichen doch deutlich problematischer. Die Frage, die für mich am Ende unbeantwortet bleibt – dafür war das Thema aber auch nicht gemacht – ist, ob es unbedingt ein “Staat”, also ein politisches Monopol und sei es demokratisch legitimiert, sein muss, der einen Rechtsrahmen setzt.

“Mich hat er geliebt, für mich hat er sich hingegeben”

Mit diesem Paulus-Zitat ist ein wesentlicher Inhalt des Vortrags von Weihbischof em. Dr. Klaus Dick wiedergegeben, der allerdings einen gänzlich anderen Ansatz zum Zugang der Unterscheidung von Gut und Böse lieferte. Er argumentiert, als Priester und Seelsorger, aus dem Glauben heraus. Ob es das Böse oder Den Bösen gibt, ist für den Gläubigen keine Frage, es wird in der Bibel als Tatsache dargestellt, ist insofern Teil der Glaubenswahrheit und nicht mehr zu hinterfragen.

Damit einher geht für den gläubigen Menschen, vor allem auch dem Katholiken, die Einschätzung des Vorrangs des Gewissens. Für den Gläubigen muss “Gewissensrelevanz” haben, was die Kirche lehrt. Gebote und Verbote, die nicht bekannt sind, können kaum gewissensrelevant werden, wer aber weiß, dass die Kirche den Ehebruch als Sünde bewertet, kann sich fortan nicht mehr auf sein Gewissen berufen.

Erleichternd, wenn auch nicht in dem Sinne, dass einem die eigene Unwürdigkeit vor Gott nicht bewusst bleiben müsste, ist sicher die Erlösung, die Christus uns bereits von der Sünde erlöst hat. “Das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt” ist also eine Formulierung, die uns froh stimmen kann. Dennoch sollten wir auch Christus ernst nehmen, wenn er vom schmalen Pfad und der engen Tür spricht – “nicht um bange zu machen, aber um den Ernst der Lage klar zu machen” hat Jesus diese Dinge gesagt.

Um Ernsthaftigkeit geht es auch bei der Einschätzung, ob bestimmte Sünden vielleicht zu vernachlässigen seien. Die Erklärung des Weihbischofs ließen aufhorchen: Gott ist die Liebe, und für einen Liebenden gibt es keine Kleinigkeiten! Man kann das vergleichen, wenn man selbst in einen Menschen verliebt ist und dann alles über ihn wissen will, sich immer mehr für ihn interessiert, je mehr man ihn liebt. Wie kann Gott dann irgendetwas in unserem Leben als Kleinigkeit sehen?

Interessant in dem Zusammenhang auch der Umgang mit Fragen potenzieller Änderungen in der Lehre der Kirche. Wie soll man Menschen klar machen, dass Dinge, die bislang als wesentlich galten und an denen viele Gläubige ihr Leben ausgerichtet haben – zum Beispiel das Fastengebot am Freitag – plötzlich keine Relevanz mehr hätten. Anrührend dazu auch das Beispiel, zugegeben weniger relevant für das Thema “Das Böse”, von einer schwerkranken Frau, die dem Bischof gestanden habe, sie könne nicht mehr beten, denn bisher habe es doch immer geheißen “zu uns komme dein Reich” und jetzt solle es heißen “dein Reich komme”. – “Wer darüber lacht, der denkt nicht christlich”, so der Weihbischof. Mit diesem kleinen Ausflug ist sicher auch einiges gesagt zu den Tendenzen unter deutschen Bischöfen, die Lebenswirklichkeit zum Maßstab der Lehre zu machen (der Weihbischof hat sich in diesem Zusammenhang noch deutlicher geäußert, was ich hier aber, um nicht Öl ins Feuer zu gießen, nicht wiedergeben möchte).

Anschließend nach diesem Vortrag musste ich leider schon wieder los, sodass ich den Vortrag von Pfr. Dr. Dominik Meiering zum Thema “Darstellung des Bösen in der christlichen Kunst” leider nicht mehr verfolgen konnte. Ich bin sicher, auch das wird ein interessanter Vortrag gewesen sein.

Mit den obigen Worten habe ich sicher nur einen Bruchteil dessen wiedergegeben, was ich in den gut fünf Stunden Vortrag gehört habe, und ich bin nicht mal sicher, ob es das Wichtigste war, was die Referenten wiedergeben wollten. Was ich mit alldem aber hoffentlich zum Ausdruck bringen konnte: Die Beschäftigung mit dem Bösen, ob als Bewertung oder als Subjekt, liegt vielfach, auch bei mir, verschüttet da. Und doch ist das Böse allgegenwärtig, auch wenn es euphemistisch als Übel oder pathologisiert dargestellt wird. Wir als Christen haben die Bibel, die uns die Wahrheit lehrt, als Katholiken das Lehramt, das uns leiten sollte. Und Gott nimmt auch das Böse ernst – nicht in dem Sinne des Kontrolleurs sondern des Vaters, der seine Kinder vom Bösen erlösen möchte, eigentlich schon erlöst hat.

War das am Samstag schwere Kost? Ja sicher, aber lohnend, und zur Fastenzeit vielleicht besonders gut passend. Ich bin jedenfalls dankbar, dass ich dabei sein durfte und danke neben den Organisatoren besonders den Referenten für viele Hinweise, die man nicht jeden Tag hört.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

 

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