Darfs auch etwas mehr sein?

Dass Politik nicht immer Spaß macht, war mir von vornherein klar. Aber das, was sich im Moment in der Bundespolitik abspielt, ist nun wirklich nicht mehr zu verstehen, geschweige denn zu vermitteln.

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Beinahe im Stundentakt werden von den Mitgliedern der Regierungsfraktionen neue Ideen für mehr Staatseinnahmen über die Medien, die diese Vorschläge dann auch dankbar aufgreifen, kommuniziert: Erhöhung der Tabaksteuer, LKW-Maut auch auf Bundesstrassen, Flugticketabgabe, Brennelementesteuer, … – teilweise Bezeichnungen, bei denen mein Rechtschreibprogramm sofort einschreitet während ich diesen Artikel schreibe. Und jetzt kommt unser Finanzminister auch noch mit der Erhöhung des Solidaritätszuschlages auf 8% um die Ecke. Die Kreativität beim Erfinden neuer Einnahmequellen scheint schier unbegrenzt! Frei nach dem Motto “Darf´s noch etwas mehr sein?”. Ich wünschte mir eine solche Kreativität eher beim Sparen. Denn eins ist klar: Der Staat hat kein Einnahmeproblem sondern ein ernstes Ausgabenproblem.

Doch Sparen ist unpopulär. So scheint bisher nur ein Ressortchef innerhalb der Bundesregierung einen echten Sparwillen zu haben: Verteidigungsminister zu Guttenberg. Dieser lässt zur Zeit in seinem Ministerium Einsparmöglichkeiten erarbeiten – ohne Denkverbote. An und für sich ein guter Ansatz. Doch scheinbar zu gut für die Kanzlerin. Sie ließ über die Medien wissen, dass die durch zu Guttenberg angedachte Aussetzung der Wehrpflicht nicht zur Debatte steht und erteilte ihrerseits das Denkverbot.

Die Vorschläge von Minister Rösler zur Gesundheitsreform wurden noch am gleichen Tag von der CSU “rundweg” abgelehnt. Ein untrügliches Zeichen für mich, dass sich die Christsozialen nicht sonderlich detailliert damit beschäftigt haben. Gegenvorschläge, die eine konstruktive Mitarbeit und einen Willen zum gemeinsamen Erfolg vermuten lassen, Fehlanzeige!

Finanzminister Schäuble regt öffentlich die Erhöhung des Solidaritätszuschlages von 5,5% auf 8% an. Prompt wird dieser Vorschlag innerhalb weniger Stunden durch die Parteichefs von FDP und CSU kassiert, ebenfalls öffentlich.

Man wird den Eindruck einfach nicht los, dass die Regierungsparteien nur noch über die Medien kommunizieren. Der Eine prescht mit einem Vorschlag vor, um unmittelbar danach vom Anderen abgelehnt zu werden. Nein, das öffentliche Bild dieser Bundesregierung ist wirklich ein Desaster! Eine gemeinsame Linie ist nicht erkennbar. Dass nach der so genannten “Schuldenklausur” Ruhe einkehrt, darf getrost bezweifelt werden. Doch diese Klausur ist die letzte Chance der Bundesregierung, verlorenes Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Und wenn nicht, vielleicht tritt ja dann mal das Volk von der Regierung zurück. Rücktritte sind ja derzeit eh in Mode!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Paul Meier

So ein Quatsch! Wir als Ärzte sind keine Gesundheitspolizisten und lassen uns auch nicht als solche mißbrauchen! Ich werde keine persönlichen Daten weitergeben. Da ist unsere Freiheit massiv bedroht!

Gravatar: Friedemann

Es wäre zu hoffen dass wirkliche Fachleute die Fachressorts leiten, dann würden nicht zu Ende gedachte Gedankenexperimente, häufig überfrachtet von ideologischem Ballast, nicht ständig auf dem öffentlichen Markt feilgeboten werden. Allein das unsinnige Krippenprojekt ließe sich mit einem Einsparvolumen im zweistelligen Milliardenbereich entschärfen, wenn dem schwedischen Modell gefolgt würde und Eltern, die ihr Kind bis zu 3 Jahren zu Hause betreuen, ein Elterngeld von 300 Euro gezahlt würde. Pro nicht benötigtem Krippenplatz mäßiger Qualität (bei einem Betreuungsschlüssel von 1 zu 6 mit etwa 1000 Euro Steuermitteln subventioniert) würde das monatlich 700 Euro einsparen, auf die geplanten ca. 700.000 neuen Krippenplätze bezogen wären das ca. 6 Milliarden Euro jährlich. Aber bei diesem Betrag handelt es sich um eine weitgehend unsichere Schätzung, schließlich sollen möglichst alle, nicht nur ein Drittel der Bevölkerung, ihre Kinder in Krippen betreuen lassen und bei einem Rechtsanspruch muss man auch davon ausgehen, dass alle das Angebot wie Freibier nutzen. Dann ließen sich stolze 18 Milliarden Euro einsparen. Durch die Verwirklichung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten horizontalen Steuergerechtigkeit für Familien ließe sich deren Lage ebenfalls kostenneutral verbessern, ein Anreiz für mehr Kinder und damit mehr Binnennachfrage bei gleichzeitiger besserer Sicherung der Frage der Steuerzahler der Zukunft.

Das Gesundheitssystem könnte mit weniger oder ohne Steuerzuschüsse sozial gerecht und mit höherer Effizienz durch die Einführung eines Verhaltensbezogenen Gesundheitsbeitrages anstelle des unsinnigen Röslerschen Prämienmodells ergänzt werden. Raucher, Trinker, Übergewichtige, Risikosportler usw. würden danach einen ihrem persönlichen und selbstverschuldeten erhöhten Verhaltensrisiko entsprechenden Zusatzbeitrag zahlen. Durch eine jährliche Vorsorgeuntersuchung bei einem zugelassenen Arzt des Vertrauens, selbstverständlich einem Gesundheitsbewussten integren Vorbild, könnte der Zusatzbeitrag im Rahmen der Gesundheitsprophylaxe ermittelt werden. Die zu erwartenden Mehreinnahmen wären gleichzeitig mit einem verbesserten Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung und einer damit gekoppelten Erhöhung der Leistungsfähigkeit verbunden.

Die Beispiele ließen sich beliebig fortführen und bei einigermaßen gesundem Menschenverstand und ausreichender Sachkenntnis der Politiker auch realisieren.

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