"Danke für die Info und herzliche Grüße"

Wenn konservativ zu sein bedeutet, den gesellschaftlichen Wert von Institutionen zu kennen, dann war es für Konservative keine gute Woche. Erst verließ der Bundespräsident fluchtartig sein Amt (die Gründe hierfür sind allerdings komplizierter als allgemein angenommen); dann einigte sich die Koalitionsspitze binnen vier Tagen auf Christian Wulff als Nachfolger.

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Keine Frage, es gibt gute Gründe für eine Nominierung des niedersächsischen Ministerpräsidenten: Er hat ein sympathisches Lächeln, er kann sehr schön zu einem Mikrofon schreiten, was gerade in dem Amt, das er nun anstrebt, von Vorteil ist; seine Frau präsentiert sich, nach allem was man weiß, gerne in Gesellschaft, und der Mann aus Hannover ist im Gegensatz zu Leuten wie Roland Koch noch nie durch rüde Auftritte aufgefallen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Zeit drängte: Die Kanzlerin wollte schnell einen Nachfolger für den verschwundenen Horst Köhler benennen, um einem weiteren Vertrauensverlust der Bürger in ihre Repräsentaten zu begegnen.

Das Problem ist nur: Es hätte einen Kandidaten gegeben, dessen Nominierung gezeigt hätte, dass die Partei der Einheit mehr von dem Lebensweg eines Mannes beeindruckt ist, der auch unter den widrigsten Bedingungen für die Demokratie gekämpft hat, als von jemandem, der schon als JU-Mitglied auf die Welt gekommen ist. Dieser Kandidat wäre auch zu haben gewesen, sogar mit der SPD.

Am Mittwoch vergangener Woche schrieb der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel an die Bundeskanzlerin eine SMS, in der er ihr seine Unterstützung für den Bürgerrechtler Joachim Gauck anbot: "Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich habe Verständnis für die notwendigen Zeitabläufe zur Vorbereitung einer Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten. Für den Fall, dass die Meinungsbildung über einen Personalvorschlag innerhalb der Koalition noch nicht abgeschlossen sein sollte, möchte ich Ihnen aber auch einen Namen nennen, bei dem eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für eine Zustimmung der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/die Grünen bestünde: Joachim Gauck. Für einen solchen Personalvorschlag kann ich auch im Namen von Herrn Steinmeier, Frau Künast und Herrn Trittin die Unterstützung von SPD und Bündnis 90/die Grünen anbieten."

Die Anwort Merkels lautete: "Danke für die Info und herzliche Grüße AM". So ist es im neuen "Spiegel" nachzulesen.

Jetzt geht Rot-Grün mit dem Kandidaten in die Wahl, der nicht nur nach Meinung vieler FDP- und Unionsanhänger genau der richtige Mann für das bürgerliche Lager wäre. Die Bundeskanzlerin selber hat ihm ein Charakterzeugnis ausgestellt, das ihn als den perfekten Kandidaten erscheinen lässt. Vor wenigen Wochen erst hat sie eine Laudatio auf ihn gehalten, zum 70. Geburtstag. Gauck sei "Bürgerrechtler, politischer Aufklärer und Freiheitsdenker", hat sie ihn gerühmt, "ein Versöhner und Einheitsstifter in unserem jetzt gemeinsamen Land", "ein herausragender Redner", "ein richtiger Demokratielehrer".

Man kann Angela Merkel noch nicht einmal den Vorwurf machen, sie habe die Interessen der Partei vor die des Landes gestellt. Sie hat allein ihre eigenen Interessen im Blick gehabt, und die sind, im Schloss Bellevue jemanden zu installieren, der nicht weiter auffällt, jedenfalls ihr nicht in die Quere kommt. Wenn Sie eines hasst, dann sind es Leute, die in ihre Richtung Noten verteilen. Deshalb Wulff, der in seinem Leben schon so viele Positionen vertreten hat, dass man nicht genau sagen kann, wo er eigentlich steht. Jetzt muss sich zeigen, ob die Bürger sich gefallen lassen wollen, dass der Schwiegersohn aus Niedersachsen und nicht der Freiheitskämpfer aus Mecklenburg auf den Posten des Staatsoberhaupts gehievt wird.

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