Blind für die eigene Erbärmlichkeit

Erst kommen die „jecken Tage“, dann beginnt sie wieder, die Fastenzeit. Am Aschermittwoch, nach Lehre der Kirche ein ausgewiesener Abstinenztag, noch ein gediegenes Fischessen. Ist doch Tradition – und Fisch muss ja bekanntlich in Alkohol schwimmen. Dann beginnt das Heilfasten in der Pfarrei oder Akademie zur Entschlackung des Körpers. Ganz im Trend: Weihnachten und Ostern, Allerheiligen (Halloween) und Christi Himmelfahrt (Vatertag) haben es bereits hinter sich, verstärkt müht man sich nun, die Fastenzeit von Sinn und Inhalt zu befreien.

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Der Sinn der Fastenzeit lässt sich kurz erklären: Umkehr, Opfer, Beichte. Umkehr wovon? Von der Sünde. Für manchen ist das wie ein Schlag ins Gesicht. Drohbotschaftsvokabular. Ich, Sünder? Ich, heilsbedürftig? Na ja, perfekt sind wir alle nicht. Aber ich bringe keinen um, ich stehle nicht. Gott ist doch nicht so kleinkariert, wie uns so manche Kirchenvertreter weismachen wollen. Todsünde, Sündenstrafen, Beichte. Mittelalter. Ohne mich loben zu wollen: Alles in allem bin ich eigentlich ganz zufrieden mit mir.

 

Achtung vor Moslems

 

Leider ist der Mensch stets versucht, seine Schuld vor sich selbst zu minimieren oder zu leugnen. Ja, manch einer ist gar blind geworden für die eigene „Erbärmlichkeit“. In einer Art geistiger Anästhesie schlummert das Gewissen vieler gleichsam wie im Koma dahin. Einer der großen Fehler der Gläubigen unserer Tage bestehe darin, so sagte Papst Benedikt einst als Kardinal Ratzinger, „sich mit der Sünde wohl zu fühlen“. So werde „das Herz von Blindheit geschlagen, hört auf, Gott zu suchen, sucht die Gnade nicht und verspürt keinerlei Reuegefühle mehr“.

 

Umkehr ist also der Kern der Fastenzeit. Aber wieso ist es notwendig, Verzicht zu üben, zu fasten, sich freiwillig Opfer zuzumuten, um Umkehr zu erreichen? Viele, die möglicherweise großen Respekt haben vor Moslems, die den Ramadan ernst nehmen, lächeln oder protestieren, wenn die Kirche uns aufruft, Verzicht zu üben. Es heißt dann gleich: Die Kirche sei leib- und genussfeindlich. Doch mutet ein solcher Vorwurf seltsam an. Es gilt als völlig normal, wenn man Torturen auf sich nimmt, um ein paar Kilo abzunehmen; wenn man sich schmerzhaften Behandlungen unterwirft, um besser auszusehen, wenn man sich quält, um ein noch besserer Sportler zu werden. Geht es um Gesundheit und Schönheit, so ist man fast zu jedem – auch körperlichen – Opfer bereit. Doch geht es um die Liebe zu Gott und um die innere Gesundheit, das Heil der Seele, so höhnt man oder empfindet Abneigung.

 

Auch Christus hat gefastet

 

Eines ist klar: Christus selbst hat hart gefastet, vierzig Tage in der Wüste. Er hat uns erlöst durch Leid und Schmerz, am Kreuz, nicht durch Reden oder im Whirlpool. Das Leid hat im Christentum ebenso seinen Platz wie die Freude. Vor Ostern steht Karfreitag. Ebenso klar ist auch: Es geht nicht um das Opfer an sich, es geht um das Motiv.

 

Was aber bedeutet das körperliche Opfer, der Verzicht, das Fasten für die Umkehr? Unser ganzes Sein hellhörig machen, in die Lage versetzen, die Stimme Gottes zu hören. Am eindrucksvollsten wird das deutlich im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Diese Geschichte erzählt der Sohn Gottes selbst. Der jüngere Sohn eines wohlhabenden Vaters ist den Verlockungen einer illusorischen Freiheit erlegen. Er verlässt das Vaterhaus mit seinem Erbteil. Dann lebt er in Saus und Braus. Der Vater und sein Zuhause sind vergessen. Bald ist sein ganzes Vermögen verschleudert. Schnell fällt der Sohn ins tiefste Elend. Schweine hüten muss er nun, um sich am Leben zu halten. Dann seine Erkenntnis, seine Reue und sein Entschluss, sich vor dem Vater schuldig zu bekennen; der Rückweg; die großherzige und freudige Aufnahme durch den Vater; das alles sind Züge dieser wunderschönen Umkehr.

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Hallo,
Religion sollte sich aus der Medizin heraushalten.
Religion versteht von der modernen Medizin Null.
Fasten ist nur in Ausnahmesituationen der Gesundheit förderlich.
Grüße
Freigeist

Gravatar: Schulze

Die Praxis des Ramadans, bei der solange es hell ist nicht getrunken, wird, ist gesundheitsschädlicher Irrsinn.

Gravatar: Freigeist

Hallo,
Freiheit ist nicht illusorisch. Sie bahnt sich Tag für Tag ihren Weg. Es soll auch schon Leute geben, die frei von Gottesvorstellungen sind.
Grüße
Freigeist

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