Berichterstattung: Viel Sarah Palin, wenig Inge Viett

Dass Sarah Palin Wahlkreise politischer Gegner mit Fadenkreuzen markierte, war schon eine Geschmacklosigkeit.  Dass sie so die blutige Tat eines 22-Jährigen, der am Samstag sechs  Menschen ermordete

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und die demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords lebensgefährlich verletzte ausgelöst hat, scheint indes unwahrscheinlich.  Denn der Täter war das, was man landläufig einen „Irren“ nennt.  „Nachbarn beschrieben ihn als Einzelgänger, Freunde gar als emotionalen Krüppel, der phasenweise stark trank und Marihuana rauchte. Einmal sei er beinahe an einer Alkoholvergiftung gestorben, sagte ein Freund. L. habe sich immer mehr zurückgezogen, über keinerlei soziale Intelligenz verfügt, dafür aber über akademisches Wissen. Im Unterricht habe er immer an den unpassendsten Stellen gelacht, besonders Mädchen hätten sich in seiner Gegenwart unwohl gefühlt. Von dem College, das er 2005 besuchte, war er suspendiert worden, nachdem er auf YouTube erklärte hatte, dass College sei verfassungswidrig“ so seine Charakterisierung im „Focus“.  L. versuchte auch, in die US.Armee einzutreten, wurde aber nicht genommen.   Im Internet verbreitete er außerdem ausgesprochen wirre Ansichten zu Themen wie Gedankenkontrolle und Grammatik.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass L. eine Verbindung zu der als „Tea Party“ bekannten Bewegung, zu der unter anderem Sarah Palin gehört, gehabt hätte.  Er hat sich auch nicht auf die Tea Party berufen und selbst wenn er dies getan hätte, wäre das angesichts seiner offensichtlichen Geisteskrankheit bedeutungslos.  Ein Mensch in so einem im Grunde bemitleidenswerten und behandlungsbedürftigen Zustand könnte sich ebenso gut auf Geisterstimmen in seinem Kopf berufen.  Trotzdem haben sich nicht wenige, Journalisten reichlich Mühe gegeben, die Bluttat mit Sarah Palin und der Tea Party in Verbindung zu bringen: Zum Beispiel hier, hier, hier, hier und hier.

Die Medienaufmerksamkeit für die Ereignisse auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin halten sich hingegen in engen Grenzen.  Zwar haben einige Springer-Publikationen und die „taz“ darüber berichtet, dass die ehemalige RAF-Terroristin dort zum „Abfackeln von Bundeswehrmaterial“ und zur "Aufbau einer revolutionären kommunistischen Organisation mit geheimen Strukturen" aufgerufen hat, Nachrichten über die gewaltsame Attacke linksradikaler Aktivisten auf ehemalige DDR-Häftlinge sind aber nur mit Mühe zu finden.

Natürlich ist diese Attacke nicht mit dem Blutbad von Arizona zu vergleichen, aber in politischer Hinsicht sind die Gewaltaufrufe von Viett und die Ereignisse um die Konferenz herum sogar schwerwiegender als die in den USA.  Denn Viett und ihre Genossen sind keine Irren im landläufigen Sinn.  Sie handeln berechnend, in der Absicht, ihre Ziele durchzusetzen und zumindest in jüngeren Jahren ist Frau Viett da auch vor Mord und Entführung nicht zurückgeschreckt.  Sie ist keine „verwirrte Einzeltäterin“, sondern verfügt bereits jetzt über nicht zu unterschätzende Strukturen.  So wird die Konferenz, auf der sie sprechen durfte, von der Zeitung „junge Welt“ organisiert, deren Printauflage ca. 50.000 Leser erreicht.  Verbindungen zur Linkspartei, einer der größten Parteien in der Bundesrepublik und Teil der Berliner Landesregierung, müssen nicht umständlich konstruiert werden, sondern sind offensichtlich:  Linkspartei-Chefin sprach vor Inge Viett auf der selben Konferenz.   Sicher wird auch manchem Angehörigen der Linkspartei angesichts des Tenors dieser Konferenz unwohl sein und wahrscheinlich wird Frau Viett für ihren radikalen politischen Forderungen wenig Zustimmung erhalten.  Ihre Gewaltaufrufe, die sie schon einmal in die Tat umgesetzt hat, sollte man aber lieber ernst nehmen.

ebenfalls erschienen auf "kingofblog.de"

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