Beim nächsten Mal muss das Volk entscheiden!

Die Bestimmung des Staatsoberhaupts wird immer mehr zu einem Spektakel von wenigen Politikern, dem die Bürger nur zuschauen dürfen. Wer wäre besser geeignet als Gauck, sich für eine Direktwahl einzusetzen.

Veröffentlicht:
von

Kürzlich meinte Finanzminister Wolfgang Schäuble, dass der Präsident der zukünftigen Vereinigten Staaten von Europa vom Volk gewählt werden müsse. Jetzt gehen wir mal davon aus, dass er das ernst meinte und nicht mit einer weiteren Nebelkerze vom angerichteten Euro-Chaos ablenken wollte. Da stellt sich zunächst die Frage, wie in der EU, in der mit 23 Sprachen gesprochen werden, überhaupt ein Wahlkampf organisiert werden kann. 

Wenn ein Schwergewicht wie Wolfgang Schäuble trotz dieser offensichtlichen Hürden für Europa einen solchen Vorschlag macht, müsste dann die CDU nicht erst einmal die Frage beantworten, warum die Deutschen nicht einmal ihr eigenes Staatsoberhaupt wählen dürfen?

Wenn CSU-Chef Horst Seehofer jetzt fordert, das deutsche Volk solle in Zukunft über einzelne Euro-Rettungspakete abstimmen, müsste sich die CSU dann nicht schon längst zur Direktwahl des Bundespräsidenten bekannt haben?

Wenn sich der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt dafür einsetzt, den Bundespräsident zukünftig vom Volk wählen zu lassen, wäre das nicht eine Forderung, mit der sich die FDP profilieren und damit vom demoskopischen Abgrund entfernen könnte?

Dass es keine Demokratie auf der Welt gibt, in der die Macht der Parteien so ausgeprägt ist wie in unserer, wird von kaum einem Politikwissenschaftler bestritten. In der Tat sieht das Grundgesetz vor, dass die Parteien an der Willensbildung mitwirken sollen. Aber schon vor Jahren hat Altbundespräsident von Weizsäcker konstatiert, dass sich bei uns die Parteien die Macht inzwischen unter die Nägel gerissen haben. Im Umkehrschluss heißt das: Es gibt keine Demokratie auf der Welt, in der die Bürger so wenig zu sagen haben wie in Deutschland.

Inzwischen gibt es außerhalb der konstitutionellen Monarchien nur noch wenige Demokratien, in denen dem Volk die Direktwahl ihres Staatsoberhauptes vorenthalten wird. Vor zwei Wochen wurde auch in Tschechien die Verfassung verändert: Der  Nachfolger oder die Nachfolgerin von Präsident Klaus wird zukünftig vom tschechischen Volk gewählt.

Wir bekommen einen Anwalt für die Freiheit

Und hier? Erinnern wir uns: Der vorletzte Bundespräsident, Horst Köhler, wurde von Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle in der Wohnung des Letztgenannten ausgekungelt. Für die Bestimmung seines Nachfolgers war nicht mal mehr ein Treffen in einer Wohnung, einem Büro und einem Konferenzraum nötig. Angela Merkel erledigte das am Telefon. Resultat bekannt. Diesmal waren zwar ein paar Gespräche und SMS mehr nötig, da Frau Merkel auch Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin einbeziehen musste.

Auch wenn mit Joachim Gauck, „Ende gut, alles gut“ ist, wird die Bestimmung des Staatsoberhaupts immer mehr zur Farce und einem Spektakel von wenigen Politikern, dem die Bürgerinnen und Bürger nur zuschauen dürfen. Spätestens in drei Wochen werden wir wieder Zeugen einer pathetischen Groteske. 600 Abgeordnete des Bundestages und die gleiche Anzahl von Parteien ausgesuchter „Vertreter des Volkes“ machen sich aus allen Richtungen der Republik auf die Reise, um im  Reichstag den nächsten Bundespräsidenten ohne Aussprache (!) „zu wählen“. Merkel und Gauck nannten das in der DDR „Zettel falten“.

Das Grundgesetz, 1948 innerhalb von zwei Wochen auf Herrenchiemsee unter alliierter Oberaufsicht zustande gekommen, sah die Direktwahl des Bundespräsidenten auch deshalb vor, weil man dem deutschen Volk misstraute. Das mag angesichts der Ereignisse von 1933 bis 1945 eine verständliche Vorsichtsmaßnahme gewesen sein, trotzdem ist die verbreitete Ansicht falsch, Hitler sei durch das Volk an die Macht gekommen. Das Ergebnis des verhängnisvollen 30. Januar 1933 war das Resultat der Kungelei von Parteien. Inzwischen sind über 70 Jahre ins Land gegangen.

Ausländische Politiker zweifeln schon lange nicht mehr an der demokratischen Reife der Deutschen. Inländische Politiker wollen uns mit bedeutungsschweren Hinweisen auf die vermeintliche Kollektivschuld das Recht auf die Wahl ihres Staatsoberhauptes weiter vorenthalten.  Nun führen die Parteien uns schon zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren das Stück  „Deutschland wählt den Bundespräsidenten“ vor.

Mit Joachim Gauck bekommen wir einen eloquenten Anwalt für die Freiheit. In einem einem unübersehbaren Meer von Propagandisten für die Gleichheit - bei uns: „soziale Gerechtigkeit“ - kann er ein Leuchtturm für die Freiheit werden. Wer wäre besser geeignet als er, sich für die Direktwahl seines Nachfolgers einzusetzen?

 

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: U. P.

@ Meier
Dasselbe Pech wie Herr Kolbe hatte ich auch schon mal. Korrekt "verschickt"
wurde er dann im gedruckten Kommentar zur "Geheimschrift".

Gravatar: FDominicus

Besser geeignet? Nun da kann ich mir einen Haufen vorstellen. Nämlich Marktwirtschaftler. Jemand der die Unterschrift unter den ESM verweigern würde. Gauck wird unterzeichnen, wetten?

Korrekt ist: Deutschlands Parteien haben zu viel Macht, sie haben sogar viel zu viel Macht. Es gibt kein Korrektiv für die Willkür der Parteien

Gravatar: Susanne

Direktwahl ist eine Sache, die Bestimmung von Kandidaten eine andere. Wie soll künftig die Auswahl von Kandidaten laufen, Herr Henkel?

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang