Bauhaus und Hausbau

Vor hundert Jahren, im April 1919, wurde von Walter Gropius in Weimar das Bauhaus als eine der damals im Dunstkreis der „Neuen Sachlichkeit/ Neues Bauen“ neu entstehenden Design- und Architekturschulen (z.B. Neues Frankfurt, De Stijl) gegründet. Man begann in der Nachfolge der Großherzoglich Sächsische Hochschule für bildende Kunst und der 1915 geschlossenen Kunstgewerbeschule. Aktuell scheint es mir infolge des Jubiläums so, als ob die Marke „Bauhaus“ alles andere an Architektur-Moderne unter sich zu begraben droht. Ist das gerechtfertigt?

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Entsteht nur bei mir der Eindruck, dass im Rahmen des Bauhaus-Jubiläums versucht wird, vor allen Dingen das Avantgardistisch-flippige des Bauhauses hervorzuheben, so z.B. wenn kosmopolitisch-geometrische Menschen zu Oskar Schlemmers Triadischem Ballett tanzen? Mit dem späteren Bauhaus hatte das Ballett in seiner Entstehung ab 1912 nichts zu tun, auch wenn es 1923, zu Bauhaus-Ausstellung mal aufgeführt wurde.
Oft ist die Realität differenzierter als Jubiläen es nahelegen.
Aktuelle Texte, die an dem heiligen Mythus der Schule etwas kratzen findet man aber auch, sofern man etwas sucht: https://www.deutschlandfunk.de/100-jahre-bauhaus-entzauberung-des-mythos-walter-gropius.691.de.html?dram:article_id=437602

Das Bauhaus, wie die gesamte Architektur-Moderne, fielen nicht vom Himmel. Es gab viele Väter, wie z.B. die Versuche des Bauens mit dem relativ neuen Werkstoff Beton, in Deutschland ab 1872 z.B. in Berlin-Rummelsburg (Victoriastadt mit Schlackebeton-Häusern) und international ab ca. 1885 den Hochhausbau der Chicagoer Schule (Louis Sullivan) mit seinem neuartigen Stahlskelettbau, es gab die Bestrebungen des Deutschen Werkbundes zur Verbindung von Kunst und Industrie ab 1907 und dem gegenüber wieder Adolf Loos Kampfschrift „Ornament und Verbrechen“ ca. um 1909.
Der Anfang des industriellen Bauens mit vorgefertigten Betonplatten lag dann etwas später (ab ca. 1926 z.B. die Splanemann-Siedlung in Berlin-Friedrichsfelde).
Das alles war kein Bauhaus-Stil, gehörte aber zum Neuen Bauen im weitesten Sinne dazu.
Die Nationalsozialisten ließen dann, nach etlichen Anfeindungen gegen die betont linke Schule 1933 die Architekturprivatschule von Mies-van-der Rohe in Berlin-Lankwitz, als letztem Bauhaus-Standort (ab 1932), schließen.
Damit war die Bauhaus-Schule Geschichte und der Mythos begann.
In Ost wie in West wird das Bauhaus von vielen heute immer noch als größtmöglicher architektonischer Gegensatz zu der als zurückgeblieben angesehen nationalsozialistischen Kunst- und Architekturauffassung gesehen.
Dabei gibt es aus der Epoche der modernen Reform-Architektur nach dem Historizismus vielen Berührungspunkte der neuen Architekturstile so ab 1900.
Später nach 1933 ergab sich auch durch die Weiterbetätigung von einigen Bauhaus-Schülern während des Dritten Reiches (https://www.deutschlandfunk.de/bauhaus-und-ns-design-es-gibt-kein-an-sich-gutes-design.807.de.html?dram:article_id=437783 ) wesentlich mehr an Differenzierung. Unterscheidet sich z.B. das Knorr-Bremse-Gebäude (ehem. Hasse & Wreede) in Berlin Marzahn (Albert Speer mit Baustab) wesentlich von anderen Bauwerken des Neuen Bauens?
Viele Architekten aus dem Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte, der in Wriezen, nordöstlich von Berlin, noch während des Krieges zusammen kam, wirkten ab 1945 real am Wiederaufbau der Bundesrepublik mit.
Der Wiederaufbau erfolgte dann überwiegend im Stil des Neuen Bauens
https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsstab_f%C3%BCr_den_Wiederaufbau_bombenzerst%C3%B6rter_St%C3%A4dte .
Die DDR-Kommunisten (Ulbricht etc.) waren von der „kosmopolitischen“ Bauhaus-Architektur dagegen nicht sonderlich angetan, weshalb die Stalin-Alle vom DDR-Über-Architekten Hermann Henselmann und seinem Stab noch in Neoklassik gebaut wurde. Das ergab für das Bauhaus aus heutiger Sicht einen weiteren antitotalitären Bonuspunkt.
Es gab zweifelsohne auch das sehr Extravagante am Bauhaus, aber die Schule von 1919-1933 war mehr, als z.B. nur die leicht esoterischen Anfangsjahre mit Lehrern wie Johannes Itten und sie war auch mehr, als die inzwischen heiligen Designprodukte, wie Breuers Stahlrohrstuhl oder Wagenfelds Lampe und Wohnungsklassiker für das moderne Großbürgertum, wie z.B. das Haus Lemke in Berlin-Hohenschönhausen.

Vor allem unter seinem kommunistischen Direktor, Hannes Meyer (Leitung: von 1928-30) ging es dem Bauhaus als linker Schule immer auch darum, preiswert für benachteiligte Menschengruppen Wohnraum bereitstellen zu können. Dafür lässt man sich auch heute noch gerne als „sozial“ loben.
Mit den negativen Folgen des Neuen Bauens, die nicht zu übersehen sind und in tristen Satellitenstädten und Plattenbau-Gebirgen in Ost wie in West weltweit mit ihren sozialen Problemen gipfelten, will man mit dem „heiligen“ Bauhaus ungern in Verbindung gebracht werden.
Die Aura der Avantgarde könnte durch Prolls aus der Platte nur gestört werden.

Das Bauhaus hat aus meiner Sicht heute deshalb zwei Probleme:
Einerseits ist eine Abgrenzung zum Internationalen Stil, zur Neuen Sachlichkeit oder zum Neuen Bauen, nicht so recht klar. Was macht denn nun DAS Bauhaus konkret aus, außer irgendwie halt auch zur nüchterne Moderne zu gehören, nur eben von den grandiosen Lehrern oder Absolventen der Bauhaus-Schule.
Andererseits steckt heute offensichtlich fast überall etwas Bauhaus in einem modernen Bau mit drin, also praktisch in jedem Marzahner Plattenbau.
Aber etwas was überall ist, das ist nicht mehr besonders.
Es ist dann manchmal wie mit des Kaisers neuen Kleidern, wenn z.B. ein Gropius-Bau plötzlich zum Jubiläum wieder neu entdeckt wird: Die Einen fragen sich, warum solch ein klassisches Werk erst jetzt als Denkmal anerkannt wird ( Link: https://www.ndr.de/kultur/Gropius-Bau-in-Kirchbrak-Versteckt-und-vergessen,gropius108.html ), andere fragen sich, was an so einer schmuddeligen Industriehalle, die heute auf vielen Gewerbehöfen stehen könnte, nun ein Denkmal sein soll. Außer profaner Industriearchitektur, die industriell gebaut wurde erkennt der Laie eben nichts, denn mehr ist halt auch nicht da, das war ja gerade das „neue“ an der Idee.
Zu einer Zeit, als Fabrikgebäude anderswo noch Kathedralen waren, wurde profane Industriearchitektur nun für alle möglichen Gebäude, auch Wohnhäuser normal.
Wo also ist das Bauhaus heute? Nirgendwo richtig - und überall ein bischen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Werner N.

@Mino Cair – Die Anfälligkeit modernistischer Gebäude für Bauschäden resultiert u.A. aus den Leichtbauweisen. Damit werden Herstellungskosten zwar gesenkt, die bald entstehenden Reparaturkosten aber auf Bauherren, Steuerzahler (öffentl. Geb.) oder Mieter abgewälzt.

Allein von laufenden Reparaturen und Nachbesserungen an Flachdächern leben seit Jahrzehnten ganze Industriezweige. Die großen Glasflächen an Hochhäusern verursachen, abgesehen vom Reinigungsaufwand, überdurchschnittliche laufende Kosten: Im Sommer für Klimatisierung, im Winter für Heizung,.

Richtig erwähnen Sie auch das mangelnde Schutzgefühl. Insbesondere Frauen beklagen bei niederen Wohnbauten die Angst vor Einbrüchen oder Zerstörung der Außenhaut durch Naturgewalten.

Die sog. Architektur des *Rationalismus* ist nicht nur wegen ihrer monotonen Primitiv–Ästhetik überholt, zumindest theoretisch.

Gravatar: Mino Cair

@ Werner N: die neue Architektur lauert doch bereits um die Ecke. Was in den letzten Jahrzehnten so positiv als Minimalismus verkauft wurde, also gerade Linien, große Glasfronten und Flachdächer, offenbart eine große innere Leere. Zukünftig werden diese “Aquarien” aus Sicherheits Gründen überarbeitet werden müssen.
Das neue Konzept habe ich im Libanon erlebt: wir fuhren durch ein schäbiges Hochhausviertel, hielten vor einem heruntergekommenen Gebäude an, wurden im Treppenhaus von Sicherheitspersonal abgepaßt (wir waren angemeldet) und zu einem Aufzug eskortiert. Auf einer der oberen Etagen (renovierungsbedürftig) stiegen wir um in einen anderen Aufzug, zu dem man einen extra Schlüssel benötigte. Als die Tür sich wieder öffnete, waren wir wie geblendet: der Eigentümer hatte die komplette Etage zu einer Luxusresidenz ausgebaut, mit Kristall-Kronleuchtern aus Böhmen (er erklärte uns auch, woran man erkennt daß es Originale sind), prachtvollen Teppichen, Bücherwänden, eleganten Möbeln usw.
Der Mann ist ein erfolgreicher Kaufmann, aber heutzutage ist eine geschützte Privatsphäre der oberste Luxus, den man sich nur leisten kann. Dahin geht die Reise.

Gravatar: Werner N.

Werter Herr Woldag, zwischenzeitlich las ich Ihren Aufsatz. Er ergänzt meine Ausführungen rundum. Richtig zitiert wurden die aufschlussreichen Stimmen von *Bauhäuslern* und ihren Protagonisten. In einem Kommentar können sie nicht so ausführlich dargelegt werden. In der Tat drückt Baukunst die Leitprinzipien einer Gesellschaft am einflussreichsten aus und fördert entsprechend einen „neuen menschen“.

Zutreffend verwiesen Sie auf den *Proletkult* (proletarische Kultur), als geistige Grundlage des *Bolschewismus*. Anders als der Sozialismus, setzte jener Kunst, Architektur, die Zerstörung bourgeoiser Ausbildung usw. betont und erfolgreich in der politischen Propaganda ein. Es war wissenschaftlich und gesellschaftlich verhängnisvoll, dass Lehrstuhlinhaber und Architekten bolschewistische Theoretiker – wie etwa Bogdanow oder Lunatscharski – seit 100 Jahren unter den Teppich kehrten. Wikipedia nennt bis heute die Begriffe *Bolschewismus* und *Proletkult* nicht zusammen, suggeriert damit, dass beide nichts miteinander zu tun haben.

Was eine künftige Architektur anbetrifft, die (echte und rechte) Demokratie ausdrückt, so lässt sich das nicht in wenigen Sätzen beschreiben. Sicher aber ist, dass es keine Rückkehr zu Eklektizismus, Jugendstil oder Klassizismus geben kann. Man muss vom bolschewistischen Primitiv–Konstruktivismus wegkommen, eine andere Gebäude- und Stadtstruktur entwickeln, die u.A. ein gewisses Maß an Individualität zulässt. M.a.W: Das *Farnsworth–House* kann nicht mehr Grundbaustein einer „Container–Architektur“ sein. Es läuft auf eine bestimmte „Einheit in der Vielfalt“ hinaus.

Gravatar: Werner N.

Ein im Prinzip richtiger und wichtiger Artikel von Henry Herbert; leider bislang mit Null Resonanz. Die europaweite „Rechte“ wird für ihre Revolution auch eine zeitgemäße „rechte“ Architektur entwickeln müssen. Davon ist sie theoretisch und erst recht praktisch noch weit entfernt. Seit nunmehr 100 Jahren wird unsere Demokratie durch *Bauhaus*–Architektur ausdrückt, welche lt. Gropius die Impulse der „Novemberrevolution“ in Architektur und Gestaltung demonstrieren soll (www.monopol-magazin. de). Der zweite Bauhaus–Leiter, Hannes Meyer, erklärte freimütig, dass bei ihm marxistische Vorlesungen gehalten werden, während das bei Gropius noch heimlich, teils privat geschah.

Der britische Soziologe E. Hobsbawm erklärt, warum die Nationalsozialisten mit dem „kulturbolschewistisch“ geprägten *Bauhaus* durchaus richtig lagen. Auch das internationale Renommee der Schule war ihnen nicht entgangen, weshalb sie anfangs versuchten, sich mit Gropius und Mies zu arrangieren, um die Institution weiterzuführen. Man hatte vor, Industrie–Areale im *Bauhaus*–Stil zu bebauen und Wohnsiedlungen im bodenständigen Heimatstil. (Hitler: „Vor ein modernes Gebäude passt kein Christbaum“). Erst als die Bauhäusler es ablehnten, sich von ihren jüdischen Kollegen zu trennen, war der Bruch vollständig. Mit ihrem reaktionären Rückgriff auf *Klassizismus* und *Biedermeier* versagten die Nazis dann baulich–kulturell völlig. Heutige „Patrioten“ sollten das ebenfalls vermeiden. Der Rest ist bekannt, die Architektur von „klarheit und wahrheit“ erzielte ihren Durchbruch in den kapitalistischen USA und im Europa der Nachkriegszeit.

Bei der EIN-fachheit, EIN-falt, EIN-tönigkeit, Gleichheit und dem Totalitarismus der „Kisten“ und „Wohnmaschinen“ geht es weniger um das „Funktionieren“, sondern um die politische Aussage des Bolschewismus. Kasimir Malewitsch reduzierte mit seinem berühmten „Schwarzen Quadrat“ Kunst und Architektur auf einen extremen Minimalismus und wurde damit zum "Säulenheiligen" westlicher Gestalter. Dies sollte das proletarische Anliegen ermöglichen: „Jeder ein Künstler, Literat oder Architekt“. Zum Erbe des *Bauhauses* gehört heute aber auch ein durch dumpfes „Kupfern“ gestalterisch und kreativ herab konditioniertes Kollektiv in Hochschulen, Planungsämtern und Wettbewerbspreisgerichten. Das erschwert es, ein in die Zukunft weisendes „rechtes“ demokratisches Bauen durchzusetzen.

Eine Theorie alternativer Architektur müsste zunächst feststellen, was das „tabula rasa“–Prinzip der „neuen sachlichkeit“ über Bord warf. Um dem ort- und raumlosen Städtebau zu entkommen, wäre eine projektive(!) dynamische Raum- und Zeitauffassung erforderlich. Das hat nichts mit „anything goes“ zu tun, wie es *Modernisten* den *Postmodernisten* unterstellen, sondern mit einem Blick auf die Inhalte, die von Form untrennbar sind, sowie einer Kritik daran. Erstaunlicherweise widerrief Gropius sozusagen sein *Bauhaus* in den 50er Jahren und gab richtige Hinweise für Alternativen. Auch so ein wissenschaftlich weitgehend ignoriertes Kapitel. Die Problematik kann hier nicht ausführlich dargelegt werden.

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