Auf- und Zustände: Der 17. Juni 1953 und verschiedene Geschwister

Geschichte hat keinen Anfang und kein Ende. Epochen legen Historiker hinterher fest. Als Revolutionen und Volksaufstände neuerer deutscher Geschichte werden aber die folgenden Jahreszahlen genannt: 1848 (Märzrevolution), 1918 (Novemberrevolution) und die beiden Volksaufstände auf dem Gebiet der DDR, 1953 (17. Juni) und die friedliche Revolution 1989.

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Alle diese historischen Ereignisse Deutschlands standen dabei nie für sich allein, sondern waren gleichzeitig immer in europäische Geschichte eingebunden.
So gab es schon 1848/49 z.B. auch in anderen europäischen Ländern Volkserhebungen und Revolutionen, die Februarrevolutionen in Frankreich und unter Führung Garibaldis, als Gründungsmythos der modernen Nation Italien.

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges stürzten etliche monarchische Großreiche der Verliererstaaten in sich zusammen, so z.B. das russische Zarenreich, die Österreich-Ungarische k. u. k. Monarchie, das Osmanische Reich und das deutsche Kaiserreich.

Auch der 17. Juni 53 fiel nach dem Tod Stalins am 6. März 1953 in eine Phase des Übergangs und der Unsicherheit, die anschließend noch einige antisozialistische ( von den soz. Regierungen so genannte „konterrevolutionäre“) Aufstände im Ostblock nach sich zog: z.B. der ungarische und polnische Volksaufstand 1956 und der Prager Frühling 1968 (der wenig mit 1968-Unruhen in den westlichen Ländern zu tun hatte).

Die friedliche Revolution 1989 begann eigentlich bereits 1980 mit dem Streik in der Lenin-Werft in Danzig und setzte sich mit Glasnost und Perestroika über die Grenzöffnung in Ungarn bis zur samtenen Revolution in Prag und somit dem kommunistischen Zusammenbruch in fast allen Ostblockstaaten bis Ende 1989 fort.

Ein erstaunlicher Fakt ist dabei die zeitliche Kontinuität, mit der die o.g. Ereignisse in Deutschland und Europa zyklisch eintraten:
Zwischen 1848 und 1989 liegen 141 Jahre. Genau in die Mitte dieser Zeit, also vor bzw. nach jeweils 70,5 Jahren fällt das Revolutions-Jahr 1918. Ziemlich genau in der Mitte zwischen dem 9. November 1918 und dem 9. November 1989 liegt wiederum der 17. Juni 1953.

Ist dass Zufall, oder gibt es hier irgend ein zyklisches Generationen-muster von ca. 35 Jahren für Erhebungen?
In einigen Schriften werden 35 Jahre als ein männlicher Generationen-zyklus zugrunde gelegt (https://www.ancestry.de/learn/learningcenters/default.aspx?section=lib_generation ).
Leider ist das schöne Muster von diesen rund 35 Jahren nach denen ein Aufstand stattfinden sollte, nicht ganz vollständig, denn  35 Jahre nach 1848, also im Jahre 1883 klafft z.B. eine Lücke.
Bekanntermaßen gab es da keinen Aufstand oder gar eine Revolution.
Man könnte es damit erklären, dass der damalige Kanzler Bismarck einerseits die gerade heraufkeimenden revolutionären Sozialdemokraten mit seinem Sozialistengesetz von 1878-1890 einfach mal verboten hat - und andererseits genau 1883 auch die Sozial-Gesetzgebung im Deutschen Reich auf den Weg gebracht hat, was zur Beruhigung der Arbeiter beigetragen haben dürfte.
Das ist ihm offensichtlich so gut gelungen, das die Revolution dann ausfiel.

Was aber ist mit den Unruhen 1968 im Westen? Die 68er-Studentenerhebungen waren kein Volksaufstand, sondern die Rebellion einer relativ kleinen lauten Gruppe, der Studenten.
Anders als zur gleichen Zeit in Frankreich, fehlte ihnen z.B. eine Verbindung zu streikenden Arbeitern oder einer sympathisierenden Bevölkerung.
Diese 68er-Bewegung weitete sich dann allerdings zu einer veritablen Jugendrevolte inclusive Terrorismus aus, die durch den Marsch durch die Institutionen und ihre kulturelles Wirken dennoch eine sehr nachhaltige Umgestaltung unserer heutigen Gesellschaft hervorgerufen hat.
Die westliche Erhebung im Jahr 1968 liegt 15 Jahre nach dem östlichen Aufstand 1953 und es passt damit nicht in das zyklische Schema der übrigen Volksaufstände von gut 35 Jahren Abstand. Auch inhaltlich gab es wenig Gemeinsamkeiten. Die 68er Studenten sehnten einen Sozialismus und Internationalismus herbei, die 53er Arbeiter und Bürger bekämpften den Sozialismus und kämpften für nationale Einheit.
Einer der Wenigen, die beide Erhebungen miterlebt hat und einen Verzicht der Deutschen auf das Recht zur Einheit ihrer Nation aufgrund ihrer jüngsten Geschichte immer ablehnte, war übrigens Rudi Dutschke.
(https://www.tagesspiegel.de/politik/50-jahre-studentenrevolte-1968-nur-dutschke-hielt-an-deutschlands-einheit-fest/21049092.html ).
Aber wir könnten mit unserem 35 Jahres-Rhythmus beim Jahr 1968 doch noch fündig werden, denn 35 Jahre davor liegt das Jahr 1933.
Das war zwar kein Jahr eines Volksaufstandes, aber es war ein Jahr, in dem ebenfalls eine Jugendbewegung sehr erfolgreich war und damals gerade ihrer Regierungsübernahme feierte.
Über die irritierenden Parallelen der 33er und 68er-Jugendbewegung hat Götz Aly als 68-Insider in seinem Buch „Unser Kampf: 1968 - ein irritierter Blick zurück“ sehr anschaulich und ehrlich geschrieben.

Was würde unsere kleine Zahlenspielerei über die Zukunft aussagen?
Nun, 35 Jahre nach 1989, das wäre dann 2024 als nächster „planmäßiger“ Aufstandstermin.
Natürlich bleibt es jedem selbst überlassen, ob man daran glaubt und auch, ob man 2024 eventuell für etwas verspätet halten würde.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Andreas

Ich stimme dem Beitrag vom Leser "Catilina" zu.
Wie naiv und kindisch bleibt immer noch das Märchen über "Volkserhebungen". Hinter allen Aufständen standen gut organisierte und von aussen finanzierte Strukturen.

Gravatar: Catilina

Das mag schon stimmen, aber für eine Revolution braucht man Geld, sonst geht's in die Hose. Auch die Französische Revolution 1789 war mitnichten ein Volksaufstand, wie uns immer eingeredet wird. Die Landbevölkerung stand zu ihrem König, so wie bei der Russischen Revolution 1918. (Deshalb mußte die Zarenfamilie ausgelöscht werden, um eine Rückkehr zur alten Ordnung unmöglich zu machen). Die blutigen Revolutionen gehen auf das Konto von "Freidenkern", vulgo "linke Spinner", welche die natürliche Entwicklung einer Gesellschaft ändern oder beschleunigen wollen und die dabei die furchtbarsten Kollateralschäden gerne in Kauf nehmen.
Ein Motto der Freimaurer "Ordo ab Chao", also eine neue Ordnung aus der (künstlich herbeigeführten) Unordnung, verdeutlicht das Ganze. Die französische Revolution kam aus dem reich gewordenen Bürgertum, beflügelt von den Schriften von Rousseau (der erste "Grüne" und genauso ideologisch vernagelt). Da brauchte man nur das Proletariat der Hauptstadt aufzuwiegeln (bei uns die drogenkonsumierenden Antifanten); für Geld taten (tun) die alles.
Bei uns heute genau dasselbe: solange gewissenlose Profiteure das Juwel Europa in eine kulturelle Einheitswüste verwandeln wollen, haben konservative Kräfte keine Chance. Es sei denn, man bekommt irgendwoher genügend finanzielle Mittel zusammen, um den Widerstand zu organisieren.

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