Vor wenigen Tagen erreichte uns die Nachricht, dass in einer nahegelegenen Turnhalle unserer Stadt kurzfristig 150 Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Da das offenbar sehr schnell auf welcher Ebene auch immer entschieden wurde, fehlte es nun am Nötigsten. Über den Internet- und Facebook-Auftritt der Stadt und ich weiß nicht auf welchen Wegen noch, wurde daher um Unterstützung gebeten. Gesucht wurde von Kleidung über Spielzeug bis hin zu Windeln und Kinderwagen alles, was Familien eben so benötigen. Und – das erst mal vorweg: Es ist eine tolle Stadt, in der wir da Wohnen! Die Hilfsbereitschaft war offenbar hoch: als meine Frau und ich ein paar Dinge vorbei bringen wollten, war man schon fast überlastet mit dem Sortieren. Trotzdem hat unser Spielzeug reißenden Absatz gefunden und die Windeln, die wir noch besorgten, waren ebenfalls gerne gesehen.
Ich will also eigentlich gar kein Wasser in den Wein gießen, ein wenig scheint mir das aber notwendig: Denn selbstverständlich tauchten auch Kritiker auf, die monierten, dass die Versorgung von Flüchtlingen doch Sache der Stadt oder des Staates sei, dafür zahle man doch schließlich Steuern. Natürlich gab es auch Hinweise darauf, ob die Flüchtlinge nun zu Recht auf der Flucht seien oder nur „Scheinflüchtlinge“, aber darauf will ich gar nicht weiter eingehen. Die Familien, die wir gesehen haben, benötigten Hilfe, waren freundlich und ganz offenbar dankbar, ein bisschen Ruhe zumindest in einer Turnhalle finden zu können. Die freiwilligen Helfer tun bis heute ihr Bestes und ich werde nicht mal anfangen zu überlegen, ob das so seine Berechtigung hat – das hat es, wer solche Familien in Not sich selbst überlässt, braucht ganz offenbar ein neues Herz.
Trotzdem ist der Einwand natürlich richtig, dass der Staat doch nicht gerade wenig Steuern einnimmt, und damit solche Situationen meistern können sollte. Diejenigen, die also meinen, sie müssten nun nicht helfen … naja, ich kann sie in gewisser Weise verstehen. Belastungsquoten mit direkten und indirekten Steuern und Abgaben liegen leicht bei 70 %, da ist jeder weitere Griff in die Tasche der Bürger, womöglich durch Mitleid „sanft erzwungen“, beinahe eine Unverschämtheit. In den entsprechenden Gruppen und Foren sind diese Kritiker in der Minderheit, ich bin aber nicht sicher, ob sich nicht eine ganze Menge von Leuten nur nicht traut sich so zu äußern; jedenfalls lässt sich aber an ihnen nachvollziehen, wie sich ein Rundumsorglos-Sozialstaat auswirkt: Die Nächstenliebe leidet deutlich! Sie ist ausgelagert an den Staat, der sich nun gefälligst kümmern soll. Die Argumentation ist zwar brüchig, wenn man sieht, dass es Regierung und Stadt nicht schaffen und darunter die Menschen leiden; christliche Nächstenliebe muss über das „im Recht sein“ hinausgehen, sonst taugt sie nichts. Trotzdem ist die Forderung, dass hier erst mal der Staat helfen müsse, durchaus nachvollziehbar.
Viel entlarvender sind aber die Antworten auf diese Einsprüche – auch hier persönliche Angriffe mal außen vor, das Thema ist ganz offensichtlich ein emotional aufgeheiztes. Da wird nämlich entweder lediglich auf die Situation der armen Familien Bezug genommen, das Argument also gar nicht aufgegriffen, oder darauf hingewiesen, dass ja die staatliche Unterstützung für Flüchtlinge ebenfalls steuerfinanziert wäre, man also doch dann auch selbst spenden könne. Dieser nicht selten anzutreffende Winkelzug erfordert allerdings schon einen ziemlichen Knoten im Hirn: Mit einer Abgagenlast von 70 % kommt der Staat den Aufgaben, die man bei ihm sieht, nicht nach, darum müssten es mehr sein, wenn man selbst nicht karitativ tätig werden will. Eine gewisse innere Logik hätte das, wenn man Aufwand und Ausgaben für Flüchtlinge nicht als Staatsaufgabe betrachten würde. Dem könnte ich sogar etwas abgewinnnen, dann wäre es aber auch nicht Bundesregierung oder Landesregierungen, die darüber entscheiden, ob und wieviele Flüchtlinge aufgenommen werden sollen und wo sie untergebracht werden sollen.
Die jetzige Situation ist dagegen ein Zwitter: Es wird übergeordnet entschieden, dass Menschen in Not aufgenommen werden – wogegen wohl auch die Allerwenigsten etwas haben werden -, die dafür anfallenden Kosten werden aber denjenigen aufgebürdet, die an dieser Entscheidung gar nicht beteiligt waren. Der Staat dokumentiert eigentlich seinen Gestaltungsanspruch gepaart mit Hilflosigkeit. Denjenigen, die das bemerken, diese Feststellung zum Vorwurf zu machen und ihnen Herzlosigkeit oder eine „rechte Gesinnung“ vorzuwerfen, zeigt allerdings auch eine schwer verträgliche Staatsgläubigkeit an: Vater Staat wird es schon richten, und wenn er um Hilfe ruft, dann haben wir die Verpflichtung, zu kommen.
Um es noch mal ganz klar zu machen: Diesen Streit kann man nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausfechten! Die Flüchtlinge in den Turnhallen brauchen Unterstützung, und ich empfinde es als Pflicht als Christ, dort zu helfen, wo Hilfe notwendig ist. Wohlgemerkt: Die Pflicht als Christ, nicht als Staatsbürger! Als letztere hätten wir nämlich allen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Leider ist es die – bewusste oder unbewusste – christliche Prägung unserer Gesellschaft, auf die der Staat hier setzt und setzen kann. Umso wichtiger ist, deutlich zu machen, dass die Verursacher der humanitären Krisen nicht unter den Flüchtlingen und nicht unter kritischen Anwohnern zu suchen sind, sondern in genau den Gremien, die jetzt ganz herzig die Hilfsbereitschaft loben und Kritiker als Rechte abstempeln wollen! Das ist schäbig, wenn ich auch annehme, dass die meisten gar nicht wissen, woran ihre Argumentation krankt.
Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de
Kommentare zum Artikel
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1 Euro in einem Hungergebiet kann ein Menschenleben für einen Tag retten. 1 Euro für einen "Flüchtling" in Deutschland würde von diesem als Affront betrachtet.