Die leisen und nachdenklichen Töne in der Politik – dafür ist der sogenannte „politische Aschermittwoch“ … gerade nicht bekannt. Fast definitionsgemäß wird an diesem Tag, ursprünglich mal ausgegangen von der bayerischen CSU, so richtig gegen den politischen Gegner ausgeteilt. Und „definitionsgemäß“ kann man sich durchaus buchstäblich vorstellen. Wikipedia beschreibt den politischen Aschermittwoch wie folgt:
Der politische Aschermittwoch bezeichnet die traditionell am Aschermittwoch stattfindenden lokalen oder regionalen Versammlungen der meist größeren deutschen Parteien, auf denen es meist zu einem derben rhetorischen Schlagabtausch kommt. […]
Charakter: Seinem Ursprung nach ist der politische Aschermittwoch eine bayerische Institution, man findet ihn heute aber auch in anderen Bundesländern. Im engeren Sinne versteht man darunter die bayerischen Landestreffen von CSU, SPD, FW, FDP, Grünen, ÖDP, Die Linke, Bayernpartei, AfD und weiteren Kleinparteien. Nach vorherrschender Meinung besteht das Ziel der in Bierzelt-Atmosphäre gehaltenen politischen Reden, die sich durch farbige Wortwahl und heftige, polemische Attacken gegen den politischen Gegner auszeichnen, weniger darin, neuartige politische Konzepte zu präsentieren oder detaillierte Sachkritik vorzubringen, sondern sie dienen vielmehr dazu, die eigenen Reihen zu schließen, Parteianhänger zu motivieren und den politischen Gegner zu verunsichern.
Positiv ausgedrückt könnte man sagen: Handfeste Politik in Bierzeltatmosphäre! Ganz sicher ist das aber nichts für politische Schöngeister, die den gepflegten Diskurs suchen. Genau so soll es wohl auch sein, und da sich in Stimmung und Angriffslust die Parteien nichts tun, ist es unterm Strich auch wieder fair und für den politischen Zuschauer meistens interessant, in jedem Fall aber unterhaltsam. Zielsetzung des politischen Aschermittwochs: Der Lauteste (manchmal auch der Vorlauteste) gewinnt! Insofern ist es eine gute Nachricht, dass die meisten Parteien ihren politischen Aschermittwoch im Blick auf die Zugkatastrophe von Bad Aibling abgesagt haben. Derartiges Getöse würde sicher nicht in die Landschaft passen.
Der politische Aschermittwoch steht aber auch sonst mit seiner Art in einem merkwürdigen Widerspruch zum namensgebenden Beginn der Fastenzeit. Sicher ist das Bier historisch die Fastenmethode in Klöstern gewesen, in denen man in der Fastenzeit auf viele Speisen verzichtete, Getränke aber, und das „flüssige Brot“ sowieso, fastenkonform waren. Ob das früher so handfest zuging, wie man sich das heute vorstellt, vermag ich nicht zu sagen. In jedem Fall ist aber der Biergenuss wohl die einzige Parallele, die kirchlicher und politischer Aschermittwoch aufweisen. Denn so wie man auf Speisen und besondere Leckereien in der Fastenzeit verzichten kann, so kann man doch vielleicht auch auf das politische Lautsprechen verzichten.
Wenn ich beispielsweise in die Historie und Statistik dieses Blogs schaue, dann gibt es offenbar eine gute Möglichkeit, Aufmerksamkeit resp. „Traffic“ zu erzeugen, und die besteht darin, möglichst prägnante politische Aussagen zu tätigen. Ein reißerischer Titel, provokante Thesen … Blogbierzeltvokabular würde ich das mal nennen, und schon gehen die Nutzerzahlen in die Höhe. Ein besonderes Gegenbeispiel war mein Beitrag der vergangenen Woche an meinen lieben Freund Klaus Kelle, der durch verschiedene Verbreitungen auf Facebook zu einem Alltime-High angesetzt hat. Aber sonst: Politik produziert Zugriffszahlen, harte Thesen und provokante Meinungen bringen Traffic! Das Problem dabei: Dieser Effekt streichelt die eigene Eitelkeit! Traffic und damit einhergehende Verbreitung täuschen Relevanz vor – als ob die Welt nur darauf wartet, dass der PAPSTTREUEBLOG sich zu allem äußert, was gesellschaftliche Relevanz besitzt. Bleibt man am Ball verstärkt sich der Effekt – je länger man damit durchhält umso höher stabilisieren sich die Leserzahlen und man bekommt den Eindruck, man tue mit politischen Kommentaren der Leserschaft einen besonderen Gefallen.
Aber wollen die Leser des PAPSTTREUENBLOGs tatsächlich politische Einschätzungen von mir? Bin ich überhaupt versiert genug auf dem politischen Parkett um den Blog ernsthaft weiter in diese Richtung zu entwickeln? Und was noch wichtiger ist, ist die Einschätzung eines – bitte entschuldigen Sie, liebe Leser – noch viel wesentlicheren Beurteilers dieses Blogs: Entspricht die sich verstärkende Wandlung hin zur Politik noch meiner eigentlichen Berufung, der ich mal mit dem Start des Blogs gefolgt bin? Was möchte der liebe Gott eigentlich gerne, dass ich schreibe? Ich glaube, er hat nichts dagegen, wenn ich hier auch politisch kommentiere, wenn die Zielsetzung an sich nicht verloren geht. Aber wenn die Energie hierfür zu Lasten der geistigen Themen geht … Ich sehe Jesus vor meinem geistigen Auge die Augenbrauen heben!
Darum, weil es der geistlichen Klärung dient, meine Eitelkeit auf die Probe stellt und mir in der Tat auch schwer fallen wird, werde ich in der Fastenzeit keine politischen Kommentare und Beiträge verfassen. Das ist mein Vorsatz für die kommenden vierzig Tage bis Ostern, eine Einschränkung, die ich mir selbst auferlegen werde, und die geistlich sicher herausfordernder ist als der Verzicht auf Fleisch und Süßigkeiten. Und das schöne daran ist: Als Leser dieses Blogs bilden Sie eine kleine Kontrollinstanz, ob ich durchhalten werde. Es gibt noch ein paar andere Fastenthemen, die ich mir vorgenommen habe, aber dieser hier scheint mir der wesentlichste zu sein. Also, es ist ein Blogfasten der besonderen Art: Auf’s Bloggen werde ich nicht verzichten, aber in den kommenden vierzig Tagen wird hier politisch nicht viel zu lesen sein, stattdessen sicher viel über das Thema Barmherzigkeit … und alles, was damit zusammenhängt. Ich hoffe, Sie sind, ich hoffe, Sie bleiben damit bei mir?!
Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de
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