Antibiotikaresistenz durch industrielle Tierhaltung - Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt und die Politik ignoriert das Plädoyer für bäuerliche Landwirtschaft!

Eine bäuerliche Landwirtschaft ist es, die bei recht verstandener Förderung zur Problemlösung beitrüge. Sie wird aber durch agrarpolitische Entscheidungen immer weiter zurückgedrängt.

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Befürwortern einer mittelständischen bäuerlichen Landwirtschaft als Gegenpool zu einer agrarindustriellen Produktion wird häufig der Vorwurf gemacht, die Realität der landwirtschaftlichen Produktion aus dem Auge zu verlieren. Bäuerliche Landwirtschaft ist in Deutschland noch dominierend, 90% der Betriebe sind bäuerliche Betriebe, die 65% der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften. Die bäuerliche Bewirtschaftung wird aber, auch aufgrund des Erbes der DDR, nämlich der Zwangskollektivierung und dem Bauernlegen, durch die agrarindustrielle Bewirtschaftung verdrängt, verdrängt aufgrund der besonderen Subventionierung der agrarindustriellen Produktion durch EU- Agrarbeihilfen und die ostdeutsche Bodenpolitik. Aber die agrarindustrielle Produktion kommt an ihre Grenzen.

In keinem Bereich ist dies so gut belegt, wie für den Antibiotika-Einsatz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat dazu eine Tagung im Herbst 2013 durchgeführt (Antibiotikaresistenz in der Lebensmittelkette).

Die Ergebnisse von einem der Tagungsbeiträge verdienen eine besondere Erwähnung (Fromm, Beiswanger und Tenhagen, 2013, Risikofaktoren für MRSA in der Tierproduktion- eine Metaanalyse). Die Autoren untersuchten MRSA-Stämme (Methicillin resistente Staphylococcus aureus), welche Wundinfektionen und solche der Atemwege erzeugen, wesentlich verantwortlich für Krankenhaus Infektionen sind und in den letzten Jahren immer häufiger auch von Mensch zu Mensch auch außerhalb von Krankenhäusern übertragen wurden.

In Regionen intensiver Tierhaltung stellt die Infektion des Menschen durch MRSA aus landwirtschaftlichen Nutztierbeständen mittelweile einen erheblichen Anteil dar.

Fromm et al. (2013) untersuchten nun in ihrer Metaanalyse 600 wissenschaftliche Publikationen, 21 Studien und 4 Dissertationen mit 400 Datensätzen von 2006- 2013 zur MRSA- Belastung in der Schweinemast.

Die Ergebnisse von Fromm et al. (2013) sind dramatisch. Je größer der Mastbestand, desto größer der Anteil der Bestände die MRSA- belastet sind; er erhöht sich von 27% bei Beständen bis 500 Tieren auf über 70% bei Beständen über 5000 Masttieren.

Werden während der Mastphase Antibiotika verabreicht, so steigt der Anteil der MRSA-belasteten Herden um 30% an.

Tabelle 1 zeigt auch, daß landwirtschaftliche Betriebe mit mehr als einer Tierart deutlich geringer MRSA-belastete Mastschweinbestände haben.

Auch die ökologische Haltung senkt die MRSA-Belastung der Bestände stark, um mehr als 40%.

Kleinere Bestände, größere Vielfalt im Betrieb, geringer Antibiotikaeinsatz während der Mastphase und ökologische Bewirtschaftung gegenüber konventioneller Bewirtschaftung senken das Risiko der MRSA-Belastung von Mastschweinebeständen stark.

Es ist eine bäuerliche Landwirtschaft mit einer vielfältigen Struktur und geringerem Einsatz von Antibiotika, die das Risiko der Ausbreitung von MRSA stark vermindert. In großen Beständen ist der Einsatz von Antibiotika während der gesamten Mastphase in der Regel notwendig.

Die Ergebnisse von Fromm et al. (2013), die ja auf einem großen Datenumfang basieren, sind in ihrer Bedeutung bis jetzt noch nicht in eine politische Diskussion eingedrungen. Dies ist unverständlich und zeigt, in welchem Ausmaß die Lobbyisten der Agrarindustrialisierung die agrarpolitische Diskussion beherrschen. Auch wenn die genaue Beziehung zwischen MRSA-Belastung landwirtschaftlicher Tierbestände, Antibiotikaeinsatz und Humanerkrankungen nicht zuletzt aufgrund der Komplexität der Wirkmechanismen noch nicht vollständig aufgeklärt ist, so zeigen die Ergebnisse in Tabelle 1 auch einen Ausweg aus der MRSA-Gefahr.

Eine bäuerliche Landwirtschaft ist es, die bei recht verstandener Förderung zur Problemlösung beitrüge. Sie wird aber durch agrarpolitische Entscheidungen immer weiter zurückgedrängt.

Das BfR ist in seinen Aussagen als außerordentlich vorsichtig bekannt und eher industrienah. Wenn aus diesem Haus im Rahmen einer zusammenfassenden Analyse solch eindeutige Ergebnisse vorgestellt werden, dann ist die Pflicht der politischen Akteure darauf umgehend zu handeln.

Erschienen am 4.7. 2014 unter ostdeutsche-bodenpolitik.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Leo

Es gibt inzwischen mehrere Untersuchungen, die eindeutig belegen, dass es zwar MRSA-Keime in Nutztierbeständen gibt, diese aber in der Humanmedizin nahezu keine Rolle spielen. Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass multiresistente Keime in Krankenhäusern – und um die geht's ja in erster Linie – in der Regel vor Ort "hausgemacht" sind. Doch warum sollte man sich als Autor eines solchen Artikels mit der Materie tiefer befassen, wenn es so praktisch ist, einfach Behauptungen wie die von den Krankenhauskeimen, die aus der "Massentierhaltung" kommen, unreflektiert weiter zu verbreiten?
Und was die Anzahl der bäuerlichen Familienbetriebe angeht: In Ihren 90% sind in großer Anzahl Nebenerwerbsbetriebe vertreten, die längst nicht mehr in der Lage wären, sich allein aus der Landwirtschaft zu ernähren. Warum ist das so? Weil sich Produktionszweige weiterentwickeln, modernisieren, spezialisieren und konzentrieren. Das ist auch in der Landwirtschaft so. Der Strukturwandel mag in Deutschland nach der Wende schneller verlaufen sein als anderswo, weil es funktionierende Großeinheiten gab, die zu zerschlagen wirtschaflicher Wahnsinn gewesen wäre. Wachsen tun landwirtschaftliche Unternehmen aber auch anderswo in der Welt. Und wenn Kleinstbetriebe da nicht mithalten können, müssen sie auf den Nebenerwerb ausweichen. Denn auch in kleinen Unternehmen ist Effektivität und zuverlässige Gewinnerwirtschaftung unerlässlich, um die Betriebsbesitzer zu ernähren und das notwendige Kapital für Investitionen in Arbeitserleichterung, Tierwohl und Umweltschutz zu ermöglichen. Ist Ihnen bekannt, dass in Süd- und Südwestdeutschland in den von Ihnen präferierten kleinen Milchviehbetrieben noch immer 80 bis 90% der Kühe in Anbindehaltung stehen – eine Haltungsform, die hierzulande längst gesetzlich untersagt ist und nur in diesen Minibeständen noch Bestandsschutz genießt? Und das halten Sie für ein Zukunftsmodell?
Wir haben eine höchst beschränkte (und immer weiter abnehmende) Flächenverfügbarkeit hier in Deutschland. Und auch weltweit nehmen agrarisch nutzbare Flächen durch die Urbanisierung und Industrialisierung immer weiter ab, bei rasant wachsender Weltbevölkerung. Diese Menschen satt zu bekommen, funktioniert nur mit einer effektiv strukturierten Landwirtschaft, nicht mit einer Modellagrarwirtschaft aus dem letzten Jahrhundert.
Dass wir dem Antibiotikamissbrauch entgegenwirken müssen – nicht nur, aber auch in der Nutztierhaltung – ist unbestritten. Daraus zu schlussfolgern, dass wir unsere hiesige Landwirtschaft wieder Richtung Kleinbäuerlichkeit ausrichten sollten, ist wirtschaftlicher Blödsinn, mit Verlaub. In unserem Land funktionieren beide Strukturen – Familienbetrieb wie Agrargesellschaften – gut. Dennoch gibt es einen unbestreitbaren Strukturwandel in Richtung größere Einheiten. Auch Familienbetriebe wachsen immer weiter, stellen Fremdarbeitskräfte ein, kooperiern und bilden Gesellschaften. Und diese großen Betriebe, die dank Strukturvorteilen deutlich effektiver pro Fläche wirtschaften können als kleine, sind der Garant dafür, dass auch Kleinstbetriebe, Öko- und Nischenproduktion weiter bestehen können, weil deren Flächenverbrauch je Produkteinheit naturgemäß höher liegt, was durch die Großbetriebe wieder aufgefangen wird.

Gravatar: Denise

Hallo, zunehmende Resistenzen einzelner Keime gegenüber Antibiotia sind bedenklich, jedoch sicher nicht nur durch industrielle Tierhaltung bedingt. Am häufigsten kommen MRSA in Krankenhäusern vor, da dort am meisten Antibiotika eingesetzt werden. siehe: (http://www.infektionsschutz.de/erregersteckbriefe/mrsa/)

"Sie schreiben In großen Beständen ist der Einsatz von Antibiotika während der gesamten Mastphase in der Regel notwendig." Dies ist nicht der Fall und wäre auch gar nicht zulässig. Antibiotika darf mittlerweile nur noch eingesetzt werden, wenn es der Tierarzt aufgrund von Krankheit im Bestand dies als notwendig erachtet und sicherlich nicht während der gesamten Mastperiode.
Der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung wird durch gesetztliche Rahmenbedingungen und Datenbanken kontrolliert und weiter eingeschränkt. Wir sollten uns davor hüten, die Tierhaltung alleine als Verursacher zu betrachten, denn dies wird nicht dazu führen, dass wir keine multiresistenen Keime mehr haben.
Viele Grüße

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