Mia san mia und Rom ist weit weg – so in etwa könnte man die Überlegungen deutscher Bischöfe schon im Vorfeld der Familiensynode über die Rolle der katholischen Kirche in Deutschland beschreiben. Wir sind keine Filiale Roms – so lautete das tatsächlich Zitat, und abseits dieser Polemik und der dagegen stehenden Feststellung, dass die Teilkirchen natürlich überall so etwas wie Filialen Roms sind – jedenfalls in vielen Fragen nicht eigenständig entscheiden können – ist natürlich richtig, dass man mit Lösungen für spezifisch deutsche Probleme nicht auf Rom warten sollte.
Das würde insbesondere dann gelten, wenn sich Rom, in persona Papst Franziskus in der Kirche in Deutschland nicht auskennte, wenn er nicht wüsste, wohin in Deutschland die Reise geht und was die Schlussfolgerungen darauf wären. Bei seiner Ansprache zum Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom gab sich der Papst aber als wahrer Kenner der Kirche in Deutschland, besonders der relevanten Probleme hinter den üblichen Scheinthemen, zu erkennen (Quelle: Seite des Vatikan):
Auf der anderen Seite ist aber gerade in traditionell katholischen Gebieten ein sehr starker Rückgang des sonntäglichen Gottesdienstbesuchs und des sakramentalen Lebens zu verzeichnen. Wo in den Sechziger Jahren noch weiträumig fast jeder zweite Gläubige regelmäßig sonntags zu heiligen Messe ging, sind es heute vielfach weniger als 10 %. Die Sakramente werden immer weniger in Anspruch genommen. Die Beichte ist vielfach verschwunden. Immer weniger Katholiken lassen sich firmen oder gehen das Sakrament der Ehe ein. Die Zahl der Berufungen für den Dienst des Priesters und für das gottgeweihte Leben haben drastisch abgenommen. Angesichts dieser Tatsachen ist wirklich von einer Erosion des katholischen Glaubens in Deutschland zu sprechen.
(Hervorhebungen durch mich)
So klare Worte hört man von offizieller deutscher Kirchenseite selten, und wenn dann eher mit einem beschwichtigenden Unterton über die noch immer bedeutende Rolle in der Kirche. Die lässt auch Papst Franziskus nicht unberücksichtigt, packt seine Diagnose insofern in bewährter „Sandwich-Methode“ auch zwischen solche lobenden Zwischentöne. Aber der Grundtenor seiner Botschaft sollte klar sein.
Und weiter geht’s:
Das Beispiel dieser „Ehrenamtlichen“ (Priska und Aquila, vgl. Apg 18,26, FH) mag uns zu denken geben angesichts einer Tendenz zufortschreitender Institutionalisierung der Kirche. Es werden immer neue Strukturen geschaffen, für die eigentlich die Gläubigen fehlen. Es handelt sich um eine Art neuer Pelagianismus, der dazu führt, unser Vertrauen auf die Verwaltung zu setzen, auf den perfekten Apparat. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert aber das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen (vgl. Evangelii gaudium, 32).
Das wiederum kommt einem bekannt vor als kritische Äußerung gegen Rom. Gemeint ist aber hier die Entwicklung in der Kirche in Deutschland, die mehr auf Institutionalisierungen setzt, denn auf die Zeugnis- und Überzeugungskraft der Gläubigen. Innerkirchliche Gremien, soviel sollte klar sein, nicht zuletzt auch mit Blick auf das „ZdK“, werden nicht die Rettung der Kirche sein; eher schon stehen sie einer Neuevangelisierung im Weg.
Und es folgen noch ein paar weitere Mahnungen, die man immer vor dem Hintergrund lesen muss, dass sie sich nicht allgemein an die Kirche, sondern an deutsche Bischöfe gerichtet sind:
Wir müssen bei den Menschen sein mit der Glut derer, die als erste das Evangelium in sich aufgenommen haben. Und „jedes Mal, wenn wir versuchen, zur Quelle zurückzukehren und die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, tauchen neue Wege, kreative Methoden, andere Ausdrucksformen, aussagekräftigere Zeichen und Worte reich an neuer Bedeutung für die Welt von heute auf. In der Tat, jedes echte missionarische Handeln ist immer ‚neu‘“ (Evangelii gaudium, 11). Auf diese Weise können sich alternative Wege und Formen von Katechese ergeben, die den jungen Menschen und den Familien helfen, den allgemeinen Glauben der Kirche authentisch und froh wiederzuentdecken.
In diesem Zusammenhang der neuen Evangelisierung ist es unerlässlich, dass der Bischof seine Aufgabe als Lehrer des Glaubens, des in der lebendigen Gemeinschaft der universalen Kirche überlieferten und gelebten Glaubens, in den vielfältigen Bereichen seines Hirtendienstes gewissenhaft wahrnimmt. […]
Wenn wir ferner einen Blick auf die Pfarrgemeinden werfen, die Gemeinschaft, in der der Glaube am meisten erfahrbar und gelebt wird, so muss dem Bischof in besonderer Weise das sakramentale Leben am Herzen liegen. Hier seien nur zwei Punkte hervorgehoben: die Beichte und die Eucharistie. […] Ich vertraue darauf, dass im kommenden Heiligen Jahr und darüber hinaus dieses für die geistliche Erneuerung so wichtige Sakrament in den Pastoralplänen der Diözesen und Pfarreien mehr Berücksichtigung findet. Desgleichen ist es notwendig, die innere Verbindung von Eucharistie und Priestertum stets klar sichtbar zu machen. Pastoralpläne, die den geweihten Priestern nicht die gebührende Bedeutung in ihrem Dienst des Leitens, Lehrens und Heiligens im Zusammenhang mit dem Aufbau der Kirche und dem sakramentalen Leben beimessen, sind der Erfahrung nach zum Scheitern verurteilt. Die wertvolle Mithilfe von Laienchristen im Leben der Gemeinden, vor allem dort, wo geistliche Berufungen schmerzlich fehlen, darf nicht zum Ersatz des priesterlichen Dienstes werden oder ihn sogar als optional erscheinen lassen. Ohne Priester gibt es keine Eucharistie. […]
Ein nicht hoch genug zu einschätzender Auftrag des Bischofs ist schließlich der Eintritt für das Leben. Die Kirche darf nie müde werden, Anwältin des Lebens zu sein, und darf keine Abstriche darin machen, dass das menschliche Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod uneingeschränkt zu schützen ist. Wir können hier keine Kompromisse eingehen, ohne nicht selbst mitschuldig zu werden an der leider weit verbreiteten Kultur des Wegwerfens. Wie groß sind die Wunden, die unserer Gesellschaft durch die Aussonderung und das „Wegwerfen“ der Schwächsten und Wehrlosesten – des ungeborenen Lebens wie der Alten und Kranken – geschlagen werden! Wir alle sind Leidtragende davon.
Vergleicht man das mit den Ansprachen und Äußerungen der meisten deutschen Bischöfe, kann der Kontrast kaum größer sein. Aber das alles hier soll keine Watschen gegen das deutsche Episkopat sein – die haben sich das damit schon vom Papst abgeholt.
Vielmehr aber ist es ein Auftrag an uns, an die Laien in der Kirche, sich für die vom Papst beschriebenen Themen einzusetzen. Der Laie ist kein Priester und er kann – der Papst sagt das deutlich – den Priester nicht ersetzen. Aber das heißt nicht, dass er in jeder Situation vom Priester, von Bischöfen oder den Institutionen der Kirche abhängig sein muss. Und möglicherweise ist es manchmal auch angeraten, den eigenen Bischof mit den Worten des Papstes zum Handeln aufzufordern: Zu einer stärkeren pastoralen Orientierung, zu einer Organisation, die den Priestern und Laien wieder ihre eigentlichen Aufgaben in der Evangelisierung vor Augen führt. Und man kann sich als Laie natürlich auch ohne priesterliche oder bischöfliche Rückendeckung ans Missionswerk machen. Nicht, um die Bischöfe und Hauptamtlichen zu beschämen, sondern um zu stützen, Beispiel zu geben und letztlich -wie immer – um Menschen zu Christus zu führen.
Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de
Kommentare zum Artikel
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Danke, sehr guter Beitrag!
Die Lehmannisierung (oder jetzt die Marxierung) der katholischen Kirche in Deutschland muss aufhören, sie befindet sich in ihrer Verkumpelung mit den Machthabern in einer Sackgasse. In genau jener Sackgasse, an deren Ende sich die Evangelischen schon lange befinden.
Und die Verwechselung des Sozialen mit dem Religiösen ist da nur ein Ausdruck, die Verwechselung des Politischen mit dem Religiösen, bzw. das Abgleiten der Moral ins Moralistische sind dann weitere Symptome!
... "missionarische Kraft" ... ? Mission ist heute in der kath. Kirche weitgehend verpönt oder wird auf die eigenen Gläubigen beschränkt. Juden von der "Schmach des Kreuzes" zu überzeugen gleicht einer Sünde. Bei Muslimen fürchtet man zusätzlich zu gestörtem small talk auch tätliche Folgen.
Der Papst hat sich kürzlich gegen "Proselytenmacherei" ausgesprochen.
Die Missionare missionieren sich nun am besten selbst.