Achtung, Satire! Deutschland macht sich nass

Kein Witz, aber komisch: „Facebook testet in den USA einen Hinweis für Satire-Meldungen. Die Nutzer wünschten sich bessere Möglichkeiten, um satirische Artikel von anderen Inhalten unterscheiden zu können, so ein Facebook-Sprecher. Testweise erscheine deshalb ein Satire-Hinweis vor Links auf Spaß-Meldungen im Internet.“

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Liebes Facebook, solcher Hinweise bedarf es in Deutschland nicht. Satire erkennt man bei uns einfach daran, dass es nichts zu lachen gibt. Was auf „Spiegel online“ unter „Spam - Satire“ oder bei der „taz“ als „Die Wahrheit“ läuft, ist so mundwinkelliftend wie ein Furzkissen, welches einem Besoffenen auf dem Oktoberfest untergeschoben wird.

Der „Neuen Rheinpresse“ verdanken wir den Gag (Achtung: hoher Schlapplachfaktor!), ab 2016 dürften in der EU keine Schnürsenkel mehr verkauft werden, weil das Schuhzubinden zu lange dauert und daher das Bruttosozialprodukt schwächt. Die „Welt“ unterhält ein Portal namens „Glasauge“, das die Facebook-Initiative vorauseilend umgesetzt hat. Unter dem Rubrum „Vorsicht, Satire!“ erfreut es die allerdoofsten Welt-Leser mit Schlagzeilen wie „Zu viel Dreck und Arbeit – Hund setzt Familie aus.“ Die ehedem spaßmaßgebende „Titanic“ arbeitet derweil unter ihrem neuen Vorsteher hart daran, wie das Remake der Bierzeitung für einen Abiball von 1965 rüberzukommen.

Was passiert, wenn sich öffentlich-rechtliche Funkanstalten in Witsischkeit versuchen, ist den Usern leidvoll bekannt. Lachsalven prasseln da höchstens vom Band, wenn der ins Schallarchiv entsandte Humorbeauftragte irgendwelche O-Töne von Politikern sinnfrei zusammenschnippelt und das Ganze mit einem von Möchtegern-Sarkasmus triefenden Kommentar unterlegt. Durchschnittlich zwei gute Lacher pro Woche offeriert immerhin der „Stern“. Dank seiner Rubrik „Ein Quantum Trost“, für die der „Titanic“-Altmeister Thomas Gsella reimt. Der Stern-Cartoonist Til Mette ist sowieso immer eine Bank, will man vor lauter medialem Frohsinn nicht gänzlich depressiv werden.

„Extra 3“ dagegen, laut Eigeneinschätzung eine Satiresendung des NDR-Fernsehens, piesackt die Zuschauer regelmäßig mit den „Neuesten Nationalen Nachrichten“. Darin werden Hitler-Reden (hö, hö) derart umfrisiert (hi, hi), dass sie wie ein Anschiss des Führers in Richtung irgendwelcher NPD-Spacken aus dem Osten (har, har) klingen, die kein Schwein kennt. Hier vermählen sich gusseiserner Bespaßungswillen und tapfere Erfüllung der antifaschistischen Grundversorgungspflicht. Chapöchen.

Seit die „Heute Show“ des ZDF die ARD witzquotenmäßig abgehängt hat, indem sie den Schreibstubenhumor der Letzteren geschickt recycelte und zudem von einem bewährten Lachsack aus der ZDF-Fußballexpertenecke aufsagen lässt, sinnt das Erste auf Revanche. Anfang dieses Jahres kontaminierte der NDR den Äther mit sechs Folgen von „Postillon24“, eine von ihrer Intention her satirische Nachrichtensendung mit Dünnpfiffcontent nach Art des „Postillon“. Beim Postillon handelt es sich um eine von Mainstream-Medien gehypte, praktischerweise mit einem „Grimme Online Award“ lamettierte Website. Praktisch deshalb, weil der Marler Preisverleihbetrieb bekanntlich aufs Engste mit den Öffis verfilzt ist.

Der Postillon benötigt ebenfalls keinen Facebook-Hinweis auf seine schwerstsatirischen Absichten. Bereits der Titel - Frakturschrift, gerahmt von Posthörnern und Steckenpferdchen – zwinkert dem Leser erbarmungslos zu: Hier beginnt der Juxbereich! Ey, wir sind echt komisch! Aus dem Innersten der Wortspielhölle:

„Besorgte Mutter: Sohn hatte am Fahrrad eine Schraube locker ++++ Docktor dringend benötigt: Schon wieder Autofahrer ins Hafenbecken gerast++++ Schienen ganz nett: Lokführer zufrieden mit neuem Arbeitsumfeld ++++Glühender Camping-Anhänger: Urlauber trauert um seinen ausgebrannten Wohnwagen.“

Gacker! Prust! Und es geht weiter!

„Ermittlungen gegen Glashersteller: Betroffene bemängeln fehlende Transparenz ++++ Hochkonzentriert: Chemiker vorsichtig mit Salzsäure ++++ Lässt nichts anbrennen: Koch vernasch…“

Okay, okay. Schluss mit Lustig. Zur Beruhigung aller, die genervt sind, wenn auswärtige Blätter unser angebliches Super-Deutschland neuerdings in den Himmel jazzen: Am deutschen Witzwesen wird die Welt bestimmt nicht genesen.

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com

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