Abhöraffäre: Nur Gewinner?

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Die Empörung ist groß – und künstlich. Denn man möchte nicht annehmen, daß die Bundesregierung inklusive Kanzlerin so naiv ist zu glauben, daß in der Politik und wenn es um Macht geht, auch Freunde“ ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen, um Vorteile in Wirtschaft und Sicherheit zu erlangen. Erst recht nicht, wenn es sich um Angelsachsen handelt, für die Business immer vor Emotionen rangiert. Lord Palmerston, Premierminister seiner Majestät,fasste es schon vor 160 Jahren in die Worte: „Großbritannien hat keine ewigen Feinde und keine ewigen Freunde. Es hat nur ewige Interessen. Und selbstverständlich herrscht auf der Insel heute ein Abhörstaat, so wie auf der großen Insel Amerika auch. Und unsere französischen Freunde, die sich derzeit auch gekonnt empören, haben ebenfalls ihre Dieste mit den großen Ohren. Von den Russen und Chinesen erst gar nicht zu reden, aber bei diesen fernen Freunden ist das ja sowieso  klar.

Die Chinesen haben da sogar eine gewisse Tradition. Schon der Vater der Strategielehren, Sun Tsu, wollte schon vor zweieinhalb tausend Jahren die politischen Ziele am liebsten ohne Krieg, sondern durch Psychologie und geschickte Informationsnutzung – sprich Spionage und Desinformation – erreichen. Ähnlich argumentierte übrigens Clausewitz. Und befinden wir uns nicht in einem Wirtschaftskrieg und auch einem Krieg gegen den Terror?

Wozu also die Empörung? Für Freund Hollande kommt die Affäre zum rechten Zeitpunkt. Sie lenkt von einer ganzen Reihe innerer Probleme ab und schafft Solidarität mit „Angela“, der großen Wahlsiegerin, deren Niederlage man im Elysee zu gern gefeiert hätte. Auf dem Rücken des Großen Bruders mit den langen Ohren lässt sich gut tanzen. Aber auch für Merkel lässt sich aus der

Affäre politisches Kapital schlagen. Jammern macht gesellig, sagen die Rheinländer. In Berliner Umstände übersetzt heißt das: Gemeinsames Empören mit den Sozialdemokraten, geteiltes Leid sozusagen, schafft eine gute Grundlage für die Koalitionsverhandlungen. Die Opfermystik schliesst die politisch eh  schon geschlossenen Reihen und übertönt manche programmatische Differenz.

Also nur Gewinner, die nur aussehen wie Verlierer? Nicht ganz. Ziemlich dumm stehen die Amerikaner da. Sie haben sich ertappen lassen. Zwar haben sie nichts zu befürchten. Es wird weiter business as usual geben, die Show geht weiter. Und wer glaubt, das Abhören höre auf, der ist wirklich naiv. Aber die Glaubwürdigkeit Obamas ist nun völlig dahin. Es wäre besser, er würde seine Dampfplaudereien von Freundschaft und Vertrauen einfach lassen und ehrlich um Amerikas Interessen werben. Sonst hört keiner mehr hin, die NSA natürlich ausgenommen.

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