Kann man so unprofessionell sein?

»Tagesschau« verbiegt Papst-Rede

Als »Rede zur Flüchtlingspolitik« wird die Papst-Rede vor dem EU-Parlament in der »Tagesschau« präsentiert. Das ist verzerrt bis zur Unkenntlichkeit. Im »Heute-Journal« wurde die Rede korrekt wiedergegeben.

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In der Hauptsendung der »Tagesschau« um 20 Uhr am gestrigen Dienstagabend wurde die Rede von Papst Franziskus als »Rede zur Flüchtlingspolitik« annonciert. Als Kernsatz des Papstes, mit dem die Anmoderation des Filmbeitrags begonnen wurde, hieß es: »Papst Franziskus hat die europäischen Staaten aufgefordert, sich stärker für Flüchtlinge einzusetzen.« Sodann verlas Moderator Jens Riewa, als bestehe ein direkter Zusammenhang dazu: »In einer Rede vor dem Europaparlament rief das Oberhaupt der katholischen Kirche dazu auf, den Mensch in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen.«

Im anschließenden Filmbericht von Arnim Staudt werden zwei Auszüge aus der Rede gezeigt; im ersten kommt das Wort vom Mittelmeer als großem Friedhof, im zweiten ein Zitat des Papstes aus einem Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), genauer: aus »Gaudium et spes«, der Pastoral-Konstitution über die Kirche in der Welt von heute. Das zweite Zitat hat mit dem ersten nur bedingt etwas zu tun, es gehört zu den abschließenden Bemerkungen, mit denen Franziskus seine Rede beendet.

Abschließend kommt Parlamentspräsident Martin Schulz zu Wort: »Der Besuch eines solchen Papstes ist ja kein Happening«, sagt der. »Sondern das ist die Chance, vor einem großen Auditorium seine Botschaft zu übermitteln. Mein Eindruck ist: Die Botschaft ist angekommen.« Ganz offensichtlich sieht das der ARD-Berichterstatter ganz genauso. »Der Papst ist abgereist«, meint er aus dem Off. »Jetzt ist es an den Politikern, was sie aus seiner Botschaft machen.«

Eine üble Verfälschung

Was sich die »Tagesschau« mit diesem Bericht geleistet hat, ist eine üble Verfälschung des tatsächlichen Geschehens in Straßburg – übler noch als die schnellen Reaktionen von Medien wie dem Neuen Deutschland oder der Frankfurter Rundschau. Aber die finanzieren sich wenigstens privat und stehen deshalb immer unter dem Druck, möglichst effizient zu arbeiten. Da schleichen sich natürlich Fehler ein; und dass die vor allem das schreiben, was ihre Kunden lesen möchten, versteht sich eigentlich von selbst.

Die »Tagesschau« hingegen ist das so genannte Flaggschiff des öffentlich-rechtlichen Senderverbundes ARD, der mit vielen Milliarden Euro finanziert wird – zwangsweise erhobene Gebühren, die jeder zahlen muss, der nur ein Dach über dem Kopf hat. Nichtnutzung der Dienstleistung schützt vor Zahlungsverpflichtung nicht – ein Ausstieg aus dem System ist nicht vorgesehen. Dass ausgerechnet hier so getan wird, als habe der Papst eine »Rede zur Flüchtlingspolitik« gehalten, ist schlechterdings eine Unverschämtheit.

Es ist bei diesem Papst nicht immer leicht herauszufiltern, um was es ihm eigentlich geht. Aber es ist möglich. Und im Falle seiner Rede vor dem Europäischen Parlament ging es nicht in erster Linie über »Flüchtlingspolitik«, auch nicht um das Drama von Schiffbrüchigen auf dem Mittelmeer. Sondern Franziskus lag daran, wie er eingangs seiner Rede betonte, eine »Botschaft der Hoffnung« auszusenden, »die auf der Zuversicht beruht, dass die Schwierigkeiten zu machtvollen Förderern der Einheit werden können, um alle Ängste zu überwinden, die Europa durchlebt.« Außerdem ging es ihm darum, »die enge Verbindung hervorzuheben, die zwischen diesen beiden Worten besteht: ›Würde‹ und ›transzendent‹.« Wenn man aus diesem Papst nicht schlau wird, liegt es vielleicht auch daran, dass viele Medien – unter anderem die öffentlich-rechtlichen – seine Aussagen immerzu verzerrt wiedergeben.

Ist es zuviel verlangt, dass eine Rede korrekt wiedergegeben wird? Wohl kaum! Aber es scheint nicht selbstverständlich zu sein. Vermutlich handelt es sich im vorliegenden Fall weder um Dummheit noch um eine vorsätzliche Fälschung. In jedem Fall scheint bei Staudt ein immer häufiger zu diagnostizierender Mangel an religiöser Bildung durch: Was der Papst ist, welche Rolle er einnimmt, welches Amt er innehat – das liegt ihm so fern wie sonstwas. Man kann es ihm nicht verübeln, er kann ja auch nicht unbedingt etwas dafür. Aber der ARD kann man durchaus verübeln, dass sie die umfangreichen Mittel, die ihr zur Verfügung stehen, nicht besser einsetzt, zum Beispiel um Mitarbeiter zu beschäftigen, die etwas bessere Allgemeinbildung haben.

Das »Heute Journal« macht es besser

Das ZDF hat übrigens eine deutlich bessere Leistung gezeigt. Im »Heute Journal« verlas Gundula Gause eine Meldung, in der zwar auch die Dramen, die sich auf dem Mittelmeer abspielen, in den Vordergrund gerückt wurden, in der aber dieser Passus einigermaßen korrekt proportioniert behandelt wurde. So wurde auch Franziskus‘ Forderung nach Einheit und »Rückbesinnung auf die ursprünglichen Werte Europas« wiedergegeben. Dass dabei jeder Bezug zum Christentum getilgt wurde, der in der Rede selbstverständlich auftauchte – der Papst sprach davon, dass der Beitrag des Christentums zur Zukunft Europas »nicht eine Gefahr für die Laizität der Staaten« darstelle, »sondern eine Bereicherung« – fällt dabei kaum noch ins Gewicht.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: P.Feldmann

Dieser Vorfall wirft in der Tat ein Licht auf den desaströsen Journalismus der ARD, der der Propaganda und Volksverdummung nahe kommt. Im WDR Radio war die Darstellung übrigens genauso verfremdend.
Diese Form von ÖR bringt keine Berichte über Realität - sie <berichtigt< die Realität (stellt sich also über sie). Ich bin mir nicht sicher, ob man sowas überhaupt noch Propaganda nennen darf.

Die GEZ-Steuer erweist sich zunehmend als verzerrend für die Wahrheit u. die Demokratie. Auf unseren Schultern füttern wir eine Kretinequipage durch, die zu eigenem Broterwerb vermutlich kaum noch fähig ist, die uns aber das Zaunzeug zwischen die Zähne legen will.

Gravatar: Gerd Müller

Mich wundert nichts mehr !
Hier hat wohl nur noch ganz übles Pack die Macht !

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