Peter Kurth und Frank Schäffler im Berliner Hayek-Club

Wer »Rekommunalisierung« sagt, meint Verstaatlichung, erklärt Peter Kurth. Im Berliner Hayek-Club zeigte er auf, wie Kommunen Innovationen blockieren und Dienstleistungen für die Bürger richtig teuer machen.

Foto: Raimond Spekking / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 (Ausschnitt)
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Die letzte Ausgabe des Berliner Hayek-Clubs widmete sich einer wenig beachteten, mithin sträflich unterschätzten Problematik, die gleichwohl jeden etwas angeht: die Leistungserbringung durch Kommunen. Was sich so unspektakulär anhört, birgt einigen Sprengstoff, denn es geht hier um einen milliardenschweren Wirtschaftszweig und eine grundsätzliche ordnungspolitische Frage. Letztlich entscheidet sich hier, ob die Bedürfnisse der Bürger mit Hilfe eines freien Marktes befriedigt werden oder ob die Obrigkeit sagt, welche Bedürfnisse die Bürger haben »dürfen«.

Als Referent eingeladen war Peter Kurth, CDU-Mitglied, Finanzsenator in Berlin von 1999 bis 2001, danach Vorstandsmitglied beim Entsorgungsunternehmen ALBA und Viezepräsident der Europäischen Föderation der Entsorgungswirtschaft. Vor diesem Erfahrungshintergrund war er ein berufener Experte, der Erhellendes, aber auch Bestürzendes über das Verhältnis von Kommunen zur privaten Entsorgungswirtschaft mitteilen konnte.

Es ist schon bemerkenswert, sagte Kurth, wie positiv das unternehmerische Engagement von Kommunen gesehen wird. Zwar gewähren viele Länder ihren Kommunen die Möglichkeit, auf dem Markt aufzutreten – allerdings ist diese Möglichkeit zur Regel geworden; sie wird quasi als Aufforderung verstanden, privaten Dienstleistern Konkurrenz zu machen. Also engagieren sich Kommunen, was jedem bekannt sein dürfte, sich bei der Abfall-, der Energie- und der Wasserversorgung und dem ÖPNV. Doch auch in Bereichen wie dem Beherbergungswesen oder der Schönheitspflege hat man schon kommunale Anbieter gesehen. Und die Bevölkerung, scheint es zumindest, heißt dieses Engagement auch noch gut.

Dass die Monopolisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge – ein Ausdruck, unter dem alles verstanden werden kann – fatale Auswirkungen auf die Freiheit der Wirtschaft und den Geldbeutel der Bürger hat, sehen nur die wenigsten. Kurth diagnostizierte den Deutschen ein wenig freiheitliches Bewusstsein. Der Staat und die Kommunen genießen fast unbeschränktes Vertrauen, dem Unternehmertum hingegen steht man höchst skeptisch gegenüber.

Dabei sollte es gerade umgekehrt sein, eine Behauptung, deren Plausibilitätsgehalt Kurth am Beispiel der Abfallwirtschaft anschaulich erläuterte. Wobei es hier inzwischen nicht mehr nur darum geht, Hausmüll auf die nächste Deponie zu befördern. Sondern Entsorgungsunternehmen haben inzwischen  ihr Angebot auf den gesamten Rohstoffkreislauf ausgeweitet. Deponien werden schon lange nicht mehr angefahren, weil sie geschlossen worden sind, und Müllverbrennungsanlagen haben keine Zukunft mehr. Vielmehr gilt es angesichts weltweit knapper werdender Rohstoffvorräte, Müll zu sortieren und beispielsweise die darin enthaltenen Kupferbestandteile wiederzuverwerten. Die Industrie ist dazu in der Lage, die Kommunen in der Regel nicht. Dennoch hindern sie die Industrie daran, ihre Kompetenzen zur Geltung zu bringen, indem sie sich das Monopol auf die Müllbehandlung sichern.

Über die Motive der Kommunen, Innovationen zu blockieren und Dienstleistungen für die Bürger teurer zu machen als nötig, lässt sich nur spekulieren. Vermutlich sind Eigenbetriebe – die Rechtsform ist letztlich gleichgültig – für Bürgermeister und andere Lokalpolitiker ein Instrument, um Handlungsspielräume, die sie an anderer Stelle verloren haben, zu kompensieren. Kurth brachte das Beispiel der Berliner Stadtreinigungsbetriebe BSR, die Sportvereine unterstützt, die anderswo keinen Sponsor gefunden haben. Das ist für die Empfänger schön – aber warum soll der Gebührenzahler für diese versteckte Subvention aufkommen? Und werden auf diese Weise nicht Zwangsabgaben parlamentarischer Kontrolle entzogen?

Dass Umweltverbände sich als Bündnispartner der Entsorgungswirtschaft entpuppt haben, weil auch sie gegen Deponien und Müllverbrenunng sind, stimmte Kurth optimistisch. Ansonsten aber hatte er wenig Optimistisches zu berichten. So berichtete er über den Kauf des Energieunternehmens Steag durch ein Konsortium von Kommunen aus dem Ruhrgebiet: Diese Rekommunalisierung droht für die Beteiligten – die Städte gehören wohl nicht von ungefähr zu denen, deren Pro-Kopf-Verschuldung am höchsten ist – zu einem finanziellen Desaster zu werden, weil mit Geld bezahlt wurde, das einfach nicht da ist. Das ist die Art, Politik zu machen, erläuterte Kurth, die geeignet ist, den Standort Deutschland zu gefährden.

Mehr Liberalismus wagen – das müsste die Devise sein. Bloß: An wen soll der Ruf gehen? Der zweite Referent des Abends war Frank Schäffler (FDP), der gerade sein Abgeordnetenmandat im Bundestag verloren hat. Auch er hatte – nachdem die FDP die Fünfprozenthürde nicht gemeistert hat – wenig Positives zu berichten. Sein Vortrag machte allerdings auch deutlich, dass es jetzt, da die Partei am Boden liegt, nur noch bergauf gehen kann. Die liberalen Kräfte haben jetzt vier Jahre Zeit, sich zu sammeln. Schäffler will diese Zeit nutzen, um »Freiheitsinseln« aufzuschütten, also innerhalb wie außerhalb der Partei liberale Kräfte zu sammeln und zu vernetzen. Dass man dabei viel Frustrationstoleranz aufbringen muss, wusste er aus eigener Erfahrung zu berichten. Dennoch gab sich Schäffler durchaus optimistisch. Der liberale Aufbruch kann gelingen – was die NEOS in Österreich vorgemacht haben, kann die deutschen Liberalen nur anspornen. Ob allerdings die AfD die neue Partei des Liberalismus in Deutschland werden wird, wie eine Stimme aus dem Publikum erwartete, bezweifelte Schäffler.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hofmann,M

Die politisch ethisch motivierte und aus ideologischen Gründen geführte Energiewende ist doch das beste Beispiel für Verstaatlichung.
Die Energieerzeugung wird nicht mehr in der Marktwirtschaft vollzogen, sondern von der Ideologie der deutschen Politik von A nach B hochgeschauckelt und dem Bürger Wirtschaftlichkeit vorgeschauckelt. Das Ergebnis dieser Energieverstaatlichung sieht man an immer höher steigenden Energie-Strompreisen und ein immer schlechter funktionierendes Stromversorgungsnetz!
Die deutsche staatliche Energieversorgung ist TEUER und UNEFFEKTIV. Damit wird Arbeitsplatzvernichtung mit den gut bezahlten Industriearbeitsplätzen betrieben und in Folge dessen werden der Mangel und der Armut in Deutschlands Wohlstandszimmer Einzug halten!
Dann jammert die Politik wieder, dass der Strompreis (EEG/Energiewende) zu hoch und die neuen Arbeitsverhältnisse zu billig (geringer bezahlte Arbeitsplätze, da die Industrie Schritt für Schritt aus Deutschland verschwindet) sind.
Es wird dann wieder von der Politik ein Hilfspaket für sozial Schwache verlangt. Z.b. einen Energie-Stromzuschuss zu den Hartz IV Bezügen. Und weiterhin wird die flächendeckende Mindestlohn Debatte weiter um sich greifen. Mit der Folge, dass die Arbeit weiterhin vom Staat subventioniert wird. Ein Mindestlohn ist nämlich nichts anderes als eine staatliche Subvention. Dieser Mindestlohn muss nämlich auch erstmal erwirtschaftet werden von einen Friseuer oder einen anderen Kleinbetrieb. Dies geht in den meisten Fällen jedoch in die Hose. Entweder die Kleinbetrieb machen auf "Schwarzarbeit" oder diese Betrieben werden mit der Zeit an der Writschaftlichkeit scheitern. Und zum Schluss landen ALLE wieder beim deutschen Sozialstaat (Arbeitslosengeld, Hartz IV usw.usw.)
Mit der Verstaatlichung der Energiewirtschaft und anderen Teilen der Wirtschaft gräbt der deutsche Staat sein eigenes Grab. Das System des Arbeit- und Bauernstaat DDR lässt grüßen. Aus der Vergangenheit ist Fr. Merkel und Co. anscheinend nicht schlau geworden. Hinzugewinnung an Wissen = NULL!

Gravatar: Freigeist

Die Bilanzen von Entsorgungsbetrieben gehören verpflichtend ins Internet gestellt. Auch die Gehälter der Führung.

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