Brief aus Brüssel

Nur Betroffenheitsrhetorik

Für die EU ist Religionsfreiheit keine Priorität. Die meisten EU-Politiker gehen den wirklich wichtigen Fragen nach dem Angriff auf »Charlie Hebdo« aus dem Weg. Man redet lieber feierlich am Thema vorbei.

Veröffentlicht:
von

Für die EU ist Religionsfreiheit keine Priorität. Die Anerkennung der Grundrechte unterscheidet zwischen mehr oder weniger wichtigen und schützenswerten Grundrechten. Angesichts fehlender Orientierung in Sachen Identität Europas gehen die meisten Politiker in Brüssel den wirklichen Fragen nach den Angriffen auf Charlie Hebdo aus dem Wege. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, die Fraktionsführer im EU-Parlament und der Erste Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans üben sich in Betroffenheitsrhetorik. Die EU hat keine Position im Umgang mit dem Islam. Die politisch Verantwortlichen reden feierlich am Thema vorbei.

Für strenggläubige Muslime sind bildliche Darstellungen des Propheten  Mohammed Gotteslästerung. Die journalistische Grundlinie der französischen  Satirezeitung Charlie Hebdo besteht aber aus Provokation und Verunglimpfung von Politikern, Religionen und Religionsführern. Gotteslästerung und Religionsverhöhnung mit vulgären Zeichnungen sind gewollte Elemente der

journalistischen Linie dieser Zeitschrift. Dazu bekannte sich die Redaktion von Charlie Hebdo ausdrücklich. Die Attentäter bekannten sich ihrerseits  ausdrücklich zu ihrer Religion: »Wir haben den Propheten gerächt!«.

Der Anführer von Al-Qaida im Jemen sagte, das Ziel sei sorgfältig ausgewählt  worden, mit dem Anschlag sollte die Ehre des Propheten Mohammed wieder  hergestellt werden. Nicht nur weit weg in der arabischen Welt, sondern auch  ganz nah in den muslimisch geprägten Vororten von Paris und den französischen

Metropolen wurden die Täter als Helden gefeiert. Charlie Hebdo druckte nach dem Angriff umgehend eine neue Karikatur des Propheten Mohamed auf die  Titelseite. Daraufhin kam es in einigen islamischen Ländern zu teils  gewalttätigen Protesten. In der nigrischen Hauptstadt Niamey wurden christliche Kirchen in Brand gesetzt. Über die brennenden christlichen Kirchen in der muslimisch geprägten Welt verloren die Verantwortlichen in Brüssel gleichwohl kein Wort!

Religionsmotivierte Terroranschläge sind inakzeptabel; inakzeptabel ist es aber auch, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Religion und religiöse  Personen zu beleidigen. Natürlich gibt es einen Unterschied in der Kategorie.  Gewaltanwendung ist in jedem Fall ein Verbrechen, erst recht Mord, ganz gleich  wie sie motiviert ist. Dafür gibt es Gesetze, um sie zu ahnden. Die verantwortungslose, provozierende Blasphemie ist ein Vergehen. Auch dafür gibt es Gesetze mit anderem Strafmaß. Inakzeptabel ist beides. Allein diese  Unterschiede anzuerkennen, dazu konnten sich Politiker in Brüssel und  Strasbourg jedoch nicht durchringen. Deswegen bleiben in Brüssel die

Trauerbekundungen politische Betroffenheitsrhetorik. Nach Ursachen und Motiven wurde nicht gefragt. Dagegen setzten die führenden Politiker in allen europäischen Hauptstädten Scheuklappen auf und forderten: »Kein Amalgam«, »Kein Populismus«, »Diese Attentate haben nichts mit dem Islam zu tun«.

In Brüssel und Strasbourg benennt niemand wirklich die Ursachen. Das geht aus  dem Wortprotokoll der improvisierten Aussprache zur Eröffnung der Plenarsitzung am 12. Januar hervor. Die Aussprache kam durch eine neuerliche Verletzung der Geschäftsordnung durch Parlamentspräsident Martin Schulz zustande, denn der Tagesordnungspunkt wurde weder angekündigt noch vom Plenum beschlossen, und es durften auch nur im Voraus ausgewählte Abgeordnete das Wort ergreifen. Weder Schulz, noch die Vertreter der Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen  und Grünen benannten die Hintergründe des Anschlags, nämlich religiös  motivierte Rache für ständige vorsätzliche provokante Beleidigungen durch

Charlie Hebdo. Alle großen Fraktionen des EU-Parlaments redeten feierlich am  Thema vorbei.

Auffallend waren nur zwei Stellungnahmen : die Grünen sprachen  sich für die Fortsetzung ihrer Multikulti-Politik aus, um noch mehr gegen die  Stigmatisation und die Diskriminierung von »Europas Kindern« aufgrund ihrer Religion, ihres Namens, ihrer Herkunft oder des Stadtteils, in dem sie leben, vorzugehen. Nigel Farage, der  Führer der UKiP, nannte indes die Verantwortlichen bei ihrem Namen, nämlich die Politiker selbst: »Wir müssen ehrlicherweise eingestehen, dass viele der politischen Entscheidungen, die zu diesen Ereignissen beitrugen, wir selbst hier trafen. Schlimmer noch, wir haben uns der Leichtfertigkeit und der Schwäche schuldig gemacht, denn es fehlte uns am politischen Mut zum Bekenntnis unserer eigenen europäischen Identität und  zur Verurteilung von Parallelgesellschaften, deren Praktiken niemals vom Rest der Bevölkerung gutgeheißen werden. Als Ergebnis lebt heute eine »Fünfte  Kolonne« inmitten aller Mitgliedsstaaten, die unsere europäischen Grundwerte nicht akzeptiert. Wir müssen die große Mehrheit der Muslime, die selbst vom Bürgerkrieg terrorisiert wird, unterstützen. Aber solange wir nicht unsere eigene Verantwortung eingestehen, werden wir keine Lösungen finden. Ich schlage daher für die Zukunft vor, wesentlich stärker für unsere jüdisch-christliche Kultur Europas einzutreten.«

Man kann vom Ukip-Führer halten, was man will. Solche klaren Worte werden im EP aber leider nur von den Führern der kleinen Parteien und Fraktionen  ausgesprochen. Solange sich die Volksparteien und ihre Vertreter nur in Betroffenheitsrhetorik mit Scheuklappen üben, sprich ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, solange werden die Institutionen der EU nicht imstande sein,  Antworten auf die wirklichen Herausforderungen zu geben. Und wenn sie es weiterhin nicht tun, wird die Glaubwürdigkeit der Idee Europas und ihrer jetzigen Institutionen weiter Schaden nehmen.

Beitrag erschien auch auf: i-daf.org

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das..

Es ist wie auf Merkels Beerdigung alle wissen es aber keiner geht hin.

Gravatar: Karin Weber

Diese Leute in Brüssel sind - wie in vielen anderen Dingen auch - vollkommen naiv, konzeptionslos und am Bürgerinteresse vorbei an diese Sache herangegangen. Mittlerweile rächt sich das bitter, denn in vielen Ländern kann man die daraus kausal resultierenden Erscheinungen nicht mehr verbergen. Die Probleme sind tatsächlich und wieder haben die EU-Politiker kein Konzept zur Lösung. Aus meiner Sicht kann das nur in einem Fiasko enden. Nimmt man dann noch solche einheimischen Politiker wie Herrn Gauck unter die Lupe, der sich in Indien hinstellt und den Indern verkündet "Kommt zu uns, wir haben Platz und brauchen Fachkräfte!", dann macht der Buchtitel "Deutschland von Sinnen" schon irgendwie Sinn.

Es wird Zeit diese senilkonfusen Führungspersönlichkeiten mal wieder auf die Augenhöhe des Volkes herunter zu holen, damit mal ansatzweise begreifen, was ihre Politik hier für einen immensen Schaden auf Dauer angerichtet hat. Sowohl Zuwanderer als auch Einheimische sind hier Opfer einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Politik geworden. Wer muss dafür letztlich die Zeche zahlen? Herr EU-Schulz (SPD)? Herr Gauck? Frau Merkel? Ich glaube es nicht.

Gravatar: D.Eppendorfer

Es ist nicht nur "nur Betroffenheits-Rhetorik" ... es ist ein egomanisches machtgieriges Lügenboldtum, das uns Bürger zu bequem regierbaren Sklaven machen will, die sich ohne Mucks gehorsam ausbeuten lassen.

Leider gibt es einerseits genug raffinierte Profiteure und anderseits genug schlichte Untertanengemüter, die dieses perfide Abzockerregime wissentlich oder unwissentlich unterstützen. Die gebildete Gewissensmitte hat es also schwer im Kampf gegen die Kumpanei emotionsloser Intelligenz und intelligenzloser Emotion. Und es ist ein Kampf, einer um Pfründe, um Ressourcen und die Befriedigung elementarster Bedürfnisse wie bezahlbare Nahrung und Wohnung. Wenn viele trotz Arbeit im Winter nicht mehr heizen können, dann stellt sich diese empathielose Ausgeburt an Alternativlosigkeit frech hin und palavert davon, wie gut es uns allen doch geht. Und die selbstgefälligen Muttianbeter applaudieren ihr wie besoffen. Piefkeland wird von einer seltsamen Krankheit heimgesucht. Eine Hirnseuche grassiert, unter der nicht die Infizierten, sondern nur die Immunen leiden. Diese Krankheit heißt Dummheit.

Wen wundert es da, wenn dieselbe supertolle Meinungfreiheit, die bei Charlie auch von deutschen Bessermenschen in den EU-Himmel gejubelt wurde, daheim dann wenigen Pegidaleuten auf eine pervers-diktatorische Weise vorenthalten wird, wie sie an die echten Nazis erinnert? Verlogenheit und Scheinheiligkeit sind die neuen Werte der angeblich Anständigen bei uns. Jeder, der nicht mit den Wölfen heult, wird mit aller Mediengewalt platt gemacht. BRD = Betrüger Räuber Demagogen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang