Aktivisten vor Schloss Bellevue

Friedensdemo gegen Gauck

In Berlin haben am Samstag rund 4.000 Menschen für Frieden und gegen die NATO-Rhetorik des Bundespräsidenten demonstriert. Sie sind empört und fordern eine Deeskalation des Ost-West-Konfliktes.

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Bundespräsident Joachim Gauck und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen stoßen mit ihrer säbelrasselnden Militärrhetorik auf Kritik. Der Ruf nach Aufrüstung und wachsender deutscher „Verantwortung“ in der Welt wird als Schritt zur Beteiligung an weiteren Kriegen verstanden. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die trotz NSA-Abhörskandal, Drohnenkrieg und CIA-Folter völlig unverdrossen und kontinuierlich die Linie der Falken in Washington verteidigt, stößt in Teilen der Bevölkerung auf zunehmendes Unverständnis.

Am Samstag trafen sich tausende Friedensaktivisten und besorgte Bürger, um gegen die  Politik der NATO und die einseitige Berichterstattung in den Medien zu demonstrieren. Die Demonstranten versammelten sich gegen Mittag vor dem Berliner Hauptbahnhof auf dem Washingtonplatz und zogen von dort zum Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Auf dem Höhepunkt des Demonstrationszuges waren schätzungsweise 3.500 bis 4.000 Teilnehmer auf der Straße.

Es war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass eine Friedensdemonstration vor dem Amtssitz des Bundespräsidenten stattfand und sich gegen den Amtsinhaber persönlich richtete. Amtsvorgänger wie Richard von Weizsäcker und Roman Herzog hatten sich einst noch durch friedensstiftende Reden und Aufrufe zur Völkerverständigung einen Namen gemacht. Joachim Gauck dagegen fällt als Verfechter der NATO-Aufrüstung und militärischen Beteiligung Deutschlands auf.

Zur Demonstration hatte ein breites Bündnis aus mindestens 40 Organisationen aufgerufen. Darunter waren Gewerkschaften, politische Gruppierungen unterschiedlichster Couleur und mehrere Friedensbewegungen, die sich zum „Friedenswinter 2014/2015“ zusammengeschlossen haben. Die Demonstration verlief friedlich. Weitere Aktionen sollen folgen.

Zu den Forderungen dieses Friedensbündnisses gehören – unter dem Sichtwort „Kooperation statt Konfrontation“ – unter anderem eine gesamteuropäische Sicherheitspolitik, die Russland mit einbezieht, eine Stärkung der OSZE, der Verzicht auf militärische Interventionen und Waffenexporte sowie die atomare Abrüstung.

Drewermann: „Die NATO ist das aggressivste Bündnis, das die Welt je gehen hat!“

Einer der prominenten Redner war der Theologe Eugen Drewermann. Er kritisierte die deutsche Rüstungsindustrie scharf, die weltweit ihre Waffen in Krisenregionen verkauft. „Seit wann sind Profite wichtiger als Menschenleben?“, warf er als rhetorische Frage auf. Er verwies darauf, dass die NATO-Staaten mehr als das Zehnfache für Rüstung ausgeben wie Russland.

Als Theologe sieht er in der Rhetorik Gaucks eine Perversion der christlichen Werte. „Wenn Sie [Herr Gauck] uns erläutern, es sei Verantwortung, kriegsbereit in aller Welt zu werden: Wir sind das nicht, wir sind dagegen! Wohl ist es wahr, als wirtschaftsstärkster Staat Europas haben wir weltweit Verantwortung. Aber unter Frau Merkel ist die Verantwortung dahin gediehen, dass wir an dritter Stelle der Waffen exportierenden Länder stehen. Das will die Mehrheit in Deutschland nicht länger dulden.“

Unter Applaus rief er aus: „Herr Gauck, wir sind gegen den Krieg, weil jeder Krieg sich richtet, gegen das, was Weltverantwortung bedeuten würde. Und die Lüge lassen wir uns nicht beibringen, wir würden wegschauen, bloß weil wir endlich hinsehen.“

Die Entwicklung der NATO resümierte Drewermann folgendermaßen: „1989 versprach man Gorbatschow, es würde die NATO sich keinen Zentimeter nach Osten wegbewegen. Genscher noch verhandelte über die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Basis der Vorstellung, dass die neuen Bundesländer entmilitarisiert bleiben würden. […] Im Übrigen ist der Durchmarsch der NATO komplett. Elf Staaten, wie ein Krake jetzt, umklammern die Westgrenze Russlands. Die NATO steht in Georgien, will in die Ukraine, richtet ihre Stützpunkte ein in Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan, beansprucht die Lufthoheit in Mittelasien über Afghanistan. Überall da, wo die NATO nicht hingehört, steht sie heute. Sie ist kein Verteidigungsbündnis, sie ist das aggressivste Bündnis, das die Menschheit je gesehen hat.“

Eugen Drewermann wünscht sich eine Entmilitarisierung Europas. Außerdem gibt er zu bedenken: „Stellen wir uns eine Welt vor, in der die ungeheuren Mittel an Wissen und an Wirtschaft, an Wohlwollen und Frieden, konvertiert würden endlich in die Lösung der wirklichen Aufgaben der Menschheit, statt in den Wahnsinn, die Ostausdehnung der NATO als Friedensersatzpolitik hochzustilisieren.“ Die NATO werde seiner Meinung dafür missbraucht, die „Hegemonialansprüche der USA zu globalisieren“.

Solidarität mit dem Friedensaufruf der 60 Prominenten

Unter Applaus verwiesen die Redner und Moderatoren auf den Friedensaufruf von 60 prominenten Persönlichkeiten aus Politik und Kultur. Dem Friedensaufruf dieser Prominenten wolle man sich anschließen. Unter dem Motto „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“, hatten eine Woche zuvor der frühere Kanzlerberater Horst Teltschik (CDU), der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Walther Stützle (SPD) und die einstige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) den Aufruf initiiert.

Unterschrieben hatten den Aufruf unter anderem der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog, der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der frühere Bundesinnenminister Otto Schily, der ehemalige Ministerpräsident Manfred Stolpe, der frühere Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel, die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin mehrere andere hochrangige Persönlichkeiten aus der bundesdeutschen Politik.

Auch prominente Schauspieler wie Mario Adorf, Klaus Maria Brandauer, Hanna Schygulla und der Regisseur Wim Wenders gehören zu den Unterzeichnern, ebenso verschiedene Liedermacher, Sänger, Schriftsteller, Journalisten und Kabarettisten, wie beispielsweise Georg Schramm. Zahlreiche Theologen haben sich dem Aufruf angeschlossen, darunter Amseln Grün und Margot Käßmann.

Sie alle wollen, dass der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung endlich Einhalt geboten wird. Außerdem mahnen sie eine faire und ausgeglichene Berichterstattung an. Es wäre falsch, unvernünftig und gefährlich für den Frieden, Russland aus Europa hinauszudrängen.

Der Appell war in der Bevölkerung wohlwollend aufgenommen worden. Doch viele Zeitungen reagierten hysterisch und griffen die Unterzeichner mit einer Flut von kritischen Beiträgen, Leitartikeln und Gastbeiträgen an. Dies legt offen, wie die Prominenten in ein Wespennest gegriffen haben, indem sie es wagten, der Agenda der deutschen Medienlandschaft zu widersprechen und das auszusprechen, was viele kluge Köpfe in diesem Land denken.

Schließlich hatten sich ja schon zuvor die ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl sowie der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher besorgt über die wachsenden Ost-West-Spannungen in Europa geäußert. Selbst der ehemalige amerikanische Außenminister und US-Präsidentenberater Henry Kissinger hat zu diplomatischer Vorsicht gemahnt.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Otto von Rüdersdorf

Ich war auch auf der Demonstration-die sehr viel Spaß gemacht-vor allem die gute Rede von Herrn Drewermann und die mit Schuhen vollgeschmissene Wiese vor dem Palais des von der Stasibegünstigten "Präsidenten" der vergauckelten Freiheit Gauck.Was ist gaucksche Freiheit?
Freiheit für die NSA -Freiheit für die CIA und ihre Auftragskiller-Freiheit für jeden Krieg der USA.Wirklich furchtbar-dieser Typ
Aber was mich hinterher geschockt hat:Kein Fernsehbericht,keine Nachricht darüber im RBB und vor allem dann einen diffamierenden Text im Tagesspiegel:"Linksradikale,verwirrte Verschwörungstheoretiker und Rechtsradikale" unterstützen Putins Aggressionspolitik-unglaublich.Und diese Tonart wurde dann von den anderen Natopropagandamedien Spiegel,FAZ ,Süddeutsche und Welt übernommen.Wieder mal eine Bestätigung,daß diese Medien tatsächlich von den USA kontrolliert und beeinflußt werden.
Und das armselige Rumgeiere der Linken.Was ist wichtiger,liebe Linke:Sich für den Frieden einzusetzen oder sich den medialen und politischen Volksverdummern anzupassen?Auch wenn Rechte für den Frieden demonstrieren ist das gut.Und das Rechts dann immer gleich mit Nazi gleichgesetzt wird,ist doch eher eine Verschwörungstheorie.Ich habe auf der Demo keine kahlköpfigen Nazis oder geistig verwirrte Menschen gesehen.Es ist gut ,wenn alle Menschen in Deutschland gegen den Krieg auf die Strasse gehen-egal ob rechts oder links.Egal ob gesund oder psychisch leicht verwirrt.

Gravatar: Ulfi

Herr Gauck will, daß sich Deutschland "substanzieller" in die Weltpolitik einbringt. Er hält unter Umständen auch militärische Einsätze weit entfernt von deutschem Boden und sogar weit entfernt vom NATO-Gebiet für geboten. Ich dagegen finde, daß schon ein einziger "Weltgendarm" auf unserer Erde zuviel ist. Der Kampf um Rohstoffe und Absatzmärkte mag legitim sein - doch niemals mit militärischen Mitteln! Mein Opa Berthold ist 1915 an der Ostfront verblutet, meine Eltern wurden 1945 aus Schlesien und aus der Neumark vertrieben, zwei Onkels fielen 1944 als Ärzte in Rußland. Ein Plakat bei dieser Demonstration trug die Aufschrift des 5. Gebotes: "Du sollst nicht töten, Herr Pfarrer!" Andere Texte wandten sich gegen die haßerfüllte Rußlandpolitik aus Brüssel,aus Washington und leider auch aus Berlin.

Gravatar: gesche

Joachim Gauck ist der mieseste Bundespräsident, den Deutschland je hatte. Permanent mischt er sich in die Tagespolitik ein. Zuletzt in Thüringen. Er überschreitet seine Kompetenzen. Wohin er Deutschland haben will, hat er Anfang des Jahres gesagt: Deutschland muss mehr Verantwortung in der Welt übernehmen.

Gravatar: Jens Muench

Wie ein großer Teil der Bevölkerung bin auch ich enttäuscht von dieser Politik. Aber so sehr meine Unzufriedenheit diese Sichtweise drückt, weiß ich, dass das leider normal ist. Man kann es eben nicht jedem recht machen. Schlimm finde ich nur, dass durch die Konsequenzen Arbeitsplätze verloren gehen.

Wenn man sich das Vorhaben KMWs und Nexters ansieht: sie planen mit nächstem Jahr eine Fusion. Ich kann mir gut vorstellen warum... Durch diese Exportpolitik verjagt man ja jeden halbwegs profitlustigen Unternehmer. Mit Frankreich wird die Exportlimitierung vollends aufgehoben sein und KMW kann alle Welt beliefern. Nur.... wieviel muss das sein, damit KMW die hohen Sozialabgaben wieder einholen kann, die es in Frankreich vorfinden wird.
Und wohin werden die Arbeitsplätze verschwinden, die in Deutschland dann nicht mehr gebraucht werden? Wenn die Politik so weiter macht, verliert sie ein Qualitätsunternehmen, Arbeitsplätze und auch Wirtschaftseinbußen ...auf einen Schlag! Da muss was getan werden!

Gravatar: Klartexter

Gauck wäre ein guter Militärpfarrer, ist aber ein schlechter Bundespräsident, dank des Vorschlags von Rösler, FDP. Und mir Mutti war es nicht abgestimmt.

Gravatar: siggi

Will nicht sagen, wo Frauen und alte Männer regieren, ist Krieg nicht weit; siehe Thatcher. TTIP ist der Ausgleich für den verlorenen Absatzmarkt in Russland. Anders ausgedrückt: Eintrittskarte zum US-Markt, dann ist Globalisierung vollendet.

Gravatar: Karin Weber

Der Verweis das die Politik von Frau Merkel auf Unverständnis stößt ist unverständlich. Pausenlos prasselt auf uns ein, wie zufrieden alle mit der Politik von Frau Merkel sind. Nach jeder Meinungsumfrage gehen diese Beliebtheitswerte von neuem durch die Decke. Also irgendwas kann da wohl nicht stimmen. Den Eindruck, dass die Bürger verarscht werden haben diese allerdings schon lange.

Zu Herrn Gauck erspare ich mir jegliche Worte. Diesen Posten kann man getrost abschaffen und das Schloss Bellevue mit Zuwanderern belegen. Es gehört zur Willkommenskultur der politischen Klasse, die Zuwanderungswilligen in Schlössern unterzubringen:

http://www.zak.de/kommentar/neu?artikelID=240808&pkommentarID=11130

Derweil darben deutsche Rentner mit Minirenten in kleinen Wohnungen . Ich polemisiere damit ausdrücklich nicht, sondern ich spreche die Tatsachen offen aus. Dieses Recht zur Kritik wird durch die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit gewährt.

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