Prof. Patrick Sensburg Mitglied des Bundestages (CDU)

Prof. Patrick Sensburg (CDU) nach seinem überraschenden JA zum EFSF

Der Jura-Professor Patrick Sensburg war bisher ein Gegner der Euro-"Rettungsschirme". Noch drei Tage vor der Abstimmung votierte er in einer Probeabstimmung im Bundestag der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe zusammen mit Carsten Linnemann und Wolfgang Bosbach gegen den EFSF. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entschied er sich anders. Gegenüber Abgeordneten-Check.de erläutert der gebürtige Sauerländer seine Beweggründe:

 

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Abgeordneten-Check.de: Sie erklären: Ausschlaggebend für Ihr Stimmverhalten seien die verantwortungslosen Alternativen der Opposition gewesen. Welche Vorteile sehen Sie im jetzigen Ergebnis, gegenüber diesen Alternativen?

Patrick Sensburg: Die Zustimmung zur Ertüchtigung des EFSF ist der verantwortungsvollere Beitrag im Sinne der deutschen Haushaltsverantwortung als der von Peer Steinbrück und der SPD gezeichnete falsche Weg, der beispielsweise auch Euro-Bonds beinhaltete. Ich glaube, dass Griechenland nicht um eine Umschuldung herum kommt. Dann brauchen wir eine Firewall zur Stabilisierung der Banken.

Abgeordneten-Check.de:  Sie sprechen gleichzeitig von einem noch unklar ausgestallten EFSF. Wo sehen Sie die hauptsächlichen Schwächen in dem Gesetz?

Patrick Sensburg: Der EFSF löst weder das Verschuldungsproblem, noch wird ein überzeugendes Anreizsystem zur Schuldenvermeidung in den Euro-Staaten geschaffen. Im Ergebnis werden neue Kreditzahlungen ermöglicht. Wenn das Problem in der zu hohen Verschuldung einiger Staaten der Euro-Zone besteht, vergrößern wir das Problem durch weitere Garantien nur. Dieses Vorgehen ist nicht förderlich für das notwendige Umdenken in der gesamten Eurozone. Der Kapitalmarkt wird sich nicht disziplinieren, wenn er weiß, dass jedes Land stets gerettet wird. Ein Rettungsschirm darf daher nur zwei Auswege kennen: Erfolgreiche Sanierung oder Insolvenz. Mit meiner Zustimmung zur Ertüchtigung des EFSF möchte ich dennoch den Weg eröffnen, dass wir zügig über die richtige Konstruktion des ESM nachdenken.

Abgeordneten-Check.de:  Sie sind nach wie vor überzeugt, Griechenland werde um eine Insolvenz nicht herumkommen.  Wie wird diese Insolvenz das Leben der Griechen und der Europäer verändern?

Patrick Sensburg: Das wird sich zeigen. Es wird sicherlich kein leichter Weg, aber ein notwendiger. Beispielsweise muss das Lohnniveau deutlich sinken – ich rechne mit rund 20 Prozent.  Ziel ist ein wirtschaftlich stärkeres und gesünderes Griechenland. Dabei werden wir Athen unterstützen. Ich habe immer für Solidarität in der EU geworben. Sie muss nur an den richtigen Stellen ansetzen.

Abgeordneten-Check.de:  Im Zuge einer Insolvenz Griechenlands müsste der EFSF, Ihrer Meinung nach, die Banken rekapitalisieren. Das EFSF-Geld landet bereits bei den Banken, nimmt aber einen Umweg über Griechenland. Wozu dieser Umweg?

Patrick Sensburg: Damit ein Staat Schuldner bleibt. Banken können verschwinden, Staaten nicht. Dies sichert unsere Ansprüche besser.

Abgeordneten-Check.de:   Sie vertreten die Ansicht, der Kapitalmarkt würde sich nicht disziplinieren wenn er wüsste, dass jedes Land stets gerettet wird. Was ist anders, wenn die Banken wissen, dass sie stets gerettet werden?

Patrick Sensburg: Es ist genauso wichtig, zukünftig eine Ordnung zu finden, die auch Banken eine geordnete Insolvenz ermöglicht. Ein „too big to fail“ müssen wir verhindern.

Abgeordneten-Check.de:  Sie sprechen sich für die Idee der Vereinigten Staaten von Europa aus. Inklusive Wirtschaftsregierung. Wie stellen sie sich diese vor?

Patrick Sensburg: Als längerfristige Vision gefällt mir der Gedanke der Vereinigten Staaten von Europa. Allerdings braucht jede Vision auch Details. Das Grundprinzip der Subsidiarität wäre in solche einem Modell noch wichtiger als heute. In einem Europa, das politisch und wirtschaftlich so stark zusammengewachsen ist, dass wir eine Wirtschaftsregierung haben, müssen Eigenarten der Mitgliedsstaaten, der Regionen und der lokalen Ebene beibehalten und geschätzt werden.

Zu den Vereinigten Staaten von Europa gehört auch ein starkes Europäisches Parlament. Es muss demokratisch so stark legitimiert sein, dass es in der Machtbalance mit der Kommission und dem Rat effektiv agieren kann.

Ich bin ein großer Freund einer europäischen Wirtschaftsregierung. Eine solche Exekutive müsste das unmittelbare Durchgriffsrecht in die nationalen Haushalte haben. Nur so könnte eine europäische Wirtschaftsregierung effektiv arbeiten. Wenn ein Mitgliedsstaat seinen Auflagen nicht nachkommt, dann müsste diese Wirtschaftsregierung in die nationale Haushaltsführung eingreifen dürfen. Sie müsste durchsetzen können, dass diese oder jene Ausgabe nicht getätigt werden darf, dass diese oder jene Steuer erhöht oder gesenkt werden muss. Wenn es bei unverbindlichen Hinweisen und Empfehlungen bleibt, dann gibt es keinen Mehrwert zum jetzigen System.

Eine europäische Wirtschaftsregierung darf ein so massives Eingriffsrecht in nationale Haushalte aber nur erhalten, wenn das Europäische Parlament seine Überwachungsfunktion voll ausschöpfen und diese Exekutive kontrollieren kann. Wenn wir ein starkes Europäisches Parlament schaffen, ist eine Delegation nationaler Haushaltskompetenzen auf die europäische Ebene für mich akzeptabel.

Abgeordneten-Check.de:  Werden sie dem 2012 anstehenden ESM zustimmen?

Patrick Sensburg: Das hängt von den Details ab, die wir in den nächsten Wochen erarbeiten werden.

Mehr unter: abgeordnetencheck.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gert Teska

Wollen wir also tatsächlich ein zweites USA-Gebilde? Die europäischen Sprachen, die unterschiedlichen Kulturen, die inneren Probleme, die expansive Machtpolitik, alles das nur, weil man unfähig ist, den Euro ordentlich zu kontrollieren? Was für eine Hybris!!!

Gravatar: Horatio Nelson

@Otto:
"Die parlamentarische Demokratie ist ein tödlicher Irrweg. Nie war dies klarer als heute." Da haben Sie vollkommen Recht. In den Händen, in denen sich dieses Instrument heutzutage befindet, ist es absolut fehl am Platz. Nur, wir als Bürger müssen endlich jenen, die diese Macht heutzutage schwingen dürfen, davon enteignen.
Grüße,
Horatio Nelson.

Gravatar: Hermann

Zitat:
"Eine europäische Wirtschaftsregierung darf ein so massives Eingriffsrecht in nationale Haushalte aber nur erhalten, wenn das Europäische Parlament seine Überwachungsfunktion voll ausschöpfen und diese Exekutive kontrollieren kann."
Genau.
Und dann wird das europäische Parlament beschliessen, dass Deutschland zu wenig Schulden macht und zu wenig Steuern erhebt und mit seinen Exporten die Völker und Unternehmen der anderen europäischen Länder unsolidarisch und unfair an die Wand drängt.
Und dann ..... (die eigenrlich nun folgenden Ausführungen überlasse ich Ihrer Phantasie).

Gravatar: Otto

So naiv kann er nicht sein.
Also ist er korrupt (natürlich nicht im unmittelbar pekuniären Sinne, dazu ist der Herr verbeamtete Professor zu bauernschlau).
Die parlamentarische Demokratie ist ein tödlicher Irrweg. Nie war dies klarer als heute.

Gravatar: ich

AM wird ihm wohl klar gemacht haben, dass sein Posten im Falle eines "nein" gestrichen wird. Und aus Angst, am Hungertuch nagen zu müssen hat er sich dann ganz plötzlich umentschieden. Soviel Verlass ist auf unsere Politiker. Aber auch sie dienen nur dazu, dass das was Gott in der Bibel vorher gesagt hat sich erfüllt. Im Buch Daniel steht klipp und klar drin, dass es kurz vor der Wiederkunft Jesu eine europäische (römische) Macht geben wird, deren Herrschaft geteilt ist. Einer wird das Kommando über all die anderen Staaten haben. Und wenn wir sehen wie inzwischen immer Politiker den Begriff Einheitsregierung in den Mund nehmen sollten wir uns als Christen freuen, dass Jesus bald wieder kommt. Aber wehe denen, die ihr Leben vor Gott nicht bereinigt haben.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Die Vereinigten Staaten von Europa können nur in einer zentralistischen Diktatur der Brüsseler Kommission enden, zur Tarnung mit einem europäischen Scheinparlament garniert. Es gibt kein europäisches Volk, das durch dieses Parlament vertreten werden könnte, es gibt nur europäische Völker, die nur durch ihr je eigenes Parlament vertreten und regiert werden können. Eine europäische Wirtschaftsregierung, wie Herr Sensburg sie beschreibt, würde aber gerade die Kernkompetenz der nationalen Parlamente, die Hoheit über das Budget des Staates, aufheben. Das multinationale europäische Scheinparlament ist für eine wirksame Kontrolle einer allmächtigen europäischen Wirtschaftsregierung nicht geeignet. Und daß Herr Sensburg seine Zustimmung zum ESFS damit begründet, so die von der Opposition favorisierten Euro-Bonds abwehren zu können, ist ja wohl abenteuerlich. Die Euro-Bonds standen nicht zur Abstimmung, und die Opposition könnte sie auch nicht gegen die Regierungskoalition durchsetzen. Die Einwände, die Sensburg gegen den ESFS geäußert hat, sind jedoch alle gültig, und er hat sie nicht widerrufen. Trotzdem hat er für den ESFS gestimmt. Womit hat ihn Frau Merkel wohl bestochen?

Gravatar: Arminius

Nach diesem Meinungswechsel dürfter Herr Professor Sensburg unmittelbar vor einem größeren Karrieresprung stehen.

Gravatar: Petra

Nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

Gravatar: Claudia König

Wenn einst dafür "gesorgt" wird, daß die jeweiligen Eigenheiten der europäischen Länder gewahrt bleiben, und das bei nahezu ungehindert operierenden supranationalen Wirtschaftshänden, müssen wir uns auf eine planierte Fläche einrichten, in der jederzeit und verlässlich systemrelevante Daten erhoben werden können- ein Alptraum, daß sich da Brüsseler Bürokraten um unsere Eigenheiten kümmern wollen!

Gravatar: Karin Weber

"Ich glaube ...", wie niedlich! Ich glaube auch, aber ich glaube eher, dass unser Geld nicht ausreichen und man dem Bürger direkt oder indirekt in die Tasche greifen wird, um den Murcks u. Pfusch sowie die Inkompetentz deutscher Regierungen und deren (sozialistische) Misswirtschaft zu finanzieren.

Das so ein "Jura-Professor" keinen Schimmer von Wirtschaft hat .... warum erwähne ich das überhaupt. Und die Reformante bei AM hat sicherlich zum Umdenken und Überdenken der Situation mit Blick auf die persönliche Karriere geführt. Parlamentarier sollten in ihrer Entscheidung frei und dem Volke verpflichtet sein. Hier ist das offensichtlich anders.

Man sollte mal beschließen, dass die Parlamentarier, die mit einem "Ja" gestimmt haben, bei dem ersten Euro der fällig wird, mit ihrem Vermögen und der Bereitstellung ihrer Arbeitskraft bis zum Lebensende haften. Dann hätte das Ergebnis dieser Abstimmung ganz sicher etwas anders ausgesehen.

Haben solche Leute keine Angst, wieder in ihrem Wahlkreis aufzutauchen? Ich würde mich da echt nicht mehr hintrauen.

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