Interview Patrick Sensburg

Leben und Würde des Menschen sind nicht disponibel

Prof. Dr. Patrick Sensburg, Bundestagsabgeordneter für die CDU, erläutert, weshalb er sich für ein vollständiges Verbot der Mitwirkung am Suizid einsetzt. Er weist auf die Gefahr einer spitzfindigen Argumentation hin, die immer neue Präzedenzfälle hervorruft.

Foto: Patrick Sensburg
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FreieWelt.net: Prof. Sensburg, Sie sprechen sich für ein umfassendes Verbot der Suizidbeihilfe für alle nach dem Vorbild Österreichs aus. Weshalb?

Patrick Sensburg: Wir müssen an dem festhalten, was uns der Grundsatz der Unantastbarkeit der Würde gebietet. Das Leben und vor allem die Würde sind dem Menschen nicht disponibel. Anfang und Ende bestimmt nicht der Mensch. Insoweit zumindest sind wir in Gottes Hand. Wir dürfen hier keine Ausnahmen zulassen. Jede Ausnahme würde nämlich bereits die Grundfesten des Würdeschutzes erschüttern und zerstören.

FreieWelt.net: Die Befürworter einer – zumindest teilweise – straffreien Mitwirkung am Suizid argumentieren häufig damit, es seien doch nur wenige Ausnahmefälle, denen die Palliativmedizin nicht helfen könne. Von einem Dammbruch könne da keine Rede sein. Wieso sollte Ihrer Meinung nach die Suizidmitwirkung dennoch vollständig verboten werden?

Patrick Sensburg: Nur mit einem vollständigen Verbot schaffen wir eine klare, auf das Leben bezogene Gesetzeslage. Jede Aufweichung ist inkonsequent. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dies gilt für jeden Menschen, davon kann es keine Ausnahmen geben. Wie kämen auch in eine komplexe Kasuistik, die immer neue Präzedenzfälle hervorrufen würde.

FreieWelt.net: Aber ist der Wunsch des Einzelnen nicht mehr als verständlich, bei dieser wichtigen Frage selbst eine Entscheidung zu treffen?

Patrick Sensburg: Der Einzelne kann bei dieser wichtigen Frage eine Entscheidung treffen – auch wenn das immer schlimm ist. Der Suizid wird ja nach meiner Vorstellung nicht unter Strafe gestellt. Das Strafgesetzbuch stellt unter Strafe, wer einen anderen Menschen tötet. Sich selbst zu töten ist straffrei. Diese Entscheidung kann jeder Mensch selbst treffen.

FreieWelt.net: In Fällen, in denen Angehörige und Ärzte mit übermäßigem Leid konfrontiert werden, stehen diese oft hilflos vor dem Konflikt, ob sie assistierten Suizid leisten sollen oder nicht. Wie sehen Sie die Rolle sowohl von Angehörigen als auch von Ärzten?

Patrick Sensburg: Ich sehe hier keinen Konflikt. Ärzte und Angehörige haben nicht darüber zu entscheiden, wer lebt und wer stirbt. Natürlich muss alles getan werden, ein schmerzfreies Leben und Sterben zu ermöglichen. Eine Entscheidung über die Sinnhaftigkeit der Fortsetzung eines Lebens obliegt nicht den Angehörigen oder Ärzten. Letztere wollen diese Entscheidung auch gar nicht treffen. Sollte es aber zu einer Erlaubnis kommen, werden die Ärzte diejenigen sein, die man darum bittet.

FreieWelt.net: Der von den vier Experten Taupitz, Wiesing, Borasio und Jox formulierte Gesetzesvorschlag für einen neuen § 217 StGB sieht am Ende des Textes eine Ergänzung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) vor. Das für den assistierten Suizid in der Schweiz gerne verwendete Medikament Pentobarbital ist gemäß Anlage 3 des BtMG in Deutschland nur in der Veterinärmedizin zum Einschläfern von Tieren zugelassen. Wie sehen Sie die Gefahr, dass dieses Medikament nun auch für Humanmediziner und damit Suizidwillige in greifbare Nähe gerät?

Patrick Sensburg: Natürlich besteht diese Gefahr. Auch aus diesem Grund ist es unbedingt notwendig eine klare gesetzliche Regelung zu schaffen, die jede Form der Suizidbeihilfe unter Strafe stellt. Die Freigabe im Betäubungsmittelgesetz führt ja auch zu weiteren Fragen: Wer stellt sicher, für wen das Mittel eingesetzt wird? Wer stellt sicher, wann es eingesetzt wird? Oder wer stellt sicher, dass Medikamente nicht an Dritte weiterge-geben werden?

FreieWelt.net: Wie stehen Sie zu der Frage, ob Ärzte „ohne Angst vor berufsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen alle erforderlichen Medikamente einsetzen und schwerkranken Patienten in der notwendigen Menge überlassen“ dürfen?

Patrick Sensburg: Soweit die ärztliche Betreuung die Vermeidung oder Linderung von Schmerzen betrifft, sollen Ärzte natürlich jedes geeignete Mittel einsetzen dürfen, dass dem Menschen dient. Auch der Einsatz von Morphium, das möglicherweise bei Schmerzfreiheit eine Lebensverkürzung bewirkt (passive indirekte Sterbehilfe) bleibt insoweit erlaubt. Jeder Einsatz eines lebensbeendenden Medikaments muss aber verboten bleiben. Ich glaube, die Diskussion bei den Ärzten geht in eine ähnliche Richtung.

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Kommentare zum Artikel

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"Leben und Würde des Menschen sind nicht disponibel"


Leben und Würde des Menschen sind nach der "Dogmatik" des Bundesversagensgerichts eben doch disponibel, nach der die Entscheidung darüber dem Recht auf Selbstbestimmung entspricht, eben nicht nur, wann, wie, wo und warum der Mensch sich selbst macht, sondern auch darüber, wann, wie, wo und warum er sich selbst wegmacht ...

https://www.youtube.com/watch?v=xo3z6aYWzr0&t=1536s .

Da kann der Papst noch so viel quasseln im deutschen Bundestag und für sein Gequassel weiss Gott was für stehende Ovationen bekommen, das ist alles scheissegal
im grünbraunen, menschenverachtenden, humanrassistischen, zynischen, todessehnsüchtigen, kranken, morbiden, todgeweihten und thanatophorischen ...

https://www.youtube.com/watch?v=laSK7Pxh0_8&t=2097s

... deutschen "demokratischen Rechtsstaat" ...

https://www.youtube.com/watch?v=Xks27DFOE8w&t=1619s

... von Gnaden der US - amerikanischen Freundinnen und Freunde ...

https://www.youtube.com/watch?v=QlMsEmpdC0E&t=2316s .

Gravatar: Georg

Sie haben nicht das Recht, Recht zu brechen, lieber Freund. Der Sterbewillige hat das Recht auf Hilfe nicht dadurch verwirkt, dass er einen anderen Menschen um Gnade bittet, denn der Tod ist eine Form der Gnade und die muss man gewähren dürfen. Leben kann man erhalten, kann man verlängern und man kann es in Würde und Dankbarkeit beenden. Ärzte sind keine Götter, Gesetze sind kein Allheilmittel und das Töten auf Verlangen ist ein Recht, welches sich keinem anderen Glauben unterwirft als dem auf ein stilles Beenden allen Leides.

Gravatar: Michael Schneider-Flagmeyer

Herr Bretschneider, Shakespeare stellt im Hamlet keine mangelhafte Geschichtsbetrachtung dar, sondern nimmt in einer geradezu philosophischen Weise Stellung zu einer grundsätzlichen Frage des menschlichen Lebens und Sterbens.
Ihr Blick auf die Geschichte und speziell auf die Kirchengeschichte ist der - verzeihen Sie - etwas simple Blick eines Nichtgläubigen, der alles Schreckliche in der Welt auf das Christentum und hier besonders die katholische Kirche zurückführt, wie das in den einschlägigen Medien heute üblich ist. Es wäre aber besser, wenn man sich bei so universal gebildeten Kulturhistorikern wie Friedrich Heer gründlich informieren würde als durch vulgären Polemiker, die nichts wissen wollen.
Den Fall, den Sie schildern habe ich bei meiner Arbeit im Krankenhaus und bei der Sterbehilfe zig mal erlebt. Es gibt in der Tat schreckliches Leiden, für das auch ich keine Erklärung habe. Aber eine Erfahrung habe ich doch gemacht: nämlich, dass gläubige Christen weitaus leichter und versöhnter aus diesem Leben scheiden, mit der Glaubensgewissheit, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern die Tür zum ewigen Leben.
Das müssen Sie natürlich nicht glauben, aber Sie sollten es so stehen lassen, wie auch ich Ihre Ansicht über das Sterben stehen lasse.

Gravatar: Wolfgang Bretschneider

Herr Schneider-Flagmeyer hören Sie bitte auf zu träumen. Shakespeare lebte von 1564 bis 1616, dass ist schon ein paar Jahre her. Im Mittelalter wurden durch die Päpste der katholischen Kirche und die durch die Päpste ernannten Herrscher schreckliche Verbrechen begangen. Die Wissenschaft wurde unterdrückt, es galt nur, was die Kirche erlaubte. Wer es wagte, etwas anders zu behaupten, wurde durch Folter zum Widerruf gezwungen oder getötet. Selbst der Christ Martin Luther begehrte auf, wurde verfolgt und entkam dem Tode nur durch einen mächtigen Helfer. Infolge seiner Thesen kam es zum 30 jährigen Krieg, indem wohl die Hälfte der Menschen um kamen. Wo war in dieser ganzen Zeit die Würde und die Unverletzlichkeit des Menschen? Oder sind Sie etwa der Meinung , dass war Gottes Wille? In einem langen und opferreichen Kampf haben die Menschen in unserem Lande zur Demokratie gefunden. Auch wenn noch immer viele Wünsche offen bleiben , ist dies ein gewaltiger Fortschritt zu Shakespeares Zeiten. Herr Sensburg vertritt in seinem Beitrag das Denken der alten Zeit. In einer Demokratie jedoch muss der Mensch das Recht haben, in einer so wichtigen Frage, selbst eine Entscheidung zutreffen. Aus Unbedachtheit macht das Niemand! Wer aber vor der schweren Entscheidung steht einen qualvollen Tod erleiden zu müssen oder in einem Pflegeheim oder zu Hause durch Demenz ein menschenunwürdiges Lebensende ertragen zu müssen, muss das Recht haben, selbst entscheiden zu können! Ich habe die Frau einer mit uns sehr eng befreundeten Familie 6 Jahre auf ihrem Sterbeweg begleitet. Sie bekam mit 89 Jahren einen Schlaganfall, erhielt eine Magensonde und war war nach kurzer Zeit nicht mehr in der Lage zu sprechen, zu gehen und wurde wie ein Kind gewickelt. Ihre Umgebung nahm sie nicht mehr wahr. So etwas nenne ich Folter! So etwas halte ich für unmenschlich! Und deshalb will ich für mich das Recht haben, in einer ähnlichen Situation über mein Ende selbst entscheiden zu können! Ich möchte auch nicht, dass das Leben meiner Kinder und meiner Enkel durch eine künstliche Verlängerung meines Lebens schwer beeinträchtigt wird.

Gravatar: Michael Schneider-Flagmeyer

Prof. Sensburg möchte ich ganz zustimmen, nicht nur weil ich katholischer Christ bin und damit das menschliche Leben für absolut unverfügbar halte, sondern auch - und das hier für alle Atheisten und Agnostiker - weil einer der größten Dichter aller Zeiten, William Shakespeare, hierzu sehr bedekenswerte Betrachtungen angestellt hat.
In seiner Tragödie "Hamlet" findet weiss Gott keine christliche oder andere religiöse Betrachtung statt. Am Ende des letzten Aktes sind alle tot bis auf Hamlets Gefährten Horatio.
Gestorben an Gift und Dolch und Schwert. Und in seinem berühmten Monolog "Sein oder Nichtsein" stellt Hamlet gerade zu unserer Frage eine wichtige Betrachtung an.
"Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnt durch eine Nadel bloß (die Todesspritze)..."
"Schlafen, Träumen. Träumen? Ja da liegt's. Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen, das zwingt uns stillzustehn (innezuhalten)."
Wenn nun in diesem selbst verursachten Todesschlaf ein schrecklicher Albtraum kommt und der von Ewigkeit zu Ewigkeit andauert, dann ist das die "Hölle".
Und Hamlet schließt daraus: "Dass wir die Plagen, die wir haben lieber ertragen, als zu unbekannten zu fliehen."
Ich finde das mehr als bedenkenswert und rate einem der Weisesten unserer Kultur zu folgen.

Gravatar: Eber

Der dieser Tage verstorbene Prof. Hubert Markl - früher Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft - hatte zu diesem Thema gesagt:

„Nur wer sich nicht als freier, selbstentscheidungsberechtigter Staatsbürger, sondern als lebens- und bis zum Ende tributpflichtiges Staatseigentum begreift, kann akzeptieren, dass eine Mehrheit sich anmaßt, diese persönlichste aller Lebensentscheidungen staatlich zulassungspflichtig zu machen.“

Was sagt Prof. Sensburg zu diesem Satz ???

Gravatar: Freigeist

"In Gottes Hand" Menschen haben Götter und Eingottheiten erfunden. Lächerlich, in Gottes Hand. Wo ist denn dieser lächerliche Gott bei den vielen Menschen, die jämmerlich sterben. Viele Menschen müssen sterben, weil Religionen die Wissenschaft behindert haben.

Gravatar: Marc Detemple

Das ist wieder mal typisch! Der Sterbenskranke soll selbst sehen wie er auf die andere Seite springen kann. Und Sie Prof.Sensburg verweigern einfach jedes Recht zur aktiven Sterbehilfe.
Der Betroffene und seine Angehörigen, können ja weiterhin in die Schweiz fahren wo ihnen geholfen wird. So bleiben die Hände deutscher Ärzte und christlicher Politiker weiterhin schön sauber. So einfach entledigt sich unsere sog. Elite jeglicher (Mit)verantwortung.

Immerhin bestätigt dieses Interview einmal mehr meine Entscheidung, mich nie irgendeiner Glaubenslehre anzuschließen.

Gravatar: Franz Digitus

Herr Prof. Dr. Sensburg, ich bin schwer beeindruckt. Warum nur erklären Sie all das nicht auch Herrn <a href="http://www.spiegel.de/forum/politik/eu-reformvertrag-wie-viel-macht-darf-bruessel-haben-thread-7709-88.html#postbit_3974777" rel="nofollow">Prof. Dr. Dres. Hans - Jürgen Papier</a> und Herrn <a href="http://www.spiegel.de/forum/politik/vatikan-besuch-merkel-bekommt-privataudienz-beim-papst-thread-90734-5.html#postbit_12765670" rel="nofollow">Prof. Dr. Norbert Lammert?!?</a>

Man könnte tatsächlich meinen, die Staatsnähe, die sich mit der Ansammlung akademischer Titel und Grade äussert, wirkt auf die TrägerInnen zunehmend kompromittierend, abstumpfend, verrohend und verblödend.

Mit freundlichen Grüssen,
<a href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/merkel-beim-papst-die-kanzlerin-ist-an-pfingsten-zur-privataudienz-a-900670.html" rel="nofollow">Franziskus Digitus Impudicus I.</a>

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