Interview Prof. Guido Hülsmann

Eurokrise: »Kein Ende mit Schrecken«

Die jüngste Leitzinssenkung der EZB ist nur ein weiterer Schritt hin zu einem totalitären Gebilde. Den Weg dahin ebnet unser Geldsystem, sagt Prof. Guido Hülsmann im Interview mit Freiewelt.net

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Freiewelt.net: EZB-Chef Mario Draghi hat den Leitzins erneut gesenkt – dabei ist die letzte Absenkung noch gar nicht so lange her. Warum tut Draghi das?

Prof. Guido Hülsmann: Die erhoffte Wirkung der letzten Zinssenkung ist unter den Erwartungen der EZB geblieben. Die Verbraucherpreise in der Eurozone steigen zwar weiterhin , aber die Preissteigerungsrate beträgt weniger als 1 Prozent. Das ist der EZB zu wenig, sie strebt eine Preisinflationsrate von mindestens 2 Prozent an.

Freiewelt.net: Wer profitiert von der Leitzinssenkung und wer verliert?

Prof. Guido Hülsmann: Zu den unmittelbaren Gewinnern zählen vor allem die Geschäftsbanken und ihre Kunden, insbesondere der Staat. Verlierer sind im Moment alle Finanzintermediäre, die hauptsächlich in festverzinsliche Wertpapiere investieren, also in erster Linie Versicherungen. Der EZB zufolge zählen alle Bürger der Eurozone zu den Gewinnern, denn der Kampf gegen niedrige bzw. negative Preisinflation komme allen Menschen zugute. Das stimmt allerdings nur in dem Sinne, dass durch die EZB-Politik die labilen Geschäftsbanken weiterhin künstlich beatmet werden und somit kein Ungemach für die Bankkunden – also in der Tat uns alle – entsteht. Aber das bedeutet natürlich, dass die eigentlichen Probleme weiterhin nur aufgeschoben werden. Mittel- und langfristig verlieren wir somit alle.

Freiewelt.net: Was sind denn die eigentlichen Probleme? Liegt der Fehler im System?

Prof. Guido Hülsmann: Bei unserer Währung liegen in der Tat eine ganze Reihe von systemischen Fehlern vor, die sich in den letzten Jahren immer mehr verkettet und gegenseitig verstärkt haben. Der größte Systemfehler ist schon sehr alt. Er bestand bereits vor 1999, also noch unter den nationalen Währungen, und lag in der Wahl der Geldart begründet. Seit 1971 bestehen alle Währungen aus immateriellem Papier- bzw. Rechnungsgeld. Ihre jeweiligen Produzenten – die Zentralbanken – können ohne jede technische oder betriebswirtschaftliche Begrenzung Geld schöpfen, und dadurch können sie innerhalb der Wirtschaft als Problemlöser letzter Instanz auftreten. Das widerum bedeutet Umverteilung: die Erstbenutzer des frisch geschöpften Geldes (vor allem die Geschäftsbanken und Staaten) gewinnen zu Lasten der späten, finanzmarktfernen Benutzer des neuen Geldes. Es liegt auf der Hand, dass dadurch der Grundsatz der Verantwortung untergraben wird. Auch das zeigt sich insbesondere bei den Geschäftsbanken und den Staaten. Sie haben sich seit 1971 zu einer geradezu atemberaubenden Schuldenwirtschaft hinreißen lassen. Der Grad der Überschuldung ist allerdings verschieden und durch unterschiedliche nationale Kulturen gepraegt. Einige Länder haben größere Schuldenprobleme als andere. Die relativ konservativen Länder wollen nicht jedesmal die Geldschleusen ganz so schnell bzw. ganz so weit öffnen, wie es die relativ laxeren Länder gerne hätten. Wenn sich solche Konflikte entladen, wird von beiden Seiten mit dem Austritt aus der Eurozone geliebäugelt und manchmal auch ganz offen gedroht. Das ist der Stoff, aus dem die Eurokrisen gewirkt sind.

Freiewelt.net: Den Deutschen geht es nach allgemeiner Auffassung gut, das Land ist gut durch die Krise gekommen. Es sieht aus, als hätten die Verantwortlichen alles richtig gemacht. Sehen Sie das nicht so?

Prof. Guido Hülsmann: Bei uns wurde ein bisschen weniger Schindluder getrieben als bei unseren Nachbarn, und infolgedessen scheinen wir heute die einäugigen Könige unter vielen blinden Bettlern zu sein. Wir genießen keineswegs die Gunst, von besonders kompetenten, weitsichtigen und weisen Personen regiert zu werden. Bei uns besteht die Regierungskunst schon seit vielen Jahrzehnten vornehmlich darin, alle Konflikte mit dem Scheckbuch zu bereinigen, heißt also auf Kosten der Steuerzahler. Probleme werden nicht gelöst, sondern durch Korrumpierung der Konfliktparteien aufgeschoben. Innenpolitisch schlägt sich das im aufblähenden Wohlfahrtsstaat nieder, außenpolitisch in den noch stärker wuchernden Umverteilungsmechanismen der EU, und dazu ist auch die Geldpolitik der EZB zu zählen. Kurzfristig hat diese Vorgehensweise den Vorteil, dass Konflikte nicht offen zutage treten und viele wohlige Gefühle gehegt werden. Wenn Sie jeden Tag Schampus und Schokolade an ihre Nachbarn verschenken, ernten Sie schließlich auch viele freundliche Blicke. Für diese Kinderei wird den Deutschen jeden Tag tief in die Tasche gegriffen. Wir wundern uns über die Verarmung der Rentner und die prekäre Lage der Berufsanfänger. Das Geld, das dort fehlt, reichen wir im kleinen Maßstab an Wohlfahrtsmigranten weiter und in sehr viel größerem Umfang an die bankrotten Banken und Staaten der Club-Med-Länder.

Freiewelt.net: Im Gespräch sind weitere EZB-Maßnahmen, wie Ankäufe von ABS-Papieren und ein QE-Programm. Was verbirgt sich hinter diesen Plänen?

Prof. Guido Hülsmann: Das ist ein Umverteilungsprogramm zugunsten der bereits überschuldeten Länder. Die klassische Politik der Zentralbanken ist eigentlich nur an gesamtwirtschaftlichen Zielen ausgerichtet, insbesondere an Wachstum, Beschäftigung und Preisinflation. Aus dieser Sicht spielt es keine Rolle, welche Bank bzw. welche Region oder Provinz die Kredite der Zentralbank erhält. Aber in der Eurozone ist das anders. Seit 2010 unterstreicht die EZB ihren Willen, die Geldschöpfung möglichst gleichmäßig in den Mitgliedsländern zu verteilen. Das wird unter dem schwammigen Schlagwort der „Einheit“ der Eurozone bekundet. Nun besteht das Problem darin, dass die Geschäftsbanken überschuldeten Ländern nach den bisher gängigen Regeln keine neuen Kredite mehr erhalten können. Nachdem sie jahrelang die Gewinner der ständigen Geldschöpfung waren, stehen sie heute auf der Verliererseite, da sie keine Sicherheiten mehr bieten können, die den Mindestanforderungen der EZB genügen. Nun sollen also neue Wege beschritten werden, um ihnen weiteres Geld zuzuschanzen. Dazu soll der Ankauf von Pfandbriefen und Pfandkrediten dienen, wobei die gleichen Techniken zum Einsatz kommen sollen, die in den Krisenjahren 2008-09 verdammt wurden.

Freiewelt.net: Welchen Verlauf wird das Drama um Euro-Rettung und Inflation Ihrer Meinung nach vermutlich nehmen? Wie wird das Ganze enden?

Prof. Guido Hülsmann: Die Eurozone bleibt in ihrer heutigen und vielleicht auch erweiterten Form mindestens noch zehn Jahre bestehen, vielleicht auch noch viel länger. Das einzige Hindernis wäre eine gewaltige Revolte der Bürger in Deutschland, Österreich und den Niederlanden, die die nationalen Regierungen zur Umkehr zwingt. Ein solcher Wandel zeichnet sich bei uns nirgends ab. Die Regierung Merkel ist gerade mit einem sehr guten Ergebnis im Amt bestätigt worden. Das lässt nur einen Schluss zu: Die Merheit der Bürger will weiterrhin bei lebendigem Leibe gerupft werden, damit unsere Politiker ihnen weiterhin eine europäische Farce vorspielen können. Sonntags nach dem Kirchgang weinen wir eine Träne für die armen Rentner, und wir wählen die Politiker, die uns am wenigsten stören.

Freiewelt.net: Manche behaupten, ein „Ende mit Schrecken“ wäre besser als weiterhin so ein Schrecken ohne Ende. Auf welche konkreten Schrecken müsste sich die deutsche Bevölkerung dann einstellen?

Prof. Guido Hülsmann: Es wird zu keinem Ende mit Schrecken kommen. Unsere Politiker werden alles tun, um zu verhindern, dass es knallt, denn dann wachen auch die größten Schlafmützen auf. Sie werden vielmehr schrittweise vorgehen und alle wichtigen Maßnahmen im Hinterzimmer beschließen, wie sie das ja auch bereits in den letzten 25 Jahren getan haben. Sie werden die Wirtschaft immer weiter reglementieren und besteuern, und gleichzeitig werden sie die politischen Institutionen einschließlich der EZB so reformieren, wie es ihren Bedürfnissen entgegenkommt. Am Ende steht kein großer Knall, sondern ein totalitäres Gebilde, dessen Konturen langsam deutlich werden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Alfons

Der Euro für sich allein betrachtet, könnte bis zum Kollaps möglicherweise noch 10 Jahre existieren; aber es sind die komplexen Verquickungen durch das EU-Regime, das den Euro und das Regime kollabieren lassen werden:
-explodierende Arbeitslosigkeit in den südlichen failed-states
-Flutung der Nationalstaaten durch Migrantenströme
-fehlende Rechsstaatlichkeit
-für jeden erkennbarer Lug und Betrug mit Hilfe gleichgeschalteter Medien
-Überfall auf die Ukraine mit anschließenden Sanktionen und "Hilfen" in unbegrenzter Höhe für das Putschisten-Regime

Den Ausschlag wird das jetzt zusammenbrechende Frankreich geben; damit ist das Ende der Terrorherrschaft ungewählter EU-Polit-Kommissare und -Offiziere und ihrerer heimischen Kollaborateure eingeläutet.

Gravatar: Dirksen

Es ist doch ganz einfach!
95% der Staatsschulden werden seit Menschengedenken durch Inflation gedeckt.
5% bleiben übrig.
Die Gelddruckmaschine hatte in den kommunistischen Staaten keine Außenwirkung, mangeld Kompabilität. Heute macht es nichts mehr aus, einfach Internetgeld, "Spielgeld" auf den Markt zu bringen, hautsache man hat einen Tauschwert.
1970 sagte mir ein betagter Bürger: "Das geht alles wieder so, wie ich das zwei Mal erlebt habe"!
Ich beruhigte ihn mit der Aussage, daß das heute (1970 - bei 500.000 Arbeitslosen in D -) alles seine Bahnen nehme, daß schließlich die damaligen Schulden mit Vermögenswerten hinterlegt seien. Das ist heute nicht mehr der Fall!
Ich sehe auch schwarz, habe kein Bargeld gebunkert, dann ist das nicht ganz so schlimm!

Gravatar: Tom Orden

Dem Euro und der EU muss endlich Einhalt geboten werden!
Das sehen meine Freunde vom "Orden der Patrioten" und ich ganz genauso!
weg mit dem Drahgi! und der EZB!

Gravatar: Eberhardt Breitling

Kurz und bündig : Wenn man von der Sache keine Ahnung hat , einfach mal die Klappe halten !

Gravatar: Manfred Böttcher

Eigentlich sollte JETZT die Stunde unserer "AfD" sein wann sonst?? Ich VERMISSE DA WAS ??Möglicherweise ????? KOMMT ES NOCH ??????

Gravatar: qed

Ich möchte mal den advocatus diaboli spielen:

Immer mehr Geld drucken und Schulden machen: Nitschewo, was macht das schon! Siehe Japan, Schuldenrekordhalter mit 250% des BIP.

Und? Hungern die in Japan? Geht hier auch.
Es genügt mir auch nicht das Geraune um die Bombe, die platzt, wenn 'das Vertrauen' in die Währung verlorengeht. Das ist eine absolute Wiesel- Aussage. Was ist denn konkret die Voraussetzung dafür? Keiner weiß es.

Also: Warum sollte es nicht weiterlaufen bis zum St. Nimmerleinstag, solange das Falschgeldsystem weltweit übermächtig ist?

Gravatar: MAX

Solange billiges Geld da ist , geht das Spiel weiter.
Mit dem NULL-ZINS EURO kann man risikolos in alle
spekulativen Märkte investieren.
Und geht etwas schief , dann werden die Spekulanten vom Steuerzahler gerettet.
Die Sparer bezahlen diese EZB-Politik mit Nullverzinsung ihrer Spareinlagen.

Gravatar: E.Koch

Man kann Herrn Feldmann nur beipflichten, wenn er schreibt, man kann dankbar sein für jeden Gebildeten, der den Mut hat aufzustehen.
Wenn man über "gekaufte Journalisten". liest und dies trifft wohl auch bei vielen Politikern zu, dann ist man wirklich froh, wenn ein Fachmann mutig ist und die wirkliche Sachlage erklärt.
Man darf gar nicht daran denken, was den Bürgern vorgesetzt wird, wie die Wahrheit für sie zurechtgebogen wird.

Gravatar: Frank

Naja, das Wort "selbsternannt" ist ja wohl nicht ganz zutreffend.

Die Geldtheorie gehört zu den Schwerpunkten seiner Lehr- und Forschungstätigkeit als ordentlich ernannter Professor.

Gravatar: P.Feldmann

Die "Unterschiede in der Meinung von Professoren"

sind doch kein Kriterium diese abqualifizieren zu können!

"Professor" steht doch nicht für "hat die Wahrheit", sondern im besten Fall für: "hat eine gut fundierte und originelle Meinung". Und Letzteres darf man, glaube ich, im vorliegenden Fall
über Herr Professor Hülsmann sagen.
Und ich muss sagen, dass ich dankbar für jeden Gebildeten bin, der den Mut hat, aufzustehen (beileibe nicht selbstverständlich!)

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