Wie man ein Problem nicht beseitigt

Als Reaktion auf den tödlichen Einsturz eines Industriekomplexes in Bangladesh, in dem von tausenden Näherinnen Textilien für den weltweiten Export hergestellt wurden, erwägt die EU nach Aussage des Online-Magazin Focus die Rücknahme von Handelsvergünstigungen, sollten es nicht zu einer Anhebung der  Sicherheitsstandards kommen.

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Fraglich ist, ob solche Maßnahmen das Problem tatsächlich lösen, denn schließlich tragen die Zollschranken der EU mit dazu bei, dass die Gewinnerwirtschaftung in Bangladeshs Unternehmen unter Vernachlässigung von Sicherheitsstandards erfolgt. Die Textilproduktion muss nicht nur Material- und Arbeitskosten decken, sondern auch die Kosten der Verzollung der Ware an der EU-Grenze. Das senkt den Spielraum für mehr Arbeitsschutz in der Produktion noch weiter, um den es angesichts der schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungenohnehin nicht gut bestellt ist. Bei den Präferenzregelungen im Warenverkehr mit Bangladesh handelt es sich strenggenommen nicht um echte Vergünstigungen, sondern lediglich um eine relative Reduzierung der tarifären Handelsschranken, die weltweit den Handel und den internationalen Wettbewerb behindern.

Zu hinterfragen ist in diesem Zusammenhang auch inwiefern die Reaktion der Medien auf diesen Industrieunfall ist. So wird beispielsweise behauptet, dass die in Bangladesh im Exportsektor arbeitenden Menschen einen Monatslohn von 30 Euro erhalten, den man eins zu eins auf das Lohnniveau hierzulande umrechnen können. Doch damit werden Äpfel mit Birnen verglichen, weil ein Euro in Bangladesh mehr als das Fünffache seiner deutschen Kaufkraft hat, wobei hier noch zu berücksichtigen ist, dass der Inhalt eines typischen Warenkorbs einer Näherin in Bangladesh nicht dem Inhalt entspricht,  der für internationale Kaufkraftvergleiche herangezogen wird. Auch das ist nicht unbedingt viel zum Leben, jedoch auch nicht der Hungerlohn, den die Medienberichterstattung suggeriert. Zudem ist zu berücksichtigen, so kommentiert der amerikanische Ökonom Benjamin Powell, dass in Bangladesh rund 4.500 Textilfabriken mehr als 4 Mio. Menschen ein Einkommen verschaffen, das sie in der für den heimischen Bedarf produzierenden, extrem unterentwickelten Wirtschaft nicht verdienen würden. In armen Ländern wie Bangladesh legen die Arbeiter vor allem Wert auf die Entlohnung, von der sie ihre Familien ernähren müssen, und sind dafür bereit höhere Risiken am Arbeitsplatz einzugehen. Solange die Produktivität der Produktion aufgrund der schlechten Investitionsbedingungen in diesen Ländern nicht steigt, gehen Investitionen in den Arbeitsschutz zu Lasten der Löhne, eine Situation, die laut Umfragen Powells in Guatemala bei den Arbeitern kaum auf Gegenliebe stößt. mehr Arbeitsschutz sei daher nicht so sehr ein Ergebnis administrativer Auflagen, sondern wirtschaftlicher Entwicklung und höherer Produktivität sowie der Alternativen der Arbeitskräfte bei der Wahl ihrer Arbeitsplätze. Da in der Vergangenheit neben den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und der unternehmerischen Freiheit vor allem die multilaterale Reduzierung von Handelsbarrieren die wirtschaftliche Entwicklung beflügelten, ist nicht anzunehmen, dass neue Mauern für den Welthandel die Situation der Näherinnen in den Textilfabriken in Bangladesh wirklich verbessern. Das Gegenteil ist zu befürchten.

Beitrag erschien zuerst auf: liberalesinstitut.wordpress.com 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

@ Freigeist

Normalerweise müsste der "Ethikrat" solch ein Verhalten von Unternehmen (Billigproduktion) moralisch bewerten, denn letztlich würde solch ein "Gütesiegel" das Verhalten der Bürger vielleicht positiv beeinflusse. Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass ggf. die Menschen da unten gar keine Arbeit/Einkommen haben. Es ist ein schwieriges Terrain, aber mit ihrem ständig "gerne mehr bezahlen" lösen Sie das Problem nicht.

Gravatar: Freigeist

Bei der irrsinnigen Geburtenrate in Bangladesh wird sich mit Liberalismus die nächsten 100 Jahre nichts ändern. Die örtlichen Unternehmer werden noch reicher werden und die Bevölkerung an der stets steigenden Umweltvergiftung erkranken - früh sterben. Würde ich nur 10 Cent mehr für ein T-Shirt bezahlen, könnten die Näherinnen bessere Arbeitsbedingungen haben. Nur kämen die 10 Cent nicht an, bei der Näherin.

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