Wie geht Papst sein?

Ob ich Kardinal Burke versetzt hätte, wie es Papst Franziskus jetzt getan hat? Vermutlich nicht. Aber: Ich bin nicht der Papst, und insofern kann ich die Worte und Taten des Papstes zwar für mich bewerten, ich kann sie nicht beurteilen. Entscheidungen fallen oft aus Gründen, die Außenstehenden verborgen sind.

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Da ist man mal ein paar Tage „offline“ zu Exerzitien, um sein geistiges Leben mal wieder auf Vordermann zu bringen, einen geistigen Ölwechsel vorzunehmen, kommt zurück und dann das: die konservativ-katholische Welt, zu der ich mich ja ebenfalls zähle, bekommt Schnappatmung wegen eines Sachverhalts, den bereits seit September die Spatzen von den Dächern pfeifen (ich bin im Vatikan überhaupt nicht vernetzt und habe es trotzdem mitbekommen) und jetzt offiziell geworden ist: Kardinal Raymond Leo Burke wird Kardinalpatron des Malteserordens!

Was für den Außenstehenden eine kleine Personalie ist, entpuppt sich für „Kenner“ der Szene zu einem handfesten Skandal: Burke gehörte nämlich bislang als Präfekt des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur zum quasi inneren Kreis des Vatikans und ist – dadurch ist er in den vergangenen Wochen vielleicht auch dem einen oder anderen bekannt geworden – Kritiker eines Modernisierungskurses, wie man ihn derzeit im Umfeld der Familiensynode argwöhnt. Dazu kommt noch, dass – wie vielfach berichtet wird – Stellen wie die eines Kardinalpatrons eher für verdiente, ältere Kardinäle gesucht werden, die sich damit auf den Ruhestand vorbereiten. Burke dagegen ist erst 66 und steht, das hat er jüngst bei der Synode erst wieder deutlich gemacht, voll im Leben. Und nicht zuletzt werden auch immer wieder Äußerungen von Burke kolportiert, die sich kritisch mit dem Pontifikat Papst Franziskus auseinandersetzen.

Zählt nun der gewiefte Laie eins und eins zusammen, dann erhält er das Bild, Papst Franziskus habe einen vatikaninternen Kritiker kaltgestellt, um – zum Beispiel – in der 2015 fortgesetzten Familiensynode „geräuschloser“ als beim publik gewordenen Zwist zwischen Kardinal Burke und Kardinal Walter Kasper, sein Modernisierungsprogramm fortzusetzen, die katholische Ehe- und Sexualmorallehre zu schleifen, ganz allgemein die katholische Kirche an den Zeitgeist anzupassen. Oder um es bildhafter auszudrücken: Man riecht Schwefeldampf im Vatikan!

Es gibt katholische Blogger, die ich eigentlich sehr schätze, die aus diesem Grund das Handtuch werfen, meinen, nicht mehr papsttreu sein zu können und statt für das Reich Christi zu schreiben nun lieber für die Kirche beten wollen. Das ist erstens schade und zweitens – wie ich finde – völlig übertrieben. Nicht, dass unsere Mutter Kirche nicht unser aller Gebet benötigen würde, dies aber plakativ zu tun und damit eine Katastrophe an die Wand zu malen, bei der „nur noch beten hilft“ entspricht nicht der Sachlage und zeugt von einem etwas eigenartigen Rollenverständnis. Zumal ich im eigenen Berufsleben die Erfahrung gemacht habe, dass derartige Entscheidungen anders gefallen sind, ihnen andere Beweggründe zugrunde liegen, als sie offen zutage treten. Mit anderen Worten: Wir sollten uns nicht anmaßen zu bewerten, auf welcher Grundlage der Papst die Entscheidungen getroffen hat!

Ich gebe zu, mit der Art der Amtsführung, dem persönlichen Stil von Papst Franziskus fremdele ich auch immer noch, da lag mir Papst Benedikt XVI., was niemanden verwundern wird, mehr. Abgesehen von diesem Störgefühl, das ich mir aber selbst zurechnen muss und nicht dem Papst anlasten kann, gab es bislang keine Lehraussage, an der ich was zu bemängeln hätte (dass ich die Einstellung des Papstes zum Kapitalismus nicht teile, ist davon unbenommen). Sollte sich das nun ändern?

Gegenfrage: Sollte sich das wegen einer Personalie ändern? Auch Papst Johannes Paul II. hat Menschen um sich geschart, die ihm theologisch und wohl auch vom Stil her nahestanden, Papst Benedikt XVI. hat es ebenfalls so gehalten. Ich nehme an, beide waren aber vernünftig und selbstkritisch genug, sich zusätzlich auch mit kritischen Menschen zu umgeben – womöglich solche, die aufgrund geringer persönlicher Öffentlichkeitswirkung auch offen sprechen konnten. Und ich habe keinen Grund, anzunehmen, dass Papst Franziskus das anders macht. Alles andere – der Papst umgebe sich nur mit Gleichgesinnten, er sei bei Kritik nachtragend etc. – sind Gerüchte, die ich hier gar nicht weiter kommentieren möchte.

Also, wenn ich Papst wäre (den Satz habe ich einem früheren Pastor von mir entliehen, der sich mit diesen Worten mitunter bei seiner Kritik an Papst Benedikt hervortat), dann würde ich einen Kritiker wie Kardinal Burke ins Vertrauen ziehen, auch wenn ich ihm einen wesentlichen Posten aufgrund seiner Position nicht lassen wollen würde. Ich würde versuchen zu vermeiden, dass bei meinen Entscheidungen in dieser Hinsicht Spekulationen Tür und Tor geöffnet würden. Ich würde ansonsten immer wieder in den Spagat zwischen dogmatischer Lehre und barmherziger Seelsorge gehen, mein Umfeld dazu auffordern, das auch zu tun und all diejenigen zurechtweisen, die zur einen oder anderen Seite eine Schlagseite aufweisen. Ich würde keinen Hehl daraus machen, dass ich für die Probleme der Welt auch nicht die operative – sehr wohl die geistige – Lösung habe, und ich würde jedem misstrauen, der vorgibt, sie zu haben, egal ob Laie, Priester, „einfacher Bischof“ oder Kardinal der Kurie. Ich würde mich intensiv mit den Positionen insbesondere derer auseinandersetzen, die mir widersprechen, die entsprechenden Vertreter aber auch zurechtweisen, wenn ich zu dem Entschluss käme, diese Positionen, die dort vorgeschlagenen Richtungen, führen von Christus weg.

Ob ich unter diesen Prämissen Kardinal Burke versetzt hätte, wie es Papst Franziskus jetzt getan hat? Vermutlich nicht … aber die Wahrheit ist, und an der kommen die Kommentatoren genau so wenig wie ich selbst drum herum: Ich bin nicht der Papst, werde es aufgrund meines Lebenslaufes wohl auch nicht mehr werden. Insofern kann ich die Worte und Taten des Papstes erwägen, sie auch für mich bewerten, ich kann sie aber – einfach weil ich nicht er bin – nicht be- geschweige denn verurteilen!

Ich habe Respekt vor denen, die sich aufgrund der Spannungen, die sie in sich selbst spüren, zurück ziehen, ich habe auch Respekt davor, wenn sich jemand kritisch mit den Richtungsentscheidungen des Papstes auseinandersetzt, sein Ringen mit diesen Positionen deutlich macht, in der Hoffnung, diese Veröffentlichung könne auch anderen helfen, die mit sich ringen. Was mir schwer fällt zu respektieren ist eine destruktive Kritik am Papst, die gerade in konservativen Kreisen um sich greift, und deren Vertreter besser zu wissen meinen, wie das geht, Papst sein!

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stefan Neudorfer

Ich denke es gibt zwei Gründe warum es diese Situation gibt: Papst Franziskus ist kein Europäer und das macht es für uns Europäer schwer ihn zu verstehen. Und zweitens fallen viele in die Falle der Polarisierung, ohne es zu merken. Papst Franziskus ist bei manchen Themen strenger als Papst Benedikt XVI, aber eben nicht in allen. Das will man nicht akzeptieren, der Papst hat gefälligst so zu sein wie man es gerne hat.

Zu Kardinal Burke: Er ist in einer Art und Weise aufgetreten, die ein vertrauliche Zusammenarbeit schwer macht - ich kann die Entscheidung von Papst Franziskus gut verstehen.

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