Was macht eigentlich... Bassam Tibi?

Veröffentlicht:
von

Kennt noch jemand Prof. Bassam Tibi? Heute morgen wurde auf Deutschlandfunk ein Interview mit ihm gesendet, mit ihm, den man schon lange nicht mehr nach seiner Meinung gefragt hat, weil er nicht in das mediale Raster passte. Er ist ein syrischstämmiger Muslim, seit 2009 emeritierter Professor für Islamologie, der mit allem Nachdruck einen „Euro-Islam“ einforderte und also auch von den Muslimen einen Wandel verlangte. Das war interessant und mutig. So etwas wollten die verantwortlichen Meinungsmacher Deutschlands aber immer weniger hören; da war ihnen zu wenig „Toleranz“ drin. (Ich selber habe von diesem Begriff aus ganz anderen Gründen nichts gehalten, so hoffnungsvoll er auch klingt; er erinnerte mich an den „Euro-Kommunismus“, den es ja bekanntlich auch nicht geben kann, weil der Begriff mit dem Wesen des Kommunismus kollidiert.)

Auf Prof. Tibis Webseite liest sich sein Abschied aus der medialen Öffentlichkeit so: „Prof. Tibi prägte den Begriff »europäische Leitkultur« und ist Begründer des Konzepts eines »Euro-Islam«. Er war auch bis 2012 Mitglied des Kuratoriums der CIVIS-Medien-Stiftung der ARD und wurde 2002 in die Werte-Kommission der CDU als erster Muslim in dieser Funktion einberufen, verließ diese aber 2005 mit einem Protestschreiben der Enttäuschung an Bundeskanzlerin Angela Merkel, worin er gegen die inkompetente Integrationspolitik der Bundesregierung argumentierte. Das Austrittsschreiben an Frau Merkel blieb unbeantwortet, ebenso wie seine Beschwerde bei der damaligen niedersächsischen CDU-Landesregierung von Ministerpräsident Christian Wulff gegen die Schließung des Islamologie-Lehrstuhls und der „International Studies“ an der Universität Göttingen nach der Emeritierung von Prof. Tibi 2009.                                  Hiernach fand Tibi in den Medien der Bundesrepublik Deutschland kaum noch Gehör.“

Die Beteiligung der politischen Entscheidungsträger an der gegenwärtigen Schieflage kann man deutlicher kaum machen; insbesonders eindeutig ist die aktiv gegen eine durch aufgeklärte Bildung zu fördernde Integration gerichtete Politik des späteren Bundespräsidenten Wulff, dessen fatale Aussage zum Islam exakt auf dieser Linie einer viel zu nachgiebigen Politik liegt.

Prof. Tibis heutiges Interview habe ich mit Interesse erwartet und wurde doch ziemlich enttäuscht. Ob der Islamismus zum Islam gehöre, war die erste Frage. Tibi antwortete umständlich, es gebe keinen einheitlichen Islam  und der Islamismus sei zwar überall, wo Islam sei, aber jeweils nur zu 5-10%. (Das ist so, als sagte man, Faschismus sei an sich okay, weil nur 5-10% der Faschisten auch wirklich gewaltbereit seien.) Mit Mühe rang er sich überhaupt zu der Feststellung durch, dass die Islamisten Muslime seien. Die Frage hätte also einfach mit „Ja“ beantwortet werden können, aber Prof. Tibi wirkte gehemmt. Bei einer weiteren Frage, die sich auf die zur Gewalt aufrufenden Stellen im Koran bezog, machte er die Position der aufgeklärten Muslime klar, die Koranaussagen als historisch bedingt auffassen. Er musste natürlich zugeben („ich bin ehrlich“), dass diese Auffassung lediglich von einer verschwindenden Minderheit geteilt wird. Ändern könne daran nur Bildung etwas, aber hier liege das Problem. Schon ein halbwegs gemäßigter Theologe wie Prof. Khorchide sei den Islamverbänden ein Dorn im Auge. (Was er nicht sagte: Ein Kollege von ihm wurde schon auf Druck dieser Verbände und sogar seiner Studenten, die nicht im Sinne des gemäßigten Islam unterrichtet werden wollten, vom Ministerium abgesetzt. Mit anderen Worten hat auch hier die deutsche Politik mitgemacht.)

Besonders traurig war ich, als Prof. Tibi die Pegida-Bewegung zum Motor für die Radikalisierung der Muslime erklärte. Man kann von Pegida halten was man will, aber das war so billig. Nachdem die jahrelange Charmeoffensive der deutschen Politik gegenüber den Muslimen kaum etwas in Richtung „Euro-Islam“ bewegt hat, treiben nun laut Prof. Tibi ein paar Wochen Pegida die Muslime den Islamisten in die Arme. Wenn das so ist, muss die Nähe Islam - Islamismus doch größer sein als von ihm zuvor dargestellt.

Prof. Tibi machte den Eindruck eines gebrochenen Menschen. Die Gründe dafür kann man leicht erraten. Auch er war, wie er im Interview erwähnte, eine Zeit lang auf der Todesliste von radikalen Muslimen. Meine Vermutung ist, dass diese Erfahrung manche vielleicht härter macht, die meisten aber wie Prof. Tibi zermürbt. Wer könnte das nicht verstehen. Ich vermute zudem, dass Prof. Tibi als alter Mensch vielleicht auch seinen Frieden mit seiner Religion machen will. Das sei ihm gegönnt, macht ihn aber intellektuell zu milde. Der andere Grund für die neuen Töne ist eine tiefe narzisstische Kränkung. Prof. Tibi hat den Absturz in die Anonymität nicht verkraftet. Er meinte, Anspruch zu haben auf öffentliche Ehren, nach all dem, was er in Deutschland geleistet hatte. Er schreibt auf seiner Webseite:

„Ich war für mehrere Jahrzehnte ein erfolgreicher Buchautor und eine intensiv wahrgenommene Medienperson. [...] Früher war ich ein Bestseller-Autor. Wir leben in einer Zeit der Kurzlebigkeit, in der dreißig Bücher in deutscher Sprache nicht mehr zählen. Ich stelle gleich von Beginn an klar heraus, dass ich mir vorgenommen habe, niemanden anzuklagen und keinesfalls die Schuld für meinen Fall vom global bewunderten Wissenschaftler und Publizisten zu einem, sozusagen »Nobody«, bei irgendjemandem suchen zu wollen. Ich vermute stattdessen, dass meine Heimatlosigkeit der entscheidende Grund meiner jetzigen Krise ist.

Fakt ist, dass die Anerkennung, die in der Regel jede öffentliche Person gewöhnlich zu ihrem 70. Geburtstag bekommt, mir versagt blieb. Alle Menschen mit vergleichbaren Leistungen [...] werden in Deutschland [...] »gebührend gefeiert«.“

Diese offenkundige Enttäuschung kommt häufig vor bei erfolgreichen Migranten. Sie waren in ihrer neuen Heimat extrem fleißig, wahrscheinlich fleißiger als autochthone Deutsche, und haben großen Erfolg gehabt. Daraus ziehen sie den falschen Schluss, es müsse so immer weiter gehen, bis ganz nach oben. Dem ist aber nicht so. Das ist ein Missverständnis. Nur weil ein Migrant sich der neuen Heimat begeistert in die Arme wirft, hat er keinen Anspruch auf Belohnung. Es gibt nämlich auch jede Menge fleißige autochthone Deutsche, denen die ganz große Anerkennung versagt bleibt. Hier liegt ein merkwürdiger psychologischer Irrtum vor. Heimat könne es diesem Irrtum nach nur geben, wenn man anerkannt und belohnt wird; ansonsten sei man „heimatlos“.  Dies ist ein Trugschluss. Auch die Heimat ist nicht immer gerecht. Es ist erstaunlich, dass ein Intellektueller wie Prof. Tibi diese einfache Tatsache nicht erkennt.

 

 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Christian Dettenhammer

Prof. Tibi ist am 25.5 zu Gast bei den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) in München.
Um 19 Uhr spricht er im Weyprechthof im Norden von München zum Thema:
Islamische Einwanderung und die Folgen für Deutschland.
Eintritt ist frei.

Gravatar: Raul B.

sie schrieben: es gebe keinen einheitlichen Islam und der Islamismus sei zwar überall, wo Islam sei, aber jeweils nur zu 5-10%. (Das ist so, als sagte man, Faschismus sei an sich okay, weil nur 5-10% der Faschisten auch wirklich gewaltbereit seien.)

Selten so eine dämliche Argumentation gelesen. Wahrer wäre: es gebe keinen einheitlichen Islam und der Islamismus sei zwar überall, wo Islam sei, aber jeweils nur zu 5-10%. (das ist so, als sagte man überall wo es Deutsche gibt, gibt es Rechtsradikalismus aber jeweils nur 5-10 %) Ihr Vergleich ist ja mal sowas von Unzusammenhängend...

Gravatar: Lisje Türelüre aus der Klappergasse.

Der Bericht ist für mich eine Bestätigung meiner Ansicht, daß eine sogenannte "Integration" nie gelingt. Nirgendwo geht es einem Menschen besser als in seiner Heimat.
Wer Menschen wirklich liebt, stachelt sie nicht dazu an, ihre Heimat zu verlassen.

Gravatar: Klimax

"....des späteren Bundespräsidenten Wulff, dessen fatale Aussage zum Islam exakt auf dieser Linie einer viel zu nachgiebigen Politik liegt."

Jetzt hat es Mutti auch gesagt. Es bleibt also bei dieser Politik, sie scheint alternativlos zu sein.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang