Warum in die Ferne schweifen?

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“In der Bildungspolitik läuft einiges schief. Die Folgen werden nicht nur die Studenten, sondern auch die Unternehmen ausbaden dürfen. Deutschland ist einerseits zum Bildungstransitland geworden. Ausländische Studenten studieren zwar in Bonn oder Berlin, gehen danach aber wieder zurück in ihre Heimat. Und bei den Deutschen schwindet die Lust, im Ausland zu studieren”, sagt der Personalexperte Michael Zondler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo. recruitment & interim www.centomo.de mit Firmensitzen in London, Ludwigsburg und Sindelfingen.

Dies zusammen genommen sei schlecht für den deutschen Arbeitsmarkt, der nicht nur aus Gründen der politischen Korrektheit auf Internationalisierung und Diversity Management angewiesen sei. Eine aktuelle Studie der Altana AG und des Instituts forsa zur Arbeitgeberattraktivität bestätigt, dass es bisweilen schwer ist, deutsche Talente für ausländische Standorte zu finden. Umgekehrt macht Deutschland offenbar zu wenig aus einer Beliebtheit bei ausländischen Studenten. “Mehr als 300.000 Ausländer studieren derzeit an deutschen Unis. Doch dem deutschen Arbeitsmarkt nutzt dies am Ende herzlich wenig”, berichtet n-tv www.n-tv.de/politik/Auslaender-gehen-Arbeitsmarkt-verloren-article15222966.html unter Bezug auf den Hochschul-Bildungs-Report des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und der Unternehmensberatung McKinsey.

“Sie sind offenbar nicht gekommen, um zu bleiben”, hält der Arbeitsmarktexperte Zondler fest. “Es ist ja grundsätzlich schön und belebend, wenn sich viele ausländische Studenten in deutschen Uni-Städten tummeln. Doch wenn sie nach ihrem kostenlosen Studium in Deutschland anschließend zu einem Großteil wieder nach Hause gehen oder ihr Studium abbrechen und dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht als Fachkräfte zur Verfügung stehen, dann geht die Rechnung zumindest fiskalisch nicht auf. Wir lesen und hören täglich neueste Wasserstandsmeldungen zu Griechenland und dem Euro. Dass sich die Internationalisierung der deutschen Unis aber als teurer Flop erweist, rauscht irgendwie unbemerkt an uns vorbei.”

Wie die Tageszeitung Die Welt berichtet, zieht es die deutschen Studenten auch nicht unbedingt in die Ferne. Sie studieren in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien oder Luxemburg. Insgesamt 54 Prozent studierten dort, wo sie im Regelfall ihre eigene Muttersprache benutzen könnten. Und auch das Nachrichtenmagazin Der Spiegel zog vor einem Jahr eine negative Bologna-Bilanz www.spiegel.de/unispiegel/studium/bologna-reform-die-bilanz-der-studienreform-a-976138.html: “Sie wurde kritisiert und gelobt, verwünscht und beworben: Vor 15 Jahren unterzeichneten die Bildungsminister von 29 europäischen Staaten die Bologna-Erklärung. Die Studienreform krempelte das Hochschulwesen komplett um. Das Ziel: Es sollte schneller, strukturierter und internationaler studiert werden.” Doch im Ergebnis quälten sich die Studenten mit rigiden Vorgaben herum. Und auch ein Auslandssemester werde nach der europaweiten Angleichung der Abschlüsse nicht erleichtert, da viele Studenten befürchten, dass Studienleistungen im Ausland nicht anerkannt werden.

Experten empfehlen daher, den zeitlichen Druck aus dem Studium zu nehmen und den Studenten auch Zeitfenster einzurichten für Auslandsaufenthalte. “Schnelle Erfolge werden sich beim Bemühen um mehr Internationalität der deutschen Studenten und darum, dass ausländische Studenten in Deutschland bleiben oder ausländische Fachkräfte nach Deutschland kommen, nicht erzielen lassen. Die Mühlen der Bildungspolitik malen nun mal langsam. Letztlich ist die Sprache das A und O. Wir müssen uns stärker für das Englische öffnen. Hier können wir uns von den Holländern und den Skandinaviern eine Scheibe abschneiden”, meint Zondler.

Einen auf den ersten Blick unkonventionellen Vorschlag machte jüngst Uwe Schmitt in der Welt. In einer Kolumne warnte er davor, das wir Deutschen dumm synchronisiert würden www.welt.de/kultur/article142211928/Wir-Deutschen-werden-dumm-synchronisiert.html: “Wir geben Milliarden aus für bilinguale Kindergärten, Schulen, “Work and Travel”; keine Nation ist reiselustiger, kein anderes OECD-Land schickt mehr Studenten ins Ausland. Die Resultate sind bescheiden. Dabei wäre es so leicht, die den Rest der Welt in die Kinos und Wohnzimmer zu holen. Die Skandinavier und Niederländer machen es vor, ihr Englisch ist nicht zufällig formidabel. Italiener, Franzosen, Spanier – sämtlich nicht bekannt für ihre Fremdspracheneleganz – leisten uns Gesellschaft.”

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