Warum der Papst ruhig im Bundestag sprechen darf

Keine Angst:  Auch wenn Benedikt XVI. dort sprechen sollte, werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht geschlossen zum Katholizismus konvertieren und in Berlin den Kirchenstaat ausrufen.

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  Allein jemanden sprechen zu lassen und ihm respektvoll zuzuhören heißt auch noch nicht, dass man ihm zu 100 % zustimmen müsste.  Aber selbst seinen Gegnern sollte man zuhören, das kann den eigenen Standpunkt entweder festigen oder verändern, ist jedoch Voraussetzung, für eine wirklich fundierte Auseinandersetzung mit einem Thema.  Wer sich entschließt, nur noch demjenigen zuzuhören, der seine vorgefasste Meinung bestätigt, der wird sich nicht mehr weiterentwickeln.

Natürlich stimmt es, dass der Papst sowohl Staatsoberhaupt als auch Oberhaupt einer Religionsgemeinschaft ist und dass diese Funktionen in seinem Fall nicht getrennt werden können.  Trotzdem gefährdet eine Papstrede genausowenig eine (in Deutschland nicht in strenger Form existierende) Trennung von Kirche und Staat wie eine Rede der Königin von England es tun würde, die ebenfalls Staatsoberhaupt und Oberhaupt einer Religionsgemeinschaft in Personalunion ist.  Denn eine Rede ist nur eine Rede.  Wenn die Grenzen von Staat und Kirche tatsächlich rechtlich verschwimmen, wie es zum Beispiel der Fall ist, wenn Bischofsgehälter oder Moscheen aus Steuermitteln bezahlt werden oder wenn das Finanzamt Kirchensteuern eintreibt, ist der Hinweis auf mangelnde Trennung berechtigt.  Eine Rede ist aber nur eine Äußerung und kein Gesetz.

Es ist auch sehr wohl ein Unterschied, ob ein iranischer Mullah im Bundestag spricht, oder ob der Papst dies tut.  Der Mullah verfolgt aktiv Menschen, der Papst nicht.  Es erscheint auch weder besonders gerecht noch besonders weise den Papst für alle Taten oder Untaten sämtlicher Amtsvorgänger verantwortlich machen zu wollen.  Ist der aktuelle US-Präsident Barack Obama für den von US-Präsident Richard Nixon verursachten Watergate-Skandal verantwortlich?  Königin Elisabeth II. für die Verbrechen der Engländer im Burenkrieg?  Der König von Belgien für das, was Leopold II. im Kongo getan hat?  Kollektive Verantwortung führt im Gegensatz zur individuellen nicht weiter. 

Bei genauerer Betrachtung der Geschichte fällt darüber hinaus auf, dass die Darstellung der Kirche oft sehr undifferenziert ist.  So waren etwa katholische Missionare die ersten, die den Indios in Lateinamerika Menschenrechte zugestanden und versuchten, sie vor den Übergriffen der Konquistadoren zu schützen. 

Zudem wird die Macht des Papstes oft maßlos überschätzt.  Was passiert, wenn sich jemand nicht an die katholische Lehre hält?  Nichts.  Die Kirche verfügt nicht über das Gewaltmonopol des Staates, der jeden Strafzettel, jedes Bußgeld, jede Zwangsabgabe mit Hilfe eines riesigen Behördenapparats, dem sich niemand entziehen kann, durchzusetzen vermag.  Auch wenn es mehr als eine Milliarde Katholiken gibt:  In jedem Zwergstaat hat der Regierungschef mehr Möglichkeiten, seinen Willen mit Gewalt durchzusetzen als der Papst. 

Selbst in früheren Jahrhunderten war dies nur bedingt anders.  Zwar war der Einfluss der Kirche auf die Politik ohne Zweifel bedeutend größer als heute, aber:  Die Kirche konnte Heinrich VIII. nicht aufhalten, als er mal eben seine eigene Kirche gründete, und nicht einmal den Mönch Martin Luther konnte sie sich gefügig machen.  Kaiser griffen in die Papstwahl ein und ernannten Gegenpäpste. 

Zwar hat Renate Künast die Papstkritiker in den eigenen Reihen mittlerweile zurückgepfiffen, doch die Aufmerksamkeit für die grüne Ablehnung des Papstbesuches ist da.  Das legt die Vermutung nahe, dass es noch um etwas anderes geht:  Die Grünen beanspruchen die moralische Deutungshoheit für sich, die Kirche wird dabei als Konkurrent empfunden.  Das zeigte sich auch schon, als der Atmosphärenphysiker Fred Singer, der Teile der Theorie einer durch Menschen verursachten globalen Erwärmung in Frage stellt, die FDP besuchte.  Egal, was man vom Papst oder von Fred Singer hält:  Es ist nicht Aufgabe der Grünen zu entscheiden, wer sprechen darf und wer eine persona non grata ist.  Die Grünen sind nicht die Hüter der absoluten Wahrheit, und es ist ein schlechter Witz, dass sie ihre Bevormundungsstrategie auch noch als Einsatz für die Demokratie zu tarnen versuchen.       

ebenfalls erschienen auf "kingofblog.de"

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Rene Goeckel

Sehr geehrter Herr Heinzel. Es gibt auch Staatsoberhäupter, denen man diese Ehre verweigern sollte. Der Vatikan verdankt seinen Status den Italo-Nazis, er verhetzt Menschen aufgrund ihrer Sexualität, und er hat bis heute nicht die UN-Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Man könnte diese Liste beliebig weiterführen. Ich finde es auch überhaupt nicht beruhigend, dass der Pabst seinen Willen nicht mit Gewalt durchsetzen kann. Am Rande: Es gibt in Deutschland wesentlich mehr Konfessionslose als Katholiken. Man darf auf die Reaktionen gespannt sein.

Gravatar: Markus

Es ist sehr beschämend, wie diese Diskussion abläuft!
Dem Papst will man verbieten, im Bundestag zu reden? Gibt es denn gar keinen Respekt mehr vor dieser Person / diesem Amt???
Ich stimme meinen "Vorrednern" zu, daß man seine Meinungen ja nicht 100% übernehmen muß, aber wenn gleich gar kein Respekt vorhanden ist... wie gesagt, beschämend.

Gravatar: SaBa

Welche Kriterien gibt es für das Sprechen im Bundestag bei fremden Staatsoberhäuptern? U.a
- Demokratisch legitimiert
- Achtung der Menschenrechte
Tut mir leid, bei keinem davon kann ich beim Papst ein Häckchen machen!

Gravatar: Barbara

Der Staat lebt von ethischen Maßstäben, die er selbst nicht setzen kann. Ob wir wollen oder nicht wir leben in Deutschland aus christlich-abendländischer Tradition. Davon profitieren wir alle.Der Papst wird weltweit genießt weltweit moralische Autorität. Wer kann etwas dagegen haben, dass ein deutscher Papst im Deutschen Bundestag spricht? Lassen wir und von "Kleingeistern" oder blinden Ideologen nicht den Blick für große Ereignisse verstellen.

Gravatar: Susanne

Eigentlich müssten die grünen Kleingeister bei der Papstrede geschlossen des Saales verwiesen werden würden. Sie haben es weder ihres Intellektes noch ihrer Geisteshaltung wegen verdient, einem solchen Ereignis beiwohnen zu dürfen. Sie passen besser vor den Reichstag, um dort gegen den Papst-Besuch zu protestieren.

Gravatar: Monika

Der Papst verbietet überhaupt nichts, sondern er spricht sich gegen bestimmte Verhaltensweisen aus. Dies zu befolgen oder nicht, hat jeder - auch jeder Katholik - mit seinem Gewissen abzumachen.
Weiterhin hat der Papst keinem Menschen bisher ein Leid zugefügt und er ist auch nicht für Hexenverbrennungen, die im Mittelalter geschahen, verantwortlich zu machen.
Papst Johannes-Paul II. hat sich in den 90-er Jahren für alle Verfehlungen der katholischen Kirche über die Jahrhunderte umgehend entschuldigt.
Leider ist es zu wenig bekannt, dass auch bei Protestanten noch vor 200 Jahren Hexenverbrennungen abgehalten wurden. Es war ein Relikt dieser Zeit und nicht nur der Kirche.
Romane geben nicht die Realität wieder.
Ja, und nun zu Kim Jong II., zum Glück hat man ihn im Deutschen Parlament bisher nie reden lassen. Er hat viele Menschenleben auf dem Gewissen. Aber er würde sicher bei uns auch nicht reden wollen.
Jedoch Herr Putin durfte in der rot-grünen Regierungszeit im September 2001 im Deutschen Parlament reden. Und keiner von den Grünen hat damals den Saal verlassen, obwohl bekannt war, dass unter der Regentschaft Putins regelmäßig ( natürlich unter Ausschluß der Medien ) Panzer nach Tschetschenien rollten.
Was dort dann ablief, wurde uns später im Menschenrechtsausschuß, dem ich damals angehörte, unter Tränen von Überlebenden berichtet.
Den Papst, der ein Ehrenmann ist, nicht reden lassen zu wollen, wäre ein großes Manko für unsere Demokratie. Alle, die sonst von Toleranz reden, sollten sie endlich selbst einmal üben.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest
wünscht Monika

Gravatar: ute sander

sie sehen keine gefahr.. ich sehe verbieten von kondomen/ anderen mitteln protestanten baschen hexen verbrennung und anderes manipulieren...

Gravatar: Fabian Heinzel

@Holger Ladwig:

Danke für Ihren Kommentar, aber ich sehe da durchaus einen Unterschied. Kim Jong Il lässt aktiv Andersdenkende verfolgen, sperrt Menschen in Internierungslager oder lässt sie ermorden. Er knechtet das nordkoreanische Volk und bedroht das südkoreanische Brudervolk. Vom Papst ist mir nichts vergleichbares bekannt. Zudem ist er das Oberhaupt einer Gemeinschaft von Freiwilligen. Es steht jedem frei, auszutreten, aus Nordkorea muss man dagegen unter Lebensgefahr fliehen. Ein sinnvollerer Vergleich wäre daher der mit der Arbeit in einem Betrieb: Die wenigsten Menschen haben ihren Chef demokratisch gewählt, aber sie haben die Möglichkeit, zu kündigen. Die Staatsangehörigen der Vatikanstadt sind ebenfalls nicht mit den Staatsangehörigen anderer Länder vergleichbar, da die vatikanische Staatsbürgerschaft immer nur zeitweise und an eine Funktion gebunden vergeben wird.

Gravatar: Klimax

Die Sache ist m.E. so zu habdhaben: entweder man gesteht fremden Staatsleuten zu, vor dem Bundestag zu sprechen, oder nicht. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt: der Bundestag ist ausschließlich für die deutsche Volksvertretung geschaffen, dann hat der Papst da nichts verloren.

Allerdings steht man ja schon lange nicht mehr auf diesem Standpunkt. Es haben häufig ausländische Politiker im Bundestag gesprochen. Gilt das auch für Nichtpolitiker? Wäre der Papst ein solcher?

Nun als Staatsoberhaupt ist der Papst Politiker. Folglich muß er sprechen dürfen. In der Argumentation ist weitgehend Herrn Otto zuzustimmen.

Allerdings ist dies die Sichtweise quasi vom Parlament her. Aus der Sicht des Papstes würde ich es mit verkneifen, vor diesem Bundestag Redebedarf anzumelden. Dafür wäre ich mir zu schade.

Zur "schönen preußischen Tradition" gehörte indes schon der Kulturkampf, den Herr Ladwig hier fortführt. Den bahen die Preußen verloren. Glücklicherweise.

Gravatar: Otto

Herr Ladwig,

ad 1/ Wo steht das? Er glaubt, dass sie nicht der einen heiligen apostolischen und katholischen Kirche angehören und dass das nicht gut für Sie ist. So ist das bei verschiedenen Religionen. Deshalb darf er nicht im Bundestag reden? Ist das Ihre Auffassung von Toleranz?

ad 2/ Er verbietet Ihnen nichts, kann er auch nicht. Er informiert Sie über die Sicht der Kirche, und diese ist, dass sexuelle Beziehungen ausserhalb der Ehe Sünde sind. Diese Sicht können Sie teilen oder auch nicht. Sie aber haben eine andere Sicht und wollen jedermann das Wort verbieten, der Ihre Sicht nicht teilt. Das ist totalitär.

3/ Sie sind en Opfer des totalitären Demokratismus. Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind Kriterien, über die wir diskutieren können, doch aber nicht "demokratische Legitimation", vor allem in einem Augenblick, in dem in den sogenannten westlichen Demokratien weder die ersten, noch die letzte gegeben sind.

Herr Ladwig, das Problem in Deutschland ist, dass verirrte (ja, es hat den Anschein!) totalitär veranlagte Menschen wie sie zunehmend den Ton angeben.

Gravatar: Holger Ladwig

Hallo Herr Heinzel,
Nein, ich kann und will mich Ihrer Meinung nicht anschließen und das hat ganz verschiedene Gründe:
1. Der Papst, dieser wie seine Vorgänger, betrachtet mich, den Protestanten, noch heute als Christen zweiter Klasse. Ich will deshalb nicht, dass er im Hause meiner Volksvertreter reden darf.
2. Der Papst, dieser wie seine Vorgänger, betrachten mich, den schwulen Mann als (zumindest) krank und verirrt und verbietet das Ausleben homosexueller Geschlechtlichkeit. Ich will nicht, dass er im Hause meiner Volksvertreter reden darf.
3. Der Pabst, oder nennen wir ihn in schönster preußischer Tradition besser den Bischof von Rom, ist Staatsoberhaupt einer absolutistischen Monarchie. Sein Wirken als Oberhaupt des Vatikanstaates hat keinerlei demokratische Legitimation. Würden Sie Kim Jong Il vor dem Bundestag reden lassen?

Lassen wir die Kirche im Dorf und den Papst in Rom....aber nicht im Deutschen Bundestag!
Beste Grüße
Holger Ladwig

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