Von der Planwirtschaft zum Autobahnkommunismus Deutschland im Stau (2)

Die Aufregung über Rückreisestaus nach den Ferien ist abgeklungen, jetzt leben wir wieder im alltäglichen Stauirrsinn. Die parteipolitische Schlammschlacht über die bayerische Folkloremaut ist von den viel gravierenderen Skandalen über eine mit Schrott ausgestatteten Bundeswehr abgelöst.

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Und so nimmt der jahrelange Schlendrian in der Verkehrspolitik wieder seinen alltäglichen Gang, gespeist aus ideologischen Vorgaben und Macht bewussten Provinzlingen.

Beispiele: In Niedersachsen wird ein 9km langer Abschnitt der A26 zwischen Hamburg und Stade freigegeben. Eine Gaga-Autobahn schreibt darüber die Hamburger Morgenpost, weil sie nur in einer Richtung befahren werden darf. Damit sollen die Anlieger geschützt werden, durch die der Verkehr zu einer Behelfsausfahrt rollen würde. 61 Mill Euro Beton für nichts. Dank deutscher Planung wird das Anschlussstück erst 2020 fertig und damit die Investition überhaupt erst volkswirtschaftlich wirksam.

Woanders wird gar nicht erst mit dem Lückenschluss einer Autobahn begonnen, weil sie vehement vom BUND bekämpft wird, z. B. die A 445 von Werl Nord nach Hamm in Westfalen. Seit Jahren steht sie in den Bundesverkehrswegeplänen unter der Kategorie „Vordringlicher Bedarf“. Ihr Nutzen-Kosten Relation wurde mit 22,4 angegeben. Bei einer vor 32 Jahren schon berechneten Investition von 40.5 Millionen Euro für die 8km (heute sicher mehr) wurde durch den Verzicht auf eine Realisierung eine Bruttonutzeneinbuße von 907,2 Millionen Euro hingenommen.

Die Ursachen für diese Vernichtung von volkswirtschaftlichem Vermögen ist mit einem Satz beschrieben: Im Verkehr herrscht Planwirtschaft pur und Planwirtschaft produziert immer organisierte Verantwortungslosigkeit. Prof. Karl-Hans Hartwig überschrieb seine Abschiedsvorlesung an der Universität Münster, wo er den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, dem Institut für Verkehrswissenschaften inne hatte, seine Bilanz und seinen Lösungsvorschlag: „Wege aus dem Autobahnkommunismus.“ Seine Analyse ist schonungslos und trifft nicht nur linke und grüne Politiker, sie trifft auch CDU, CSU und FDP, die den jetzigen Zustand mit zu verantworten haben.

Sein Vergleich: Der deutsche Autobahnbau und die kommunistische Wirtschaftsform führen beide zu Ineffizienz, was sich im Mangel auf der einen Seite (Staus) und Verschwendung (nicht genutzte Investitionen ) ausdrückt. Realkommunismus bedeutet Staatseigentum, die Bundesfernstraßen sind Bundeseigentum. Im Realkommunismus bestimmt die staatliche Zentralplanung, im Straßenbaukommunismus gibt es den Bundesverkehrswegeplan. Der Realkommunismus regiert mit verbindlichen Direktiven an Behörden, Kombinate und Volkseigene Betriebe, im Straßenbaukommunismus bestimmen verbindliche Direktiven an Ministerien, Straßenbauämtern und Straßenbaumeistereien, was gemacht wird. Im Realkommunismus gibt es festgesetzte Preise, der Autobahnkommunismus verzichtet auf Knappheitspreise mit der Ausnahme der Lkw-Maut für Fahrzeuge über 12 Tonnen.

Prof. Hartwig beschreibt auch die Mechanismen die zu der Unterfinanzierung und Staatsabhängigkeit führen. Als Anbieter für den Straßenbau stehen in unserem System die Politiker im Mittelpunkt. Der Erfolg des Politikers misst sich an seiner Stimmenmaximierung. Wenn er auf dem Fernstraßenmarkt auftritt, dann muss er hohe Kosten in der Gegenwart fordern mit unsicherem Nutzen in der Zukunft. Und er trifft auf die NIMBY - Wähler – die Not In My Back Yard-, also nicht in meinem Garten – Bürger. Die sind vielleicht sogar für eine neue Straße, aber weit weg von ihrem Hinterhof. Die Masse seiner Wähler hat eine hohe Präferenz für den Gegenwartkonsum, die honorieren Investitionen in konsumtive Ausgaben des Staates mehr, als den Ausbau der Investitionen. Dies reflektiert der Politiker, indem er sich bei dem Bau von Fernstraßen zurückhält, was zu Unterinvestitionen führt. Hartwig hat damit die Kettenreaktion beschrieben, die typisch ist für staatlich beeinflusste Entscheidungen und die zu unserem Verkehrschaos führen.

In unserem Buch: „Deutschland im Stau – was uns das Verkehrschaos wirklich kostet“, haben mein Co-Autor Gottfried Ilgmann und ich die tatsächlichen Kosten und Verkehrsleistungen mit den ideologisch vorgegeben Wunschzahlen verglichen. Dabei kam heraus, dass über Jahrzehnte Milliarden für die Schiene und die Binnenschifffahrt investiert wurden, um die Straße zu entlasten, dass der Marktanteil der Straße aber trotzdem gleich geblieben und sogar noch zugenommen hat. Aber das wird kaum von den Kritikern wahrgenommen. Die meisten wollen nur wissen, warum wir den Straßenbau positiv bewerten, obwohl der doch so umweltschädlich sei. Dabei plädieren wir für eine Verkehrspolitik, die die effizienteste Mobilität garantiert, weil die dann auch die umweltfreundlichste ist. Jede Verschwendung ist der sinnlose Verbrauch von Ressourcen. Wir dachten, dass dies logisch und verständlich wäre.

Es gibt eine Studie aus dem Jahre 2005, in deren Besitz wir sind, die aber nicht in ihren Details für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Die Zahlen beziehen sich auf den Bau an zehn Autobahnen mit 17 Abschnitten. Es geht in dem Gutachten um die tatsächlich angefallenen und abgerechneten Kosten. Herausgekommen sind Zahlen, die jedem verantwortlichen Politiker sofort deutlich machen müsste, dass es so nicht weitergehen kann und die die Steuerzahler in nackten Zorn versetzen müssen.

Es wurden 11 Planfeststellungsverfahren analysiert, die im Westen der Republik im Durchschnitt von der Voruntersuchung und dem Linienentwurf bis zum rechtskräftigen Planfeststellungsverfahren 17 Jahre dauerten, im Osten 10,5 Jahre. Für jeden Vorhabensabschnitt waren während der Verfahrensdauer rund 400 Besprechungen mit mindestens 6 Beteiligten nötig.Insgesamt kamen nach der Addition der Zeit, die alle beteiligten Fachbehörden aufbringen mussten, monatlich 950 Arbeitsstunden zusammen. Bei 17 Jahren Verfahrensdauer ergeben das 193 800 Behördenstunden pro Kilometer Autobahn. Wenn wir nur 50 Euro pro Arbeitsstunde annehmen, was sehr niedrig ist, dann haben wir trotzdem schon 9,69 Millionen Euro aufgewandt, bevor auch nur ein Kieselstein verbaut wurde. Noch einmal: Wir rechnen hier pro Kilometer.

Für die analysierten Streckenabschnitte waren pro Kilometer im Schnitt 18 Gutachter und rund 200 externe Ingenieure tätig, die dafür 4,9 Millionen Euro kassierten – und wieder die Erinnerung: Wir schreiben hier über einen Kilometer Autobahn.

Die eigentlichen Baukosten betrugen dann, je nach notwendigen Lärmschutz oder Umweltschutzmaßnahmen zwischen 6 und 18,3 Millionen Euro. Das heißt auch, wenn wir statt das Geld in die Bürokratie, in den eigentlichen Autobahnbau investieren würden, könnten wir richtig tolle Straßen haben.

Wir müssen davon ausgehen, dass das Ergebnis dieser Studie den Verkehrspolitikern aller Parteien zugängig gemacht worden ist. Haben Sie den Aufschrei vernommen? Wir auch nicht. Und das ist der eigentliche Skandal. Egal ob Autobahnbefürworter oder Autobahngegner: Sie alle wollen am Status quo festhalten, weil dieser ihnen Macht und politische Profilierung sichert.

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Richard Floto

Sehr geehrter Herr Ederer!

Dank für Ihre vorzügliche Darstellung. Aber, welche Möglichkeiten haben wir, dieses System zumindest zu reformieren? Abschaffen lässt es sich wohl nicht ganz, da die Bevölkerung wohl doch überwiegend der Meinung ist, ich will sehr gute Straßen haben, aber mach mich dabei nicht nass.

Mit sehr freundlichen Grüßen bin ich stets
Ihr
R. Floto

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