Tödliche Rivalität

Zwischen Saudi-Arabien und Iran wird es nicht zum direkten Krieg kommen. Die Kämpfe in Syrien werden sich aber intensivieren. Die Einnahmen aus den Ölexporten spielen im Kampf um Macht und Führung in der islamischen Welt nur eine untergeordnete Rolle.

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Die Rivalität ist Jahrhunderte alt. Firdosi, der Dichter des persischen Nationalepos Schahman, nannte die Menschen jenseits des Golfs „eidechsenfressende Araber“. Abdul Wahab, auf den die religiösen Reformen im entstehenden Saudi Arabien des achtzehnten Jahrhunderts und die heutige Staatsreligion des Wahabismus zurückgehen, hielt die Schiiten in Persien wegen ihrer religiösen Praktiken für kafir, für Ungläubige, etwa auf der gleichen Stufe wie Sklaven. Aber man beließ es bei gegenseitiger Verachtung. Die Saudis lebten in ihrem prosperierenden Ölstaat und die Perser unter dem Schah halbwegs friedlich und weltverschlossen an den Ufern des gemeinsamen Golfs. Mit der islamischen Revolution und vor allem der Expansion schiitischer Revolutionsideen nach Kuweit, Irak, Jemen und auch nach Saudi-Arabien brachen die alten Gegensätze wieder auf. Seither wachsen die Spannungen.

Im Irak, im Jemen und in Syrien führte man noch Stellvertreterkriege. Auch auf dem Ölmarkt steht man sich als Konkurrenten gegenüber. Washington, das unter Obama den Ayatollahs und ihrer Atombastelei Zugeständnisse machte und gleichzeitig die Abhängigkeit vom saudischen Öl durch Fracking beendete, fällt als Vermittler aus. Einen anderen gibt es nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der jahrhundertealte schiitisch-sunnitische Konflikt der beiden islamischen Führungsmächte entlud. Das ist jetzt mit der Hinrichtung eines bekannten schiitischen Gelehrten, der Erstürmung der saudischen Botschaft in Teheran und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen geschehen. Bahrein, Gefolgsstaat der Saudis, sunnitisch regiert aber mit schiitischer Bevölkerungsmehrheit, zog gestern nach. 

Es wird nicht zum direkten Krieg kommen. Die Kämpfe in Syrien werden sich aber intensivieren. Riad setzt dabei auf Rebellen- und Terrorgruppen wie al Nusra, Teheran auf die Hisbollah und auf die Russen. Wichtiger für Riad aber ist der Machtkampf im Jemen. Dort wird gnadenlos gebombt werden. Die unbeugsamen Bergstämme im Norden und in gefährlicher Nähe der heiligen Städte Mekka und Medina konnte man bislang entweder bestechen oder unterdrücken. Teheran lieferte den Schiiten im Rücken Riads Waffen und Geld. Schon die Aussicht auf eine Lockerung der Sanktionen  beflügelt erneut den Revolutionsexport. Im Jemen entscheidet sich das Schicksal des Königshauses Saud, in Syrien das der Ayatollahs und der schiitischen Expansion. Die Koalition gegen den zur Massenflucht treibenden Terrorstaat IS ist vorerst Sache der Europäer.

Sache der Europäer ist allerdings auch ein kleines gemeinsames Interesse der Konfliktparteien: Der Ölpreis. Riad und Teheran hätten gern etwas höhere Notierungen. Riad nicht allzu sehr, um die amerikanische Fracking-Industrie nicht wieder zu beleben und auch um den ungläubigen Russen und glaubensabtrünnigen Iranern nicht zuviel Geld in die Kriegskassen zu spülen. Aber ein paar Dollar mehr könnten es schon sein, um die momentanen Liquiditätsengpässe auszugleichen und weiter großzügig die eigene Bevölkerung zu unterhalten. Wenn der Preis dann zu sehr steigt, kann man ja wieder den Markt mit einigen Millionen Barrel fluten. Aber das ist Nebensache. Hauptsache ist der Machterhalt und der Führungsanspruch in der islamischen Welt.

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Gravatar: Behzad

Kleine Korrektur: Schahname nicht Schahman

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