Nichts wird besser, es wird bestenfalls anders

Über James Sallis’ Romandebüt „Stiller Zorn“

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James Sallis ist in Deutschland keine ganz unbekannte Krimi-Größe mehr. Sein Roman „Driver“ wurde 2011 mit Ryan Gosling in der Hauptrolle verfilmt. Der 1944 in Arkansas geborene Autor hat Puschkin ins Englische übersetzt und lehrt Kreatives Schreiben am Phoenix College. Der DUMont-Buchverlag hat nun sein Romandebüt „Stiller Zorn“ nun wieder herausgebracht www.dumont-buchverlag.de/buch/James_Sallis_Stiller_Zorn/12227, welches bereits 1999 unter dem Titel „Die langbeinige Fliege“ erschienen ist.

Matthias Heine hat in seiner insgesamt positiven Rezension für „Die Welt“ angemerkt, Sallis – dem Meister der lakonischen Sprache – seien in seinem Erstling noch „ein paar typische Hardboiled-Klischees“ unterlaufen. Mich stören diese Klischees nicht. Im Gegenteil: Sie erzeugen ein Gefühl der Geborgenheit. Man betritt eine vertraute noir-Welt. Das Buch spielt in den Jahren 1964, 1970, 1984 und 1990. Der Reiz liegt darin, dass man den Protagonisten, den schwarzen Privatdetektiv Lew Griffin, in verschiedenen Phasen seines Lebens kennen lernt. Dadurch wird die Figur, die einem sofort sympathisch ist, komplexer.

Zu Beginn passiert der Detektiv mit literarischer Bildung seine Büro-Glastür mit der Aufschrift „Lewis Griffin, Ermittlungen“. Wie bei Chandlers Philip Marlowe ist das Konto des Schnüfflers nicht gerade üppig gefüllt,  Postwurfsendungen liegen im Büro herum, der Bourbon steht griffbereit. Wie Marlowe raucht Griffin Pfeife, was heute nicht nur als gesundheitsschädlich, sondern als uncool gilt.

Dabei ist Griffin ein cooler Typ, ein einsamer Wolf, zu keinen dauerhaften Beziehungen in der Lage, ein harter Hund und echter Kerl, romantisch und belesen. Hin und wieder schläft er mit der Prostituierten LaVerne, nicht als Kunde, sondern als Freund – „zwei einsame Menschen, die beisammen waren, solange es eben ging“.

Die Handlung beziehungsweise die verschiedenen Handlungsstränge spielen in New Orleans, einem Moloch, geprägt von roher Gewalt, sinnloser Brutalität und Hoffnungslosigkeit. Seine Weltsicht äußert Griffin in einem knappen Satz: „Nichts wird besser, Don. Es wird bestenfalls anders.“ Wie Marlowe könnte auch sein schwarzer Bruder Griffin mehr aus seinem Leben machen. Doch es fehlt ihm an persönlichem Ehrgeiz, an Antrieb. Das wurde ihm schon in der Schule attestiert. Trotzdem kriegt der private Ermittler die schärfsten Bräute ab, doch zu einer echten und dauerhaften Beziehung ist er nicht in der Lage.

Manche Passagen des Buches sind von wunderschöner Traurigkeit, etwa, wenn Sallis den Selbstmord des Literaturprofessors seines Protagonisten beschreibt. „In unserem Leben muss stets ein Licht leuchten“, war dessen Maxime: „Sein Lebenslicht erlosch in dem Jahr, in dem ich bei ihm mit dem Literaturstudium anfing. Mitten im zweiten Semester kam er zwei Tage hintereinander nicht zu den Vorlesungen. Man fand ihn am Boden seines Badezimmers. Er hatte sich an einem Haken über der Badewanne erhängt, und obwohl der Haken aus der verrotteten Rigipsdecke gerissen war, hatte er sich bereits den Kehlkopf zerquetscht und außerdem beim Sturz auf den Wannenrand das Rückgrat gebrochen, so dass er kurz darauf zuckend und zappelnd inmitten der rausgebrochenen Gipsbrocken gestorben war.“

Es gibt wenigoffnung in diesem kurzen Buch. Griffin ist auf der Suche nach verschiedenen vermissten Personen, zuletzt nach seinem Sohn, den er lange nicht mehr gesehen hatte. Doch letztlich ist er auf der Suche nach sich selbst, nach dem Sinn des Lebens. Er wird ihn nicht finden, immer wieder scheitern und immer wieder aufstehen.

Das Einzige, was gegen Reue und Katzenjammer in der Nacht hilft, sind ein paar harte Drinks und der Morgen. Griffin weiß, er wird in seinem Leben nie etwas Festes finden – weder im Privaten noch im Beruflichen. Trotzdem bleibt er seiner geliebt-gehassten Heimatstadt treu und lehnt es ab, mit seiner Freundin Vicky, einer Krankenschwester, die ihn zwischenzeitlich wieder aufgepäppelt hat, nach London zu ziehen.

Nach Sallis’ Sound und seiner Spürnase Griffin kann man süchtig werden. Hoffentlich legt der DUMont-Verlag recht bald auch die anderen fünf Bände der Griffin-Reihe in deutscher Übersetzung vor. Wir warten gespannt.

James Sallis: Stiller Zorn. DuMont-Buchverlag: Köln 2013. 189 Seiten. 8,99 Euro. ISBN 9 – 783832 – 162351.

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