Meine Schuld

Selbstverständlich anonym wie heutzutage üblich warf mir ein Schüler in einer Abiturzeitung vor, dass Leute wie ich schuld daran seien, dass Menschen massenhaft aus der Katholischen Kirche austreten.

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Nun kann ich mich an keine lebhafte Auseinandersetzung in meinem Unterricht zu diesem Thema erinnern, so dass ich stark vermute, dass hier ein Schüler einen ganz privaten Konflikt mit der Lehre der Katholischen Kirche hat, die vermutlich nicht seiner wohl durch Medien vorgeprägten Geisteshaltung entspricht, der er sich unbewusst, vielleicht auch unhinterfragt, angepasst hat, um modern zu wirken. Altmodisch und hinterwäldlerisch bin für ihn auf jeden Fall ich.

Immer wieder mache ich die gleiche Beobachtung. Geht ein Glaube verloren, wird er rasch durch einen anderen ersetzt, meist durch den augenblicklichen Hauptstrom in den Medien verursacht. Ganz ohne Glaube scheint der Mensch nicht auszukommen.

Sehr oft erfuhr ich als katholischer Religionslehrer am Gymnasium Ablehnung. Man warf mir Indoktrination und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden vor und ich fragte mich, warum mein Gegenüber nicht einfach meine Haltung neben der seinen stehen lassen kann, wenn er selbst doch angeblich ach so tolerant ist. Offensichtlich wirke ich als lebendiger Vorwurf und berühre wohl unbewusste Schuldgefühle, deren man sich mit allen Mitteln erwehren muss.

Nichts ist für mich z.B. widersprüchlicher als ein Atheist, der mit missionarischem Eifer seinen Nichtgottglauben verkünden muss. Sein manchmal selbstgerechter Wahrheitswahn spricht Bände, an denen jeder Tiefenpsychologe seine helle Freude hätte. Welche tiefsitzenden Ängste müssen verdrängt bleiben?

Zur Zeit feiert eine Diktatur des Relativismus, einer sinnenleeren Aufklärung, einer gedankenlosen Gleichmacherei, getarnt als Gleichberechtigung, in den Medien Triumphe. Dass Wasser bergauf fließt, ist in diesem Gedankengebäude genauso gültig wie die Gegenbehauptung, dass Wasser bergab fließe. Beide erscheinen in diesem Denkmuster als gleichberechtigte Sichtweisen, die gefälligst zu tolerieren sind.

Ein solches Musterbeispiel dafür ist für mich die im Familienpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vollzogene Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der richtigen Ehe zwischen Mann und Frau. Hier kuscht man vor einer kleinen Gruppe von Menschen, die ihre sexuelle Neigung zum nachahmungswürdigen Kult erhebt und jeden der Intoleranz oder Diskriminierung bezichtigt, der hier Kritik wagt. Unbekümmert und moralisch überheblich beschimpft diese Gruppe einen Kritiker, dass dieser sich im Sumpf eines Homophobenmorastes befinde. Dass eine solche Haltung selbst diskriminierend ist, fällt vielen nicht mehr auf. Man hat hier einen neuen, moralisch scheinbar höherwertigen Glauben geschaffen, der es erlaubt, Andersdenkende moralisch tiefer einzustufen und damit als minderwertig zu bekämpfen.

Weitere zeitgeistige Haltungen finde ich im Internet, wo praktizierende Katholiken einfach nur lächerlich gemacht werden, als wären sie abartige, vogelfreie Wesen, pure Kathophobie also. Umgekehrt aber achten diese Blogger meist peinlich genau, manchmal fast unterwürfig darauf, dass Ansprüche anderer Minderheiten politisch korrekt eingehalten werden müssen und diese keinesfalls diskriminiert werden dürfen. Sachliche Argumente scheinen dort in der Auseinandersetzung nicht mehr nötig zu sein. Es genügt ein Hinweis auf die christliche, wenn nicht gar katholische Religiosität einer Person, um nach Herzenslust abwertend über sie herziehen zu können.

Aber all das muss ich ertragen lernen. Denn ich bin ja selbst schuld. Schließlich sind es Leute wie ich, die Menschen massenhaft aus der Katholischen Kirche austreten lassen, wie der anonyme Schüler in der Abiturzeitung so selbstsicher feststellte.

Beitrag erschien zuerst auf: winfreid.schley.over-blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Rießler

Vorstellungen, die von einer Generation an die nächste weitergegeben wurden, sind natürlich nicht automatisch falsch, zumal es sich im Falle des christlichen Glaubens um Dinge handelt, die in ihrer originalen Form in der Bibel schriftlich fixiert sind und auch von Erwachsenen gelesen und nachgeprüft werden können und sollen. Viele Menschen sind allein durch das Lesen der Bibel oder durch eine christliche Predigt zum Glauben gekommen und erfahren nun dieses neue, gottgeschenkte Leben mit Freude und Dankbarkeit.
Wenn Sie „christliche Kindergärten, Schulkreuze, Koranschulen und die Beschneidung von Jungen“ abschaffen wollen, wären Sie vielleicht in einer kommunistischen Diktatur besser aufgehoben als in der Bundesrepublik.
Die Anwendung des Selbstbestimmungsrechts auf Babys, wie im Fall der Säuglingstaufe, ist ebenfalls Unsinn, da diese kleinen Kinder noch in allen Bereichen auf die Fürsorge ihrer Eltern angewiesen sind. Hier greift stattdessen das elterliche Erziehungsrecht.

Gravatar: Joachim Datko

Religiöse Plattitüden:

Zitat: [...] so dass ihre Kinder leichter eine positive Beziehung zu ihrem himmlischen Vater aufbauen können."

Es gibt keinen himmlischen Vater! So etwas wird den Menschen in der Kindheit eingeprägt, von Menschen, die selbst so in ihrer Kindheit geprägt wurden.

Es wird höchste Zeit, dass wir christliche Kindergärten, Schulkreuze, Koranschulen und die Beschneidung von Jungen abschaffen.

Bei uns in Regensburg sind im ersten Halbjahr 493 Menschen aus den beiden großen christlichen Kirchen ausgetreten, in die sie gegen ihr Selbstbestimmungsrecht aufgenommen wurden.

Gravatar: Winfried Schley

Leben drängt danach, Leben weiterzugeben. Das ist die Hauptlinie der Schöpfungsordnung, alle andere sind Nebenlinien, von Gleichwertigkeit keine Spur. Alle Kulturen regeln diese Hauptlinie in einer heterosexuellen, festen, durch feierliche Rituale bestätigten Einordnung. Selbst die islamische Polygamie passt besser in diesen Naturkreislauf als die modische Homoehe. So fordert z.B. in Frankreich der Conseil Français du Culte Musulman, dass der französische Staat nun nach der Einführung der Homoehe die Polygamie freigeben müsse, weil ein Mann sehr wohl mehrere Frauen lieben, sie also auch heiraten kann. Der Rat der frz. Muslime will damit bis vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.

Aus meiner Sicht wird er dort gewinnen; denn die Kriterien für die Homoehe, die der französische Staat definiert hat, sind auch für andere Lebensformen gültig. Obendrein ist es für einen gläubigen Moslem eine tödliche Beleidigung, dass er weniger wert sein soll als ein Homosexueller, der aus seiner Sicht den Willen Allahs verfehlt. Für ihn ist das neue frz. Homoehengesetz Rassismus pur und weit entfernt von der durch Frankreichs augenblickliche Regierung propagierten "Gleichheit für alle".

Wir werden in einem multikulturellen Europa lernen müssen, gewisse Wertemuster auch mit den Augen anderer Kulturen zu sehen und nicht nur durch die ideologische Zwangseinheitsbrille der gängigen Presselandschaft, die alles mit der Diskriminierungskeule niedermacht, was nicht in ihr (verordnetes?) Weltbild passt und dem sich neuerdings auch die EKD sklavisch unterwirft, wenn sie sich nicht auf ihre christlichen Wurzeln zurückbesinnt.

Gravatar: K. L.

Warum diffamieren Sie mich als gläubige Christin?
Müssen Atheisten immer so überheblich sein und behaupten, sie seien im alleinigen Besitz der Wahrheit?
Lassen Sie mich doch glauben und leben, wie ich will, und verkneifen Sie sich Hohn und Spott.
Damit hat noch selten jemand überzeugt - jedenfalls nicht mich. Ich fand solche Vorgehensweise immer nur durchsichtig und enorm hilflos.

Gravatar: Thomas Rießler

Was will uns wohl diese Kommentarkonserve sagen?
Die Eltern bringen ihre Kinder im Idealfall aus Liebe zur Kirche, damit sie dort das Taufsakrament empfangen und der erste Schritt zu ihrer Errettung getan ist. Leider liegt es aber nicht in der Macht der leiblichen Eltern, dass ihre Kinder im Glauben bleiben und das ewige Leben erlangen. Sie können dies aber durch eine christliche Erziehung und durch ihr gutes Vorbild unterstützen, so dass ihre Kinder leichter eine positive Beziehung zu ihrem himmlischen Vater aufbauen können.
Die zwei Lebenswege:
„Wohl dem, der nicht wandelt im Rat (= nach den Lehren) der Gottlosen und nicht tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt im Kreise der Spötter, vielmehr Gefallen hat am Gesetz des HERRN und sinnt über sein Gesetz bei Tag und bei Nacht! Der gleicht einem Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Früchte bringt zu rechter Zeit und dessen Laub nicht welkt; und alles, was er beginnt, das gelingt. Nicht also die Gottlosen: nein, sie gleichen der Spreu, die der Wind verweht. Darum werden die Gottlosen nicht im Gericht bestehn und die Sünder nicht in der Gemeinde der Gerechten. Denn es kennt der HERR den Weg der Gerechten; doch der Gottlosen Weg führt ins Verderben.“ (Psalm 1)

Gravatar: Joachim Datko

Die meisten Mitglieder der großen christlichen Kirchen sind als Säuglinge bzw. Kleinkinder durch die Taufe in die Kirchen geraten, ohne ihr zutun, gegen ihr Selbstbestimmungsrecht.

Durch die Berieselung mit den abstrusen Glaubensinhalten, man denke an die Teufelsvorstellung, sind sie in der Kindheit christlich geprägt worden, wie eine Münze.

Selbst Herr Joseph Ratzinger hat nicht als Erwachsener zum Glauben gefunden, sondern ist von klein auf christlich geprägt worden.

Gravatar: Thomas Rießler

Vermutlich gibt es zwei Sorten von Leuten, die aus der Kirche austreten:
1. Leute die offen oder insgeheim vom Glauben abgefallen sind. Oft scheint der Glaubensabfall ein schleichender Prozess zu sein, der sich darin äußert, dass weltliche Vorstellungen bei der Person die Oberhand gewinnen und dass sich ein Frustpotential im Hinblick auf kirchliche Vorschriften aufbaut. Das Gleichnis vom Sämann legt ja auch nahe, dass mit solchen Fällen zu rechnen ist.
2. Leute, die der Meinung sind, dass ihre Kirche vom Glauben abgefallen ist (Stichwort: Hure Babylon) und dass sie sich deshalb von ihr trennen sollen, um nicht an ihren Strafen Anteil zu haben.
Erwachsene Personen, die keinen christlichen Glauben haben, sollten nach meinem Verständnis auch kein Mitglied in einer christlichen Kirche sein. Wenn der anonyme Schüler also solche Menschen im Blick hat, dann kann Sie als Religionslehrer keine Schuld treffen, wenn Sie diesen Menschen einen Stein des Anstoßes geliefert haben sollten, der zu ihrem Austritt geführt hat. Wenn der anonyme Schüler aber an Ihnen Anstoß genommen hat, weil Sie den christlichen Glauben in einer verfälschten oder verwässerten Form gelehrt haben, sieht die Sache anders aus.

Gravatar: Joachim Datko

Bei uns in Deutschland verlieren die großen christlichen Kirchen massiv an Boden.

Viele sind nur wegen der Säuglingstaufen Kirchenmitglieder.

Siehe z.B.:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/5171/umfrage/glauben-an-schoepfungsgeschichte-oder-evolution/

Glauben Sie, dass der Mensch von Gott geschaffen worden ist oder glauben Sie, dass sich der Mensch aus anderen Lebensformen heraus entwickelt hat?

61% Aus anderen Lebensformen entwickelt
20% Mensch wurde von Gott geschaffen
19% Weiß nicht, keine konkrete Antwort

Gravatar: Freigeist

Massenhafter Austritt - Das ist stark übertrieben. Die wenigen Austritte sind lächerlich gering, betrachtet man die gigantische Zahl der Gläubigen.

Gravatar: Olli Schäfer

"Hier kuscht man vor einer kleinen Gruppe von Menschen, die ihre sexuelle Neigung zum nachahmungswürdigen Kult erhebt"

Wo erhebt denn jemand die Homosexualität zu einem "nachahmungswürdigen Kult"? Vollkommener Blödsinn aber immer wieder gern von Gegnern der Gleichstellung genutzt, auch wenn der Rest Ihres Satzes durchaus häufig stimmt. Da sind Schwule und Lesben oft viel zu empfindlich. Von der Homophobie-Keule halte ich eh wenig, da damit in aller Regel jegliche Diskussion im Keim erstickt wird. Sätze wie Ihr o.g. helfen allerdings auch niemandem.

"Dass eine solche Haltung selbst diskriminierend ist, fällt vielen nicht mehr auf."

Da stimme ich zu. Da schiesst mancher der sog. Aktivisten gern mal über das Ziel hinaus.

"Man hat hier einen neuen, moralisch scheinbar höherwertigen Glauben geschaffen, der es erlaubt, Andersdenkende moralisch tiefer einzustufen und damit als minderwertig zu bekämpfen."

Das ist wiederum Quatsch, denn die Minderwertigkeit Homosexueller wird ja gerade in der Gleichstellungsdiskussion zwar meist ziemlich verklemmt formuliert, weil man sich ja unbedingt politisch korrekt verhalten möchte, aber unterm Strich wird genau das gesagt. Insofern müssen sich die Gegner nicht wundern, dass mit gleicher Münze zurückgezahlt wird, denn die Argumente gegen eine Gleichstellung sind nun mal nicht mehr als scheinheilig und durchschaubar und basieren auf persönlichen moralischen Empfindungen, nicht auf sachlich Gründen.

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