ESM-Kritikern fehlt das Konzept und der Mut

Immer mehr Initiativen unter dem Motto „Stoppt den ESM“ schießen aus dem Boden. Auch Experten schließen sich dem Widerstand an. Aber sie klammern sich alle am Einheitseuro fest. So finden sie keinen Ausweg aus der Falle.

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Demnächst werden Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble vor dem Bundestag wieder einmal erklären, dass die Verabschiedung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und des Fiskalpakts alternativlos seien. Sie haben Recht. Will die Bundesregierung am Einheitseuro festhalten, kommt sie um die Übernahme der Schulden anderer Länder, sei es in Form von „Euro-Bonds“ oder in Gestalt des ESM, nicht herum. Würde der Bundestag den ESM jetzt ablehnen, wäre der Euro in seiner jetzigen Form am Ende.

Umfragen zeigen, dass die Deutschen bei aller D-Mark-Nostalgie den Euro ganz gut finden. Sie haben sich daran gewöhnt, nach Mallorca zu reisen, ohne Geld umtauschen zu müssen. Sie schätzen die Preistransparenz, die ihnen die Einheitswährung im Internet bietet. Sie glauben auch die Mär, dass Deutschland „am meisten vom Euro profitiert“.

Die Umfragen zeigen aber auch, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen weitere Rettungsaktionen satt ist und kategorisch ablehnt.

 

Allerdings wissen die meisten noch nicht, dass das eine das andere bedingt. Deshalb sind Vorschläge für eine Abkehr von der Einheitseuropolitik (z.B. „Nord-Euro“) wenig populär. Wenn man in der Diskussion um den Euro nach Populisten sucht, sind es diejenigen, die auf die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung schimpfen, gleichzeitig aber bekunden, weiterhin für den Einheitseuro zu sein. Dass der Euro nur noch wegen der von ihnen kritisierten Rettungspolitik existiert, verdrängen oder unterschlagen sie.

Seitdem bekannt geworden ist, dass mit Einführung des ESM eine Mehrheit aus Vertretern potenzieller Nehmerländer Rettungsmilliarden zu Lasten der Minderheit potenzieller Geberländer abrufen kann, dies ohne demokratische Kontrolle geschieht und das ganze System nie mehr, selbst nicht von einer  parlamentarischen Mehrheit zu einem späteren Zeitpunkt im Bundestag, aufgekündigt werden kann, gibt es immer mehr Widerstand. Jetzt protestiert auch der Bund der Steuerzahler. Immer neue „Stoppt-den-ESM“- Initiativen rufen zu Demonstrationen auf und sammeln Mitstreiter im Internet. Auch die wackeren Opponenten aus der Koalition wie Bosbach (CDU) und Schäffler (FDP) sind nicht mehr ganz allein: keine Geringere als die ehemalige Justizministerin Däubler-Gmelin (SPD) hat angekündigt, gegen den ESM vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen.

Flucht in Luftschlösser

Inzwischen ist die deutsche Euro-Debatte an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. Immer mehr Ökonomen und Wirtschaftsredakteure profilieren sich mit wohlfeiler Kritik am ESM, versichern der Einheitswährung aber weiterhin ihre unverbrüchliche Treue. Dabei wissen sie, dass der Euro ohne den EMS oder einen äquivalenten Transfermechanismus erledigt wäre. Sich für Alternativen zum Einheitseuro auszusprechen, fehlt ihnen der Mut. Stattdessen machen sie Vorschläge, die die Politik längst abgehakt hat und flüchten sich in Luftschlösser, die „Zurück zu Maastricht“, „Keine Transferunion“ oder „Neuverteilung der Stimmrechte in der EZB“ heißen.

Dagegen handelt die Bundesregierung geradezu konsequent, wenn sie auch die brandgefährlichen Folgen ihrer Politik für den deutschen Steuerzahler, für die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone und für das gedeihliche Zusammenleben in Europa in Kauf nimmt.

Von den eurofreundlichen Ökonomen wagte sich Professor Sinn vom Ifo-Institut bisher am weitesten vor, als er resignierend erklärte: „Die Deutschen sind in der (Euro-)Falle“.

Aber auch in solcher Situation gibt es Alternativen. Entweder man reagiert so wie die Bundesregierung und erklärt, dass sie die Deutschen bewusst und aus übergeordneten Gründen in diese Falle gelockt hat oder man versucht, aus ihr auszubrechen. Diejenigen, die jetzt den  ESM zwar kritisieren, aber am Einheitseuro festhalten wollen, führen uns jedenfalls nicht aus dieser Falle.

Aus der kommen wir nur, wenn wir den Einheitseuro verlassen.

 

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Heinz Lamparter

Zum Beitrag von Elke Seyrer - wie schaffen wir die Vernetzung ? Jeder legt sein eigenes Ei und die Manager der Großbanken und Konzerne lachen sich solange einen Ast......Wenn Sie eine Idee haben - ich bin dabei !

Gravatar: Elke Seyrer

Klar und gut gesprochen, Herr Henkel! Welche finanzielle Konsequenzen hätte aber der Ausstieg aus dem Euro für Deutschland? Kann man das ausrechnen und der Dauerfinanzierung der Schuldnerländer gegenüberstellen? Ich denke z. B. an die 600 Milliard. Target2-Forderungen, die doch dann sofort von der Bundesbank abgeschrieben werden müßten.
Und so sehr ich die ganzen Initiativen gegen den ESM begrüße - gerade ist mir wieder eine Unterschriftenliste dagegen gemailt worden - , warum schafft man es nicht, sich auf EINE Unterschriftenliste zu einigen und verzettelt sich so dilettantisch? Oder legt man am Schluß zusammen?
So viele sind wir nicht. Laßt uns unsere Kräfte bündeln!

Gravatar: FDominicus

Stimmt so schlicht und einfach nicht.
Oder erläutern Sie uns bitte was die Hartgeld Leute am Euro so toll finden...

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