Doppeltagebuch 1989/2009- 19. November

Die „Welt am Sonntag“ meldet, dass an diesem Wochenende insgesamt 9 Millionen Besucher von Ost nach West und von West nach Ost unterwegs waren. Nie waren sich die Deutschen

Veröffentlicht:
von

so nahe. Gleichzeitig ist in den Medien viel vom Sozialismus, der gerade von den DDR-Bürgern verabschiedet wird, die Rede. Die DDR-Regierung scheint ihre eigenen Beschwörungen zu glauben. Sie eröffnet Auffanglager für rückkehrwillige DDR-Bürger. Im Fernsehen werden die Feldbetten gezeigt, mit gefalteten Decken darauf und Kantinen, in denen Eintopf gekocht werden kann. Bis zu 2000 Menschen könnten untergebracht werden. Als sich nicht mehr als 7 Flüchtlinge einfinden, werden die Lager wieder geschlossen.
Das „Neue Forum“ fordert den Rücktritt von SED-Parteichef Egon Krenz.
In der Tschechoslowakei kommt die Revolution in Fahrt. Die dritte Großdemonstration findet auf dem Prager Wenzelsplatz statt. Wieder sprechen Havel und Dubcek. Sie fordern die Demokratisierung des Landes. Der Druck wird verstärkt durch die Gründung des tschechischen „Bürgerforums“. Der Vorsitzend wird Vaclav Havel. Auf slowakischer Seite wird gleichzeitig die „Öffentlichkeit gegen Gewalt“, sowie die „Unabhängige Initiative der ungarischen Minderheit“ ins Leben gerufen. Die Theaterkünstler, die Studenten und die Schüler streiken.

Wie läppisch sind die Themen, mit denen sich Deutschland heute befasst: Oskar Lafontaine muss sich einer Krebsoperation unterziehen und „Bild“, deren Hauskolumnist Lafo war, als er den Politik-Rentner gab, darf exklusiv berichten. Nun wissen wir, dass der Patient morgens um 5.45 Uhr im schwarzen Audi, begleitet von zwei Sicherheitsbeamten von zu hause weggefahren ist, sich durch den Frühnebel zur Klinik fahren ließ, um 6.34!  dort ankam und bereits um 8 Uhr auf dem OP-Tisch lag. Ein 1,5 Millionen teurer Roboter hat den Linke- Chef operiert. Seine Erektionsfähigkeit bleibt erhalten. Nun sind wir wirklich beruhigt. Die vorletzten Schlagzeilen, die Lafo machte, betrafen seine angebliche Affäre mit der Beton-Kommunistin Wagenknecht. Die Zukunft von Oskar und Sarah scheint gesichert. Nach fünf Tagen darf der Oskar seine teure Privatklinik schon wieder verlassen und kann bald seinen Kampf gegen den kalten Turbokapitalismus fortsetzen, der ihn so warm umsorgt.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 19. November 2009 auf der "Achse des Guten"

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang