Die deutschen Linken und die EU

Früher standen die bundesdeutschen Linken dem Projekt „Europäische Union“ kritisch, ja ablehnend gegenüber. Das hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte radikal verändert.

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Früher, d.h. in den 60er, 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, standen die bundesdeutschen Linken dem Projekt „Europäische Union“ ablehnend gegenüber (wenn ich von den „bundesdeutschen Linken“ schreibe, dann meine ich die kommunistische Linke, die Neue Linke, die im Gefolge der 68er-Bewegung entstand, und Teile der SPD). Die EU wurde von ihnen als ein „erzkonservatives“, „reaktionäres“ Projekt betrachtet. In diesem Zusammenhang wurden immer wieder die zwei Väter der EU Konrad Adenauer und Charles de Gaulle genannt.

Konrad Adenauer war der Feind der Linken. Er galt nicht nur als ein erzkonservativer und reaktionärer, sondern auch als ein „revanchistischer“ Politiker, d.h. als ein Politiker, der die von den Siegesmächten des Zweiten Weltkrieges festgelegten Grenzen Deutschlands ändern wollte.

Paradigmatisch für die Anti-EU-Haltung der bundesdeutschen Linken sind die Äußerungen Erich Fromms. Er gilt als einer der Hauptvertreter der „Frankfurter Schule“ (auch „Kritische Theorie“ genannt) und eine der Galionsfiguren der (Neuen) Linken.

Erich Fromm schreibt 1962 in seinem Werk „Jenseits der Illusionen“:

„Die Kräfte hinter dem deutschen Expansionismus sind noch immer die gleichen wie 1914 und 1939, und sie besitzen heute eine noch stärkere emotionale Dynamik, nämlich als Ruf nach der Rückgabe der ´geraubten` Gebiete. Die deutschen Führer haben dazugelernt; diesmal schlossen sie gleich zu Anfang ein Bündnis mit den Vereinigten Staaten, anstatt die stärkste Macht des Westens als potentiellen Feind zu haben. Diesmal haben sie sich mit ganz Westeuropa zusammengetan und haben alle Aussicht, als führende Macht des neuen Vereinten Europa daraus hervorzugehen, nachdem sie auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet bereits die stärkste Macht sind. Das von Deutschland angeführte Neue Europa wird ebenso expansionistisch sein wie das Alte Deutschland war, und in seinem Bestreben, die früheren deutschen Gebiete zurückzubekommen, wird es eine noch größere Gefahr für den Frieden sein. Hiermit möchte ich nicht behaupten, dass Deutschland den Krieg will, und ganz gewiss nicht, dass es einen Atomkrieg will. Ich möchte nur sagen, dass das neue Deutschland seine Ziele ohne Krieg zu erreichen hofft und zwar aufgrund der Drohung, die von einer überwältigenden Streitmacht ausgeht, nachdem diese erst einmal aufgestellt ist.“

Ob Fromms Aussagen richtig sind, ist hier nicht die Frage. Mir geht es hier nur darum, wie sich das Verhältnis der deutschen Linken zur EU und zur Rolle Deutschlands in der EU im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert hat. Nicht Ablehnung, sondern die uneingeschränkte Akzeptanz der EU bestimmt heute die Haltung der deutschen Linken. Die Existenz der EU wird von ihnen nicht in Frage gestellt, die Politik der EU als alternativlos betrachtet.

Buch von Alexander Ulfig, Wege aus der Beliebigkeit. Alternativen zu Nihilismus, Postmoderne und Gender-Mainstreaming, Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2016.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Jürgen kurt wenzel

@Adorjan Kova'cs sie haben mir meinen Text gestohlen !! GUT ! So !!!
Nachdem die LINKE an ihrem Unrat erstickt ist , der Kommunismus an Blut und Tränen zerbrochen ist , das Sowjetimperium zerfallen ist , versuchen sie nach den ,, Leninschen Erkenntnissen, mit den vom Wohlstand verdorbenen blauäugigen und nützlichen Idioten ,mit dem von Walter Hallstein geschmiedeten EU-Europa , neuen Hanf für die Seile der Hälse des Feindes zu knüpfen, um wie der Phönix aus der Asche , an die Macht zu kommen ! Merkel und die West-LINKE schaffen das !!!
Das nimmt wahrhaftig ein schreckliches Ende !
Rauschgift , Laster und Fresslust gesteuert durch Lüge und Dummkeit treiben in den Untergang !!
(Walter Hallstein NS-Jurist (CDU) legte 1943 mit Hitler und Mussolini die Juristische Grundlage für die Brüsseler EU) 1957 erster EU -Kommissar .

Gravatar: merxdunix

Für den Parlamentarismus sind Stimmenverhältnisse eher unbedeutend. Er legitimiert sich durch die Mehrheit der Wähler gegenüber den Nichtwählern. Wichtig ist, dass gewählt wird, nicht was, und deshalb muss er fortwährend zur Teilnahme motivieren, um einer Wahlmüdigkeit zu begegnen, die seinen Fortbestand gefährden könnte. Extremismus und Wählerwanderungen sind hierfür nützlicher als Stabilität, sorgen sie doch zumindest dafür, dass der Wille zum Wählen überhaupt vorhanden ist. Für wen sollte man sonst die Parlamente füllen?
Links und Rechts sind dabei die Sammelbecken für die Stimmen der Gelangweilten und Revoluzer. Dementsprechend muss man für deren Stimmen zum einen ordentlich mit den Ketten rasseln und auch öfter mal die Seiten wechseln, um gehört und gesehen zu werden. Zum anderen müssen Balance und Distanz zwischen Links und Rechts gewahrt werden, so dass in der Mitte echte Sachpolitik möglich bleibt.
Es ist deshalb vielleicht gar nicht so schlecht, wenn sich die Linken in den Parlamenten und die Rechten in Anwaltskanzleien und Gerichten tummeln oder umgekehrt. Hauptsache es bleibt zwischen den Fronten genug Platz zum Leben. Man muss es ihnen ja nicht gemütlich machen.

Gravatar: Adorján Kovács

Die deutsche Hegemonie über Europa wird von den Linken seit dem Zeitpunkt positiv beurteilt, seit Deutschland eine sozialistische Zukunft hat. Dies ist spätestens seit 1998 der Fall, als die rot-grüne Koalition zeigte, dass der Westen mehrheitlich links sein kann. Merkels Umbau der CDU zu einer linksliberalen Partei hat den Trend beschleunigt. Die EU selbst ist gekapert worden und befindet sich mehrheitlich ebenfalls in der Hand von Sozialisten (Barroso, Asselborn, Mogherini, Timmermans). Ob vdL hier eine Wende bringen kann, ist zu bezweifeln. Wir gehen schlimmen Zeiten entgegen.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Konrad Adenauer war der Feind der Linken. Er galt nicht nur als ein erzkonservativer und reaktionärer, sondern auch als ein „revanchistischer“ Politiker, d.h. als ein Politiker, der die von den Siegesmächten des Zweiten Weltkrieges festgelegten Grenzen Deutschlands ändern wollte.“ ...

Änderte sich das etwa deshalb so radikal, weil unsere Volksvertreter(?) der Altparteien unter göttlichem(?) Diktat diejenigen verachten, welche sie wählten?

Und wie reagiert unsere(?) Heilig-Allmächtige(?) auf eine daraus entstandene Reaktion der immer größer werdenden Mehrheit ihrer Schäfchen?
https://de.reuters.com/article/deutschland-wahl-merkel-idDEKBN1XF1S9

Ist sie etwa auch deshalb noch immer die beliebteste Politikerin Deutschlands???
https://www.watson.de/deutschland/politik/952488812-angela-merkel-bundeskanzlerin-bleibt-beliebteste-politikerin-deutschlands

Gravatar: Unmensch

Die EU ist nach Links gewandert.

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