Zwei Europa-Reden: Joachim Gauck und David Cameron

Britenpremier David Cameron hat vor einigen Wochen eine wegweisende Rede zu Europa gehalten und ein Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft angekündigt. Damit trat er den Euro-Zentralisten auf die Füße und stärkte die Realisten. Joachim Gauck sprach vom Gegenteil. FreieWelt.net erklärt, was das alles für die Zivilgesellschaft in Deutschland bedeutet. Eine Analyse.

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Der britische Premierminister David Cameron hat vor einigen Wochen in einer wegweisenden Rede seine Vorstellung Europas bekannt gegeben, in der er ein Referendum über dern Verbleib Großbritanniens in der EU ankündigte. Mit der gegenteiligen Rede des Bundespräsidenten Joachim Gauck und den verstärkten Aktivitäten für Direkte Demokratie (FreieWelt.net berichtete) in Deutschland steigt die Bedeutung diese Rede. Lesen Sie in unserer Analyse, wie die beiden Europa-Reden zueinander stehen und was sie für Deutschland bedeuten.

Der Prolog

Schon zu Beginn ein Gegensatz zwischen dem britischen Premierminister und dem Bundespräsidenten. David Camerons Europa-Rede war mit Spannung erwartet worden. Immer wieder verschob er den Termin der Rede, über deren Inhalt und Ausrichtung überall spekuliert wurde. Zwischen einem bekräftigenden “weiter so” und einem reinen Konfrontationskurs lagen die Erwartungen.

Anders dagegen bei Joachim Gauck. Im Vorfeld seiner Rede dämpfte der Bundespräsident die Erwartungen. Ganz bewusst, betonte man im Schloß Bellevue gegenüber Journalisten, sei die Rede keine “Berliner Rede” mehr. Die kurze Tradition der “Berliner Reden” hatte Alt-Bundespräsident Roman Herzog eingeführt und mit einer aufrüttelnden Ansprache, die als “Ruck-Rede” bekannt wurde, begonnen.

Nicht nur wurde von der Bedeutung der Rede wenig erwartet. Auch über den Inhalt stellten die Medien wenig Spekulationen an.  So sollte es dann auch kommen

Camerons Rede

Bei der Rede stellte sich für deutsche Politik und Medien teils Entsetzen, teils Erleichterung ein. Er stellte die Union als solche nicht in Frage. Das führte zu einem Aufatmen. Würde Großbritannien der EU den Rücken kehren, wäre Deutschland als wirtschaftlich stabiler Großeinzahler allein auf weiter Flur in der EU. Er formulierte seine Erwartungen aber konkret und selbstbewußt aus. Statt der üblichen Idee von immer mehr Entwicklung zu einem immer stärker integrierten Gebilde unter Brüsseler Führung, “mehr Europa”, formulierte Cameron seine eigene Idee.

Wesentlich für Camerons Rede ist die Idee der Vielfalt statt Einfalt. Er beschränkt sich bei der zentralen EU auf ein eng umrissenes und klar definiertes Aufgabengebiet. Als Überbau soll die EU in Camerons Vorstellung die wesentlichen Grundfreiheiten zwischen den Mitgliedsstaaten sichern; und sich darauf beschränken.

Jede weitergehende Integration zwischen den Staaten soll in Camerons Plan eine freiwillige Angelegenheit sein, an der sich interessierte Staaten beteiligen können, oder eben nicht. Damit wäre sicher gestellt, dass die Harmonisierungen immer nur die Länder betreffen, die ein unmittelbares Interesse daran haben und die Zustimmung anderer Länder nicht mit Transfers und faulen Kompromissen erkauft werden muss.

Damit steht Camerons wesentliche Europa-Idee unter dem Leitstern der Vielfalt. Unter dem Dach der weniger einschränkenden EU sind viele verschiedene Kooperationen denkbar, die neben-, über-und untereinander existieren. Im Gegensatz zur “Mehr Europa”-Doktrin des deutschen Mainstreams vertritt Cameron gewissermaßen die Idee von “Mehr Europas”.

Gaucks Rede

Bei der Rede des Bundespräsidenten stellte sich heraus, dass die Erwartungen zu Recht gedämpft worden waren. Abgesehen von der Idee, das Englische als gemeinsame Amtssprache für die EU einzuführten und einem europaweiten Fernsehsender nach dem Vorbild von Arte hatte Gauck keine erinnernswerten Impulse zu bieten.

Die Rede Joachim Gaucks bestand im Kern aus dem Bekenntnis zur bisherigen und scheiternden Immer-Weiter-Integration nach Brüssel. Gauck versäumte es, die Probleme der EU offen anzusprechen. Zwar erwähnte er die grassierende Unzufriedenheit vieler Bürger, verortete das Problem aber ausschließlich in der Vermittlung der Politik ‒ nicht in der Politik selbst. Statt einer vielfältigen Union als Staatenbund sprach Gauck sich also für “mehr Europa”, mehr Zentralismus und mehr Brüssel aus.

Die Reaktionen

Die Reaktionen auf die Gauck-Rede waren gering. Nicht zuletzt, weil der Inhalt erwartbar und wohlbekannt war. Cameron dagegen schlug aus Kreisen der deutschen Politik eine Welle der Empörung entgegen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle warf Cameron gar “Rosinenpickerei” vor.

Weitaus versöhnlicher nahm der bayerische Abgeordnete Peter Gauweiler Camerons Impulse auf. Im Interview mit FreieWelt.net sagte er: “ Wir Bayern [...] freuen uns aber sehr darüber, dass sich immer mehr Mitglieder der EU darauf besinnen, was das Europäische an Europa eigentlich ausmacht, nämlich die Individualität ihrer einzelnen Mitgliedsstaaten und Regionen als Wert.”

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: euroblogger

"Abgesehen von der Idee, das Englische als gemeinsame Amtssprache für die EU einzuführten"

Englisch als Amtssprache gibt es in der EU ja bereits. Wovon Gauck redet, darüber wird bereits seit zwei Jahrzehnten in den Zirkeln elitärer EU-Fanatiker diskutiert, nämlich die Schaffung von Englisch als Verkehrssprache in Europa.

Damit gemeint ist, dass bereits vom Kindergarten und frühester Schule bereits Englisch gelernt wird, Englisch durch Staat, Medien etc. weitreichend befördert wird, mit dem letztlichen Ziel das Englische im Öffentlichen Raum zu etablieren, angefangen beim Arbeitsplatz (angeführt wird u.a. der vollständige Binnenmarkt, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa, totale Arbeitsmigration, Diskriminierung durch die Sprache etc.).

Die europäischen Sprachen werden in Brüssel als ein wesentliches Einigungs-Hindernis aufgefasst. Was Gauck äußert ist also keinesfalls neu, sondern lediglich die logische Fortführung der EU-Ideologie.

http://europablog.net

Gravatar: Rudolf Stein

@Eberfisch
"Sehr, sehr wichtig finde ich die Rede des Herrn Cameron - ich bin ihm dankbar dafür. Will er doch dieses Monster "Brüsseler Europa" zurück stutzen auf den ursprünglichen Gedanken De Gaulles: ein Europa der Vaterländer. Mehr braucht es nicht, mehr passt zu der multikulturellen Geschichte Europas nicht und mehr will vermutlich die Mehrzahl der Bürger nicht. Kein Wunder, dass er nicht gefragt wird."

Dass der Bürger - zumal der deutsche - nicht gefragt wird, hat Methode. Denn würde er gefragt, nachdem man ihm die Wahrheit über die EU gesagt hätte, könnte Frau Merkel Frau Honecker in Chile Gesellschaft leisten (übrigens eine durchaus amüsante Vorstellung). So aber wird man den Teufel tun und uns fragen. Eher lässt man die Engländer ziehen. Das hätte zumindest zwei Vorteile: man wäre einen gewichtigen Kritiker los und hätte neben Bunga-Bunga- Italien und Ungarn ein weiteres Feindbild für das Propagandaministerium, an dem man sich dort abarbeiten könnte. Da das U.K. in absehbarer Zeit seinen arabischen Frühling evolutionär zu Ende gebracht haben wird, wird sich spätestens dann der Verlust des Beitragszahlers U.K. in Grenzen halten. Wo nichts mehr industriell verdient wird, kann auch nichts mehr gespendet werden.

Gravatar: Horatio Nelson

@ Elmar Oberdörffer:
"Ich will Cameron als Bundespräsident! Der Engländer vertritt meine und Deutschlands Interessen, während der Deutsche Gauck sie verrät." Ausgezeichnet Herr Oberdörffler und zugleich vielen herzlichen Dank! Nach dem Durchlesen dieses Artikels habe ich den Eindruck gewonnen, der Verfasser sei sogar sehr freundlich und höflich gegenüber Gauck gewesen. M.E. kann der Artikel nur wie folgt aufgefaßt werden: Während Cameron von Frischem, von Befreiung von verblendeter Gewaltherrschaft sprach, troff der übliche bundesrepublikanische kriechende Schleim aus den Ausführungen des Herrn Gauck. Für den Außenstehenden wird unablässig klarer, daß die BRD mitnichten gleich Deutschland ist. Das Traurige für die noch immer unter Bonner/Berliner/"Brüsseler" Zwang lebende scharfsichtige, friedliebende, gastfreundliche und äußerst intelligente deutsche Bevölkerung ist, daß Cameron mit seinen Ausführungen, wesentlich mehr den Ansichten der Mehrheit der deutschen Bürger entsprach als dies der übliche nichtssagende mutlose ewiggestrige Mist des Herrn Gauck tat. Manchmal könnte man meinen, daß in Bonner/Berliner Regierungskreisen andere erheblich vernünftigere Ansichten als jene ausposaunten herrschen müssten, da "daoben" angeblich Erwachsene herumlaufen. Dem aber ist anscheinenend DOCH nicht so. Der in Berlin noch immer grassierende naive ewiggestrige Glauben an "Brüsseler Werte", europäische "Bruderliebe" (!), eine "Brüsseler Utopie" sollte bei uns Bürgern in Wirklichkeit höchsten Alarm auslösen. Denn, ändert sich nichts in dieser kindischen Berlin, wird sich das peinliche mutlose sich duckende würdelose Trauerspiel bis zum logischen Finale fort- und fortsetzen.
Herr Oberdörffer, nochmals Dankeschön.
Grüße,
Horatio Nelson.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

@ Klaus Kolbe: Was Sie zu meinem Kommentar sagen, ist richtig und war mir nicht unbekannt. Mein Kommentar war ja auch nicht ganz ernst gemeint. Aber in der speziellen Frage, ob Europa mehr Zentralisierung oder mehr Dezentralisierung braucht, da vertritt er mit den Interessen Englands auch die Interessen aller Europäer, also auch meine und die der Deutschen, gegen die Interessen der Politkaste.

Gravatar: Andreas

Mit seiner Unterschrift für den ESM hat sich für mich Herr Gauck disqualifiziert. Er ist ein Diener der Globalisten, Zentralisten und Kollektivisten. Seine jetzige Rede ist daher einfach nur konsequent.

Gravatar: Klaus Kolbe

@ Elmar Oberdörffer, 25.02.2013 17:10

Ein führender englischer Politiker hat noch nie und wird auch niemals die Interessen gerade Deutschlands, gegen dessen Wirtschaftskraft im letzten Jahrhundert die Engländer zwei Kriege führten, dabei ihr Empire verloren, vertreten – unabhängig davon, daß der derzeitige BP, der nicht vom Volk gewählt wurde, die Interessen des deutschen Volkes verrät.

Wer da glaubt, daß England, das Land, das immer noch den größten Finanzplatz der Welt, nämlich die City of London, die ein Staat im Staat ist, beherbergt, sich jemals freiwillig anderen (in diesem Fall Brüsseler) Interessen unterordnet, der irrt ganz gewaltig.

Cameron handelt eigennützig (wie alle anderen Europäer auch, außer Deutschland, das endlich mal wieder den aufrechten Gang lernen muß) – die Interessen, die ihn leiten, decken sich zufällig mit denen der Bürger (nicht der politischen Kaste) Europas, das ist aber auch alles.

Gravatar: Eberfisch

Nein, ich habe mir die Rede des Herrn Gauck nicht angehört - ich schätze sie als ziemlich unbedeutend ein: das selbe Gerede von mehr Europa, das wir angeblich brauchen, wie wir es tagtäglich aus Berlin und anderswo hören.

Sehr, sehr wichtig finde ich die Rede des Herrn Cameron - ich bin ihm dankbar dafür. Will er doch dieses Monster "Brüsseler Europa" zurück stutzen auf den ursprünglichen Gedanken De Gaulles: ein Europa der Vaterländer. Mehr braucht es nicht, mehr passt zu der multikulturellen Geschichte Europas nicht und mehr will vermutlich die Mehrzahl der Bürger nicht. Kein Wunder, dass er nicht gefragt wird.

Aus mir unbekannten Gründen verfolgt die Politkaste in Brüssel, Berlin, Paris etc. Ziele, die sie vor dem Bürger verheimlicht. Und insbesondere verschweigt sie uns, weshalb sie diese Ziele verfolgt - ihre Beweggründe also.

Gravatar: Klimax

Das ist mir zu brav, was hier über Gaucks Rede gesagt wird. Der Bundespräsident entpuppt sich immer mehr als ein Feind der Freiheit, der er früher stets das Wort redete. Entweder fehlt ihm die intellektuelle Potenz, um zu sehen, was ein immer weiter zentralisiertes Europa im Kern bedeutet, oder aber es ist ihm klar, doch findet er das ganz wuderbar. Da hätte er gleich die DDR erhalten und sich dort engagieren können. Gauck ist eine riesengroße Enttäuschung.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Ich will Cameron als Bundespräsident! Der Engländer vertritt meine und Deutschlands Interessen, während der Deutsche Gauck sie verrät.

Gravatar: pager7

Seit 4 Wochen befasse ich mich mit Politik.

Man kommt leider nicht mehr drum herum. :)

Ich schätze alle, die noch wissen, Recht von Unrecht zu unterscheiden. -
Nur leider gibt es da noch ein Problem.
Ich (bzw. das Volk) wissen nichts von Euch.

Kommunikation ist alles!
Darum schreibt allgemeinverständlich!
Schmückt Euch nicht mit Fremdworten!

Und dann verbreitet Euer Wissen!
Ihr verliert doch nichts, im Gegenteil.

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