Russland, Ukraine und die Krim

Wie wichtig ist uns der Frieden?

Die Ukraine-Krise hat das Potential zum internationalen Flächenbrand. Eine diplomatische Lösung hat nur dann Erfolg, wenn beide Seiten einen Kompromiss aushandeln, der auch die objektiven Sicherheitsinteressen Russlands berücksichtigt.

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Die diplomatischen Drähte laufen heiß. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister David Cameron haben am Sonntag erneut mit Wladimir Putin telefoniert. Dieser bekräftigte seinen Standpunkt in der Krimfrage. Er sehe in seinen Aktionen keinen Bruch des internationalen Rechts und halte die Unterstützung der Russen auf der Krim für legitim.

Auch die Gegenseite hat sich klar positioniert. Arsenij Jazenjuk, seit knapp einem Monat ukrainischer Ministerpräsident, unterstrich die Haltung seiner Regierung. Man wolle auf jeden Fall die Souveränität der Ukraine und die Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenzen schützen. Eine Ablösung der Krim komme nicht in Frage.

Der Generalsekretär der NATO, Anders Fogh Rasmussen, äußerte sich in einem Interview mit der BILD-Zeitung, dass das westliche Militärbündnis auf Seiten der Ukraine stehe. Unterdessen haben die USA weitere Kampfflugzeuge nach Polen entsandt, angeblich zu Manöverzwecken. Kriegschiffe der NATO sind auf dem Weg ins Schwarze Meer. Deeskalation sieht anders aus.

Diplomatie, Propaganda und Geheimdienstaktivitäten laufen auf Hochtouren

Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um davon auszugehen, dass derzeit die russischen, amerikanischen und europäischen Geheimdienste, Computerhacker und Sicherheitsexperten unter Hochdruck arbeiten, um die komplette Kommunikation in der Ukraine zu überwachen. Ukrainische Behörden melden bereits umfangreiche Cyber-Angriffe. Auch Schmiergelder werden reichlich fließen, um die Personen an den innerukrainischen Schalthebeln der Macht auf die eine oder andere Seite zu ziehen.

Derweil bauen die US-amerikanischen Medien weiterhin am neuen Feindbild. Wladimir Putin wird klar als Aggressor und Verursacher der Krise dargestellt. Ihm dürfe man auf keinem Fall nachgeben. Präsident Obama steht unter dem Druck der Hardliner, die ihm Führungsschwäche und zögerliches Handeln vorwerfen. John Kerry und das US-Außenministerium verschärfen den diplomatischen Ton gegenüber Moskau.

In den Propagandalärm mischt sich ein Wettbewerb um Geldversprechen. Die EU stellt der Ukraine Milliardenhilfen in Aussicht. Russland lockt die Bewohner der Krim mit großzügigen Investitionsversprechen. Es wird auf beiden Seiten hoch gepokert. Und es ist davon auszugehen, dass am Ende die geweckten Hoffnungen der ukrainischen Bevölkerung enttäuscht werden.

Selbst wenn die Ukraine in nicht allzu ferner Zeit Teil der Europäischen Union werden sollte, hieße dies noch lange nicht, dass sich der Lebensstandard über Nacht den westeuropäischen Verhältnissen anpassen würde. Wenn dem so wäre, müssten Rumänien und Bulgarien längst „blühende Landschaften“ sein.

In Litauen, Lettland, Estland und Polen wächst inzwischen die Furcht vor Russland. Dort ist man froh, der NATO beigetreten zu sein. Unter dem euro-amerikanischen Bündnisschirm fühle man sich sicher. Damit ist alte Spaltung der europäischen Machtblöcke in Ost und West zurückgekehrt.

Referendum auf der Krim am nächsten Sonntag

Am kommenden Wochenende sollen die Bewohner der Krim abstimmen. Wollen sie Teil der Ukraine bleiben oder sich Russland anschließen? Falls die Bewohner der Krim sich für die Ukraine entscheiden sollten, hätte Putin schlechte Karten. Dann wäre der russischen Krimpolitik der argumentative Boden entzogen.

Falls sich die Krimbewohner jedoch mehrheitlich für einen Anschluss an Russland aussprechen sollten, könnte dies den Konflikt verschärfen. Denn sowohl Kiew als auch Washington würden eine russische Annexion der Krim nicht zulassen.

Aufrüstung zum Bürgerkrieg?

Neben den Truppen ohne Hoheitsabzeichen, die zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit russische Spezialeinheiten und Marineinfanteristen der Schwarzmeerflotte sind, sich aber als Bürgerwehren inszenieren, gibt es die tatsächlichen Bürgerwehren der Krimbewohner. Sie stehen mit Kosakenmützen Wache oder patrouillieren martialisch im Tarnanzug. Pro-russische Demonstranten schwenken eifrig weiß-blau-rote Fahnen.

Derweil sind auf der Krim serbische Freischärler eingetroffen, um dort im Konfliktfall auf Seiten der Russen zu kämpfen. Serbien und Russland sind traditionelle Verbündete. Doch diese Freiwilligeneinheiten sind eindeutig nicht auf Wunsch der Belgrader Regierung vor Ort. Es handelt sich um Abenteurer, wie sie auch in Syrien, Libyen und Afghanistan anzutreffen sind.

Die Bürgerkriegsländer dieser Erde sind Rückschläge geheimdienstlicher Destabilisierungspolitik

Es ist ein alter Trick, bei dem sich die Mainstream-Medien immer wieder vor den Karren spannen lassen. Wenn ein souveräner Staat sich nicht den wirtschaftlichen oder geopolitischen Interessen einer Großmacht beugt, sondern einen eigenständigen Weg einschlägt, dann wird mit massiven finanziellen und geheimdienstlichen Methoden eine Opposition aufgebaut, die per geschickter Lancierung echter und falscher Fakten und inszenierter Geschehnisse als Freiheitsbewegung propagiert wird. Sobald dieser PR-Coup geglückt ist, wird die Hetzkampagne zum Regimewechsel gestartet. Die jeweilige Großmacht kann dann als Schirmherr der Freiheit und Menschenrechte auf den Plan treten. Am Ende ist die neue Regierung genauso korrupt wie zuvor.

Wenn der Plan schief läuft, hat man das Land soweit destabilisiert und die politischen Fraktionen gegeneinander aufgehetzt, dass ein Bürgerkrieg droht. So wurden diverse Staaten in Lateinamerika oder im Nahen und Mittleren Osten ins Chaos gestürzt.

Im Fall der Ukraine ist es besonders tragisch. Diesem Land droht ein Stellvertreterkonflikt wie zur Zeit des Kalten Krieges. Die Westmächte haben jahrelang europa- und NATO-freundliche Kräfte im Land mit allen Mitteln unterstützt. Dabei hat man auch nicht davor zurückgeschreckt, radikalen Nationalisten in die Hände zu spielen. Moskau dagegen wiegelt die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine gegen Kiew auf.

Weil beide Machtblöcke, Ost und West, gewissenlos ihre Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen versuchen, wird ein Land künstlich gespalten. Im schlimmsten Falle wird die Ukraine ein europäisches Syrien. Schrecklicher wären nur noch die direkte militärische Konfrontation der NATO mit Russland und eine Eskalation à la 1914.

Wie wichtig ist uns der Frieden?

Wo liegen die Prioritäten? Ist es die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen? Die Selbstbestimmung der Krimbewohner? Die Ausweitung der NATO und EU?

Der gesunde Menschenverstand würde zu allererst den Frieden als vorrangiges Ziel anvisieren. Ob ein schneller Beitritt der Ukraine in die NATO und EU die Lebensqualität der Ukrainer wirklich verbessern würde, steht in den Sternen. Aber ein Krieg brächte mit Sicherheit großes Leid.

Um eine diplomatische Lösung herbeizuführen, muss der Westen eine Strategie entwickeln, bei der auch die Interessen Russlands respektiert werden und Wladimir Putin nicht das Gesicht verliert.

Wenn die USA sich bereits durch politische Entwicklungen auf der anderen Seite des Globus bedroht fühlen, muss man dann nicht auch anerkennen können, dass Russland einer Ausweitung der NATO auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion mit Sorge gegenübersteht? Ohne die objektive Anerkennung russischer Sicherheitsinteressen ist ein neuer Kalter Krieg vorprogrammiert.

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