Kein Elfenbeinturmtheologe
„Ratzinger ist wie jeder, der die Wahrheit spricht, verhöhnt und abgelehnt worden“, weiß Twomey zu berichten. Er wurde nicht zitiert und es gab keine Seminare zu seiner Theologie. Dabei war Benedikts Theologie, so wie Twomey sie erlebte, nie eine Theologie aus dem Elfenbeinturm. Immer unterzog er den Zeitgeist und die gesellschaftliche Entwicklung kritischen Analysen und nie verlor er die Beziehung zur Wirklichkeit. Twomey erinnert daran, dass Ratzinger bereits früh Stellung zur Bioethik nahm und ihm von Anfang an die marxistischen Elemente innerhalb der Befreiungstheologie missfielen. Genau wie der heutige Papst Benedikt hatte auch der damalige Bischof Joseph Ratzinger kein Problem damit, gegen den Strom zu schwimmen. Dabei versuchte er nicht, einfach Vorschriften zu machen. Ratzinger hat seine Schriften stets begründet und an das Gewissen seiner Zuhörer und Leser appelliert.
Umstrittene Äußerungen
Ähnlich wie Pater Vincent Twomey sahen offenbar auch die Mitglieder der Französischen Akademie Ratzingers Werk, als sie den heutigen Papst im Jahr 1992 zu einem „Membre Associé Etranger“ ernannten. Joseph Ratzinger nahm damit den vakant gewordenen Platz des Physikers und Nobelpreisträgers Andrei Dmitrijewitsch Sacharow ein, der sich zu Lebzeiten für Menschenrechte in der Sowjetunion eingesetzt hatte.
Auch umstrittene Handlungen des Papstes spart Twomey in seiner Rede nicht aus. In Bezug auf die Regensburger Rede, bei der der Papst die mohammedkritischen Äußerungen eines mittelalterlichen Gelehrten zitiert hatte, liest Twomey einen Satz aus einem Brief vor, den ein Bischof aus einem arabischen Land an Benedikt XVI. geschrieben hat: „Vor der Regensburger Rede durfte niemand über das Thema „Gewalt und Islam“ sprechen. Jetzt dürfen wir“. Auch bei der Empfehlung im Kampf gegen Aids in erster Linie auf Enthaltsamkeit und Treue und nicht auf Kondome zu setzen, habe der Papst Recht gehabt, betont Twomey und erinnert daran, dass auch der bekannte Aids-Forscher Edward C. Green (Havard Universität) Ratzingers Sicht unterstützt.
Suche nach der Wahrheit
Für Twomey haben gerade diese Äußerungen große Bedeutung. Denn sie zeigen, dass sich Benedikt XVI. der Wahrheit und dem Gewissen, nicht politischem oder medialem Druck, verpflichtet fühlt. Jeder Mensch müsse sein eigenes Gewissen bilden. Niemand dürfe sich hinter Mehrheitsentscheidungen verstecken. Die Wahrheit ist kompromisslos.
Eine der großen Bedrohungen des Gewissens sieht Benedikt XVI. im Relativismus, führt Twomey weiter aus. Die falsche Annahme, es gäbe keine objektive Moral, keine objektive Wahrheit könne sich vor allem in der Politik negativ auswirken. Wenn man nach dem Gewissen handelt, wird auch eine freie Gesellschaft möglich sein. Ohne Gewissen wird sie nicht möglich sein. Es ist das Gewissen, das letzten Endes die Menschlichkeit der Politik ausmacht.
Natürlich ist der Begriff des Gewissens auch im Papstamt tief verankert. Das Papsttum basiert auf dem Gewissen, der Mensch, der es ausübt, muss bekennen und nach seinem Gewissen handeln, um die Herzen der Menschen anzusprechen. Dabei ist Gewissen nicht einfach auf das Gewissensurteil zu reduzieren. Die ontologische Ebene darf nicht ausgeklammert werden.
Das Gewissen ist von unserem Wesen her in uns angelegt. Twomey vergleicht es mit der Sprache. „Wir haben die Fähigkeit zu sprechen, aber wenn wir nicht in einer Gesellschaft aufwachsen, in der gesprochen wird, können wir nicht sprechen“. Auch unser Gewissen muss erweckt werden. Durch die ständige Suche nach der Wahrheit muss das Urgewissen zu sich kommen, erläutert Twomey. Jeder, der nach der Wahrheit sucht, hat etwas zu sagen, auch wenn er Fehler macht. Das sei der Grund, warum Papst Benedikt XVI. jedem Menschen genau zuhöre.
zur Homepage von Pater Vincent Twomey
zum Bildungszentrum "Feldmark"
(Foto: Vincent Twomey/Quelle: Feldmark)
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