Auslandssender

USA und EU fürchten Erfolg von „Russia Today“

Wer täglich mit immergleicher Konsenspropaganda berieselt wird, sehnt sich nach Kontrastprogramm. In Europa und den USA werden „Russia Today“ und „Al Jazeera“ immer beliebter.

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Im Dritten Reich war es die BBC. In der DDR war es das Westfernsehen. Der „Feindsender“ war das Fenster zur Außenwelt, das Ventil, um sich vom Druck der Propaganda zu befreien, um andere Meinungen zu hören und um seine Neugier zu befriedigen: Was sagen die Anderen?

Heute sind es insbesondere die englischsprachigen Ausgaben von „Russia Today“, „CCTV“ (China) und „Al Jazeera“ (Katar), die den Blick hinter die Mauer des westlichen „Manufacturing Consent“ erlauben. In Deutschland ist die Sehnsucht so groß, dass es sogar eine Online-Petition mit der Aufforderung gibt, „Russia Today“ solle auch auf Deutsch auf Sendung gehen. Angeblich soll es noch Ende 2014 soweit sein. Eine offizielle Verkündung seitens des Senders gibt es jedoch noch nicht.

Während „RT“ („Russia Today“) in Europa noch ausbaufähig ist, feiert es in den USA große Erfolge. Selbst der ehemalige CNN-Talkshow-Star Larry King ist zu „RT-America“ gewechselt. Der wohl umstrittenste Journalist der Welt, Julian Assange, hat auf „RT“ eine wöchentliche Talkshow. Noam Chomsky, einer bekanntesten amerikanischen Intellektuellen überhaupt, der von den US-Medien gemieden wird wie das Weihwasser durch den Teufel, wurde von „RT“ mehrfach interviewt. Während 2011 die populäre Protestbewegung „Occupy Wall Street“ von den US-amerikanischen Mainstream-Medien totgeschwiegen oder in schlechtes Licht gerückt wurde, lieferte „RT-America“ eine umfangreiche Berichterstattung. Für viele junge Amerikaner ist es die Stimme der Opposition.

Propaganda – Gegenpropaganda

Die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton stellte in einem öffentlichen Statement besorgt fest, dass sich die USA in einem Informationskrieg mit ausländischen Sendern wie „RT“, „Al Jazeera“ und „CCTV“ befänden: „We are in an information war. And we are loosing that war.”

Während noch im Golfkrieg von 1990/91 CNN mit seinen „embedded Journalists“ die Welt auf US-Kurs hielt und die Mär vom „sauberen Krieg“ verbreitete, war beim Angriff auf den Irak 2003 „Al Jazeera“ vor Ort. Schon bekam die Welt die dunkle Seite westlicher Kriegsführung zu sehen. Da half es auch nicht, dass das Bagdader Büro von „Al Jazeera“ durch amerikanische Flugzeuge bombardiert wurde – angeblich versehentlich.

Natürlich weiß man, dass „Al Jazeera“ das Sprachrohr Katars ist und niemals gegen den Scheich in Doha wettern oder dessen politische und wirtschaftliche Interessen gefährden würde. „Al Jazeera“ ist wie „Russia Today“ ein hochprofessioneller Propagandasender.

Doch welcher Fernsehsender ist es nicht? Wer seine Informationen via MSNBC, CNN und FOX News bezieht, wird auf die Interessen von „Corporate America“ eingeschworen. Wer ZDF und ARD schaut, bekommt den kleinsten gemeinsamen Nenner der deutschen Politbürokraten vorgesetzt. Alle öffentlichen Sender unterliegen staatlicher Aufsicht, alle privaten Sender spiegeln die Interessen der Investoren wider. Was für TV gilt, gilt auch für die Printmedien.

Der aufgeklärte, bewusste und kritische Bürger weiß deshalb seit langem: Wer sich ein „objektives“ Bild von der Lage machen will, muss unterschiedliche Medien miteinander vergleichen. Zwar weiß man dann immer noch nicht, wer näher an der Wahrheit liegt. Doch wird auf diese Weise wenigstens klar, wer welche Interessen vertritt.

„RT“ alias „Russia Today“ – der erfolgreichste Nachrichtensender des Internets

Der Erfolg von „Russia Today“ mit seiner Washingtoner Dependance „RT-America“ erregt im US-Polit-Establishment Besorgnis. CNN ist kein Nachrichtenleitmedium mehr. Denn insbesondere die jungen Menschen weichen zu ihrer Informationsbeschaffung auf alternative Medien oder das Internet aus. „FOX News“ gilt als Medium für konservative Südstaatler und ältere Leute. Die US-amerikanische Jugend zieht die „Huffington Post“ vor oder guckt im Internet die Videos von „RT-America“.

Im Internet ist der russische Sender mittlerweile eine Informationsgroßmacht. Mit mehr als einer Milliarde (!) Videoabrufen auf „YouTube“ lässt „RT“ die Konkurrenz weit hinter sich. Die Internetnutzer scheinen es zu schätzen, dass auf „RT“ auch jene politischen Ansichten zu Wort kommen, die in den Mainstream-Medien der Konsensmaschine zum Opfer fallen, auch wenn es sich manchmal um extreme oder verschwörungstheoretische Ansichten handelt.

Über TV-Satelliten ist „RT“ global auf dem Vormarsch. Gesendet wird auf Russisch, Englisch, Spanisch und Arabisch. In der arabischen Welt gehört „Rusiya Al-Yaum“ – wie „RT“ dort genannt wird“ neben „Al Jazeera“ und „Al Arabiya“ (Dubai) zu den wichtigsten Nachrichtensendern.

Das Erfolgsgeheimnis von „RT“: junge Frauen – frecher Auftritt

„RT-America“ hat TV-Stars hervorgebracht. Ein Beispiel ist Alyona Minkovski, eine überdurchschnittlich attraktive Politikshow-Moderatorin mit schlagfertiger Zunge. Mit ihrer frechen Art gewann sie Einschaltquoten und Sympathien. Die in Kalifornien aufgewachsene Tochter einer russischen Eiskunstläuferin und eines in den USA agierenden russischen Geschäftsmannes hatte ihre eigene Fernsehsendung: die „Alyona Minkowski-Show“. Sie gehört zu den ersten Journalisten, die im Fernsehen Julian Assange interviewten. 2011 wurde sie im Forbes Magazin zu den 30 einflussreichsten Medienpersönlichkeiten unter 30 Jahren gezählt. Schließlich wurde sie von der „Huffington Post“ abgeworben, wo sie in Los Angeles die Show „HuffPost Live“ moderiert.

Doch Alyona Minkowski ist nicht die einzige erfolgreiche RT-Journalistin. Es scheint ein Geheimrezept zu sein, smarte und attraktive Frauen vor die Kamera zu stellen, die möglichst provokativ die Weltpolitik hinterfragen. Selbst die 1980 in der armenischen SSR geborene RT-Chefredakteurin Margarita Simonyan passt in dieses Bild. Ihre ersten Meriten hatte sie als mutige Tschetschenienkrieg-Berichterstatterin erworben.

Ob man mit der RT-Berichterstattung konform geht oder nicht, ob man sie – wie US-Außenminister John Kerry es formuliert hat – sie als russisches „Propaganda Bullhorn“ ansieht oder nicht: Gegen „Russia Today“ wirken die unprovokativen Politsendungen auf „Euronews“ oder die deutschsprachigen Nachrichten auf „n-tv“ und „N24“ wie das Einschlafprogramm der „Aktuellen Kamera“, dem alten DDR-Nachrichtenformat.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: patrick feldmann

@theofan In Russland stirbt die Freiheit des Journalismus gerade einen gewaltsamen Tod."

Ich gehe mal davon aus, dass die Generation, die Russland für das bessere System hielt und dafür jedem Neglect frönte, der mit tragbarer Kloschüssel noch möglich war, derzeit v.a. damit befasst ist, ihre Pensionen auf irgendwelchen Weltreisen zu verbraten.

Diejenigen, die RT ect. heute schauen, sind vermutl. nicht so bösartig naiv und sehen durchaus, was Sie schildern.
Umso eindrücklicher, dass der Westen in den letzten 20 Jahren wohl dermaßen an Reputation verloren hat, dass die sich Informierenden noch weniger an seine Leitmedien glauben als an die Medien zweifelhafter demokratischer Provenienz!

Gravatar: paschasius

Ich schätze RT als eine Informationsquelle.
Natürlich muss man zwischen den Zeilen lesen aber das muss man auch in Deutschland.
Aber gerade der Jahrestag zum Beginn des 1. Weltkrieges klärt doch über falsche Bündnisse auf.
Als der Vertrag zwischen Russland und Frankreich 1910 unterzeichnet war und die Protagonisten sich mit "Auf Wiedersehen" in Berlin zuprosteten war die Niederlage abzusehen.
Als Göbbels verkündete das Unternehmen Barbarossa hat begonnen, sagte mein Großvater damit ist der Krieg verloren.
Also Russland war nie das Problem.
Das Problem sind sich selbst Überschätzende Politiker, die immer sauber herauskommen, da der Amtseid rechtlich nicht bindend ist. Ein normaler Bürger aber dafür ins Gefängnis kommt!

Gravatar: Theofan

"Im Dritten Reich war es die BBC. In der DDR war es das Westfernsehen. "
Alles klar, und in unserem totalitären Land brauchen wir unbedingt Putins Agitprop-Dampfradio als "Fenster zur Freiheit"???

Ich werde natürlich schon aus Neugier immer mal wieder nachschauen, ob die Petition ihre hunderttausend volksdeutschen Anhänger findet - auch wenn es vorsätzlicher Wortmissbrauch ist. Was soll eine "Petition", gerichtet an Herrn Dimitri Kisseljow, und wozu hunderttausend Unterschriften? Das suggeriert, hier müsse das Europaparlament oder sonstwer breitgeschlagen werden, damit einige demokratiemüde Andersnichtdenkende ihren gequirlten Kremlkram freigeschaltet bekommen. Keine Sorge, der Aufwand ist überflüssig. Selbstverständlich gehört Deutschland zu den Kernzielen der konsolidierten russischen Auslandsinformation und bleibt gewiss nicht mehr lange ein Tal der Ahnungslosen.

Soviel zur Polemik, zum Abschluss noch ein ernstes Wort:
Die Redaktion einer Blogzeitung, die sich "Freie Welt" nennt, muss sich im Klaren sein, dass Freiheit geschützt werden muss. In Russland stirbt die Freiheit des Journalismus gerade einen gewaltsamen Tod. Ein Fernsehkanal mehr ist im vorliegenden Fall kein Gewinn für die Informationsfreiheit, im Gegenteil. Die Verherrlichung der Tatsache, dass der Kreml die im eigenen Land verfolgte Informationsfreiheit hier in Europa für seine Zwecke missbraucht, zeugt nach meiner Meinung von erheblichem Mangel an Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister. Glauben Sie bitte nicht, dass Sie mit einem solchen Maß an Naivität gut genug gerüstet sind, diesen Kanal ohne Schaden konsumieren zu können.

Gravatar: Andreas Schneider

Die Propaganda der konträren Seiten gegenüber zu stellen und daraus das Destillat der Wahrheit zu gewinnen ist wohl das Gebot der Stunde.

Das erfordert natürlich den Einsatz von Hirnschmalz - was Wunder, dass ein alterndes Volk unverbesserlicher Stammwähler in Verbindung mit einer PISA-geschädigte Generation dann bequemerweise eine Raute wählt.

Gravatar: Lemke

Gut, dass es Konkurrenzprodukte zur Gleichschaltungsmaschinerie gibt!

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