Chaos um den brasilianischen Ex-Präsidenten Lula

Trotz Inhaftierung hält brasilianische Arbeiterpartei an Lula als Präsidentschafts-Kandidaten fest

Wegen seiner Verurteilung und Inhaftierung kann Lula eigentlich nicht mehr für das Amt des brasilianischen Präsidenten kandidieren. Doch die Linken wollen ihn trotzdem nominieren.

Foto: Lula da Silva, Screeshot YouTube
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Der ehemalige brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ist mutmaßlich in ein Netz aus Korruption und Affären verwickelt. Dazu gehört ein Skandal um Schmiergelder, die bei Auftragsvergaben an den halbstaatlichen brasilianischen Ölkonzern Petrobras gezahlt wurden.


Nach langem juristischen Hin und Her ist Lula vor wenigen Tagen erneut verhaftet worden. Obwohl er wegen seiner Verurteilung und Inhaftierung eigentlich nicht mehr für das Amt des brasilianischen Präsidenten kandidieren kann, wollen ihn die Linken trotzdem nominieren.


Wie konnte es soweit kommen? Hier ein Rückblick:


Rückblick: Die Lage vor dem Haftbefehl


In Brasilien läuft vieles anders als in Deutschland. Ein Haftbefehl bedeutet dort nicht, dass man gleich verhaftet wird. In Brasilien gibt es in der Praxis vier Zuständigkeitsbereiche und eine Vielzahl von Einspruchsmöglichkeiten, welche die Anwendung des Urteils erheblich verzögern. Wenn beispielsweise der Angeklagte sehr wohlhabend oder einflussreich ist, kann er die Verurteilung auf Jahrzehnte verschieben. Ein Beispiel dafür ist die Klage gegen den früheren Gouverneur von São Paulo, Paulo Maluf. Sie dauerte bis zu ihrem Abschluss mehr als 20 Jahre. Durch solche Verzögerungen werden viele Verbrecher nicht bestraft: Denn wenn man den Abschluss des Prozesses verschiebt, werden am Ende viele Verbrechen verjährt sein.


Um dies zu vermeiden, hat das brasilianische Bundesgericht im Jahr 2016 als Regel festgelegt, dass der Richter nach der Verurteilung in der zweiten Instanz einen Haftbefehl erlassen kann. Mit dieser Rechtsprechung war es möglich geworden, mehrere Politiker und korrupte Geschäftsleute doch noch zu inhaftieren, wie zum Beispiel den Eigentümer der Baufirma Odebrecht, den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Eduardo Cunha, oder den ehemaligen Gouverneur von Rio de Janeiro, Sérgio Cabral.


In diesem Kontext ist der Fall des ehemaligen Präsidenten Lula zu sehen, als dieser endlich für Geldwäsche und Korruption in der zweiten Instanz verurteilt wurde. Lula hatte mittels seiner Anwälte wiederholt versucht, die Verfahren gegen ihn zu verzögern. Er war sogar vor das Bundesgericht gezogen, um ein »Habeas Corpus« zu beantragen. Doch das wurde ihm verweigert. Im Anschluss hatte der Richter Sergio Moro, der den Fall gegen Lula geführt hatte, einen Haftbefehl gegen selbigen erlassen. Die Frist für die Übergabe wurde bis Freitag den 6. April 17 Uhr festgelegt.


Doch Lula lehnte die vom Richter angegebene Frist ab. Lula hatte daraufhin eine Strategie der Konfrontation mit der brasilianischen Justiz angenommen. Er suchte Zuflucht in der Gewerkschaft der Metallarbeiter in der Stadt São Bernardo do Campo (einer Satellitenstadt São Paulo) und forderte seine radikaleren militanten Anhänger, den Ort gegen die Polizei zu verteidigen.


Aber die Show von Lula beeindruckte die Leute nicht. Am Ende bekam er nur zweitausend radikalisierte Anhänger zusammen. Zum Vergleich: Unweit des Zuflucht-Ortes von Lula hatten sich mehr als 30.000 Brasilianer versammelt, um das Training eines Fußballklubs zu sehen.


Am Samstag hatte sich Lula schließlich ergeben. Er wurde festgenommen und eingesperrt.


Lula kann eigentlich nicht mehr als Präsident kandidieren


Wegen seiner Verurteilung und Inhaftierung kann Lula eigentlich nicht mehr für das Amt des brasilianischen Präsidenten kandidieren.


Doch das scheint die brasilianische Linke nicht wahrhaben wollen. Sie wird regelrecht hysterisch. Ihre Anhänger zeigen Tendenzen, als ob sie auf ein apokalyptisches Szenario für das Land hoffen. Dies war tatsächlich auch der Ton von Lulas Rede, die er gehalten hatte, kurz bevor er sich der Polizei stellte. Und das war auch die Atmosphäre linker Militanter, als sie versuchten, in das Gefängnis einzudringen, in dem Lula in der Stadt Curitiba festgehalten wurde. Eine Art brasilianische »prise de la bastille«, die nicht funktioniert hat.


Wie wird es nun weitergehen?


Die Rechtsanwälte von Lula beabsichtigen, durch einen Minister des Bundesgerichts zu beantragen, dass das Gericht den Urteilsspruch überprüft, der die Verhaftung nach dem Urteil in der zweiten Instanz genehmigt hat. Ein solcher Prozess wird am Mittwoch, den 11. April stattfinden. Verändert das Bundesgericht diese Rechtsprechung, könnten Lula und einige andere korrupte Politiker und Geschäftsleute, die im Gefängnis einsitzen, wieder entlassen werden. Dies würde das Ende der Operation zur Bekämpfung der Korruption bedeuten, um die sich die Bundespolizei bemüht hatte.

Verliert Lula noch einmal vor Gericht, ist es wahrscheinlich, dass die Linken entsprechend Lulas Bitte in seiner Rede vor der Übergabe an die Polizei, immer radikaleren Handlungen nachgehen, womöglich sogar die Regierungsgebäude angreifen, Autobahnen blockieren und so weiter.


Wenn das Bundesgericht dagegen den Urteilsspruch ändern sollte, wäre mit einer massiven Mobilisierung der öffentlichen Meinung zu rechnen. Ähnliches geschah anlässlich der Amtsenthebung der ehemaligen Präsidentin Dilma Roussef.


Am 2. Oktober findet die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Brasilien statt. Lula dürfte sich eigentlich nicht bewerben können, weil das Gesetz die Kandidatur von in zweiter Instanz Verurteilten verbietet. Die Linke hat keine neue charismatische Figur. Daher könnte die Wahl für die Linke schlecht ausfallen. Doch für eine Prognose ist es noch zu früh.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Sebastian R.

Bei den Zuständen kann man nur hoffen, dass bei uns keine brasilianischen Verhältnisse aufkommen. Aber dessen bin ich mir nicht so sicher...

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