Um einen grausamen Krieg einzufrieren

Syrien: Russisch-amerikanische Annäherung?

In der Syrienkrise deutet sich eine russisch-amerikanische Annäherung an. US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergei Lawrow haben telefoniert und mögliche Absprachen erörtert.

Foto: U.S. Department of State / Wikimedia Commons / Public domain
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Die Lage in Syrien ist ernst. Doch die Amerikaner sind nicht nur wegen Assad und dem Problem der radikal-islamistischen Terrortruppen besorgt. Auch die russischen Aktivitäten, nämlich Waffen, Fahrzeuge und Personal nach Syrien zu bringen, werden genauestens beobachtet.

Um eine Eskalation der Situation zu vermeiden und Missverständnisse auszuräumen, haben nun der amerikanische Außenminister John Kerry und der russische Außenminister Sergei Lawrow die Kommunikation gesucht und miteinander telefoniert. Dies berichtete unter anderem die New York Times.

Die Vereinigten Staaten von Amerika hätten gerne Russland aus der Syrienkrise herausgehalten. Doch die alten Bande zwischen dem Assad-Regime in Damaskus und dem Kreml in Moskau bestehen noch immer. Umsonst war das Bemühen, Russland vom Luftweg über Bulgarien und Griechenland anzuschneiden. Die russischen Transportflugzeuge sind stattdessen über das Kaspische Meer, den Iran und dann den Irak geflogen. Die Bitte der Amerikaner an die irakische Führung, den Russen den Überflug zu verwehren, wurde nicht erhört.

Russland zeigt, dass es immer noch in der Lage ist, wie eine militärische Großmacht zu agieren. Ruckzuck wurden Panzer, Truppentransportfahrzeuge, Artillerie und rund 1500 russische Spezialkräfte nach Syrien gebracht. Die Einheiten landeten bei Latakia am Mittelmeer. An der syrischen Mittelmeerküste befindet sich nach wie vor der russische Stützpunkt und Hafen von Tartus. Dort legten immer wieder russische U-Boote an.

Während des arabischen Frühlings hatte Moskau eine militärische Intervention des Westens in Syrien verhindert, weil man libysche Verhältnisse vermeiden wollte. Doch ob der Westen eingegriffen hätte oder nicht – und das hat sich auch im Irak und in Libyen gezeigt: Die Situation in Syrien wäre vermutlich so oder so eskaliert. Geradezu brüskiert war der Westen, als Wladimir Putin den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad davon überzeugen konnte, die Chemiewaffen abzugeben, um so einem Angriffsgrund für den Westen (wie beim Irak-Krieg) auszuräumen.

Stattdessen entschied sich der Westen, die Oppositionstruppen gegen Assad zu unterstützen und hat dabei die Kontrolle verloren. Doch es ist müßig, die Was-wäre-wenn-Argumentation anzuwenden. Wichtig für die Menschen in Syrien und die Millionen Syrer auf der Flucht ist, den Frieden in Syrien wiederherzustellen und den Terror des selbsternannten „Islamischen Staates“ (IS) zu beenden – das gilt allerdings auch für den Terror der Regierungstruppen des Assad.

Wichtigster Punkt: Eskalation zwischen den USA und Russland verhindern

Wichtiger als die Lage in Syrien selbst ist die Gefahr, dass die russischen militärischen Aktionen in Syrien sich mit denen der westlichen Antiterror-Allianz, die von den USA angeführt wird, unbeabsichtigt kreuzen könnten. Das gilt es zu verhindern. Dies wäre außenpolitisch eine große Katastrophe, die auch zur militärischen Eskalation zwischen den beiden Mächten führen könnte. Deshalb bemühen sich Kerry und Lawrow um eine intensive Kommunikation. Der russische Präsident Wladimir Putin hat sogar eine Kooperation gegen den IS vorgeschlagen. Ob es zu einer effektiven Zusammenarbeit kommt oder man lediglich parallel vorgeht, bleibt zunächst offen.

Das Hauptproblem ist dabei klar umrissen: Die USA wollen Assad unter allen Umständen loswerden. Russland will Assad unter allen Umständen an der Macht halten. Das ist zunächst ein unlösbarer Gegensatz. Doch angesichts der Eskalation des Bürgerkrieges, des wachsenden Terrors des IS und der Millionen Flüchtlinge, die das Land verlassen haben, deutet sich eine Schwerpunktverschiebung an: Der Krieg in Syrien muss schnellstmöglich beendet werden.

Wahrscheinlich wird es auf den gemeinsamen Nenner hinauslaufen, den IS und den Al-Qaida-Ableger Al-Nusra zu bekämpfen. Wäre dieses Schreckensgespenst erst einmal beseitigt, würde Syrien vermutlich zwischen dem Assad-Regime und der Opposition der FSA (Freie Syrische Armee) sowie den Kurdengebieten aufgeteilt werden, wobei Assad von den Russen und die FSA von den Amerikanern gedeckt würde. Das wäre zwar kein schöner Zustand, aber realistisch und zunächst besser als die weitere Eskalation des grausamen Krieges. Der Konflikt wäre damit nicht gelöst, aber der heiße Krieg erst einmal eingefroren. Für Menschen, die um Leib und Leben bangen, ist das bereits eine große Erleichterung.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hans von Atzigen

Letztlich stehen wir vor den Volgen der schleichenden
Aushebelung des Kernvölkerrechtsansatzes.
Selbstbestimmungsrecht der Völker und Nationen.
Ohne Selbstverantwortung Mass und Vernunft ist eine
Nachhaltig Humane Zivilisation NICHT möglich.
Die schleichende Abschaffung der Verantwortung ist das verheerende Hintergrundübel unserer Zeit.
Auf individueller,Nationaler und Globaler Ebene.

Gravatar: Coyote38

Es mag dem "freien" Westen gefallen oder auch nicht: FAKT aber ist und bleibt, dass die "Familie" Assad (erst Vater Hafiz und dann Bascher al-Assad) Syrien mit seinen multiplen Ethnien und Glaubensrichtungen über die letzten 44 Jahre stabilisiert hat ... auch wenn man in dieser Gleichung das Wort "Menschenfreund" vielleicht NICHT unbedingt unterbringen kann.
Das Chaos brach dort erst mit den "Segnungen" der demokrstischen Freiheit à la Wall Street und London Financial District aus.
Gleiches gilt übrigens für den Irak prä und post Saddam Hussein und Libyen prä und post Mohammar al-Gaddafi.
Bezeichnend ist höchstens das auffällige Schweigen Washingtons und Londons angesichts der zig Millionen Flüchtlinge, die sich als Folge dieser "Politik" (des "Arabischen Frühlings" und der "Demokratischen Leuchttürme") gegenwärtig in das - selbstverständlich nur kontinentale - Europa ergießen, während gleichzeitig fundamentalistische Steinzeit-Islamisten am Arabischen Golf als "Strategische Partner" hofiert werden.

Wo die Schuldigen der Situation stehen, ist ziemlich eindeutig: Es ist WEDER Moskau NOCH Damaskus.

Hilfreich ist auch die einfache Frage "Qui bono ...?" - Wenn man identifiziert hat, wer von einer Situation profitiert, dann trägt dies in geradezu brachialer Weise zur Klärung geopolitischer und geostrategischer Fragestellungen jeglicher Art bei.

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